Die längste am Stück gefertigte Betonplatte der Welt

Gestern um 16.45 Uhr verließ der letzte von insgesamt 850 Betonmischern das DESY-Gelände. Zweieinhalb Tage lang hatten sie ununterbrochen aus insgesamt vier Betonmischwerken über 6600 Kubikmeter Beton herangeschafft. Dann war sie fertig geschüttet: Die längste monolithische, das heißt in einem Stück gefertigte, Betonplatte der Welt ist stolze 280 Meter lang, 24 Meter breit und einen Meter dick. Sie dient als Bodenplatte für die neue Experimentierhalle, die derzeit für das PETRA III-Projekt bei DESY gebaut wird. „Zum Glück lief alles wie am Schnürchen“, freut sich PETRA III-Projektleiter Prof. Edgar Weckert, „das war eine logistische Meisterleistung unseres Generalunternehmers Züblin!“

Die Rekordplatte ist für den Erfolg des PETRA III-Projekts von entscheidender Bedeutung: In dem PETRA-Speicherring fliegen Elektronen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durch Spezialmagnete (Undulatoren) und senden dadurch besonders brillante Röntgenstrahlung aus. Damit der Lichtstrahl ungestört die hochempfindlichen Experimente erreichen kann, muss der Hallenboden frei von Erschütterungen und vom Rest des Bauwerks möglichst gut entkoppelt sein. Diese Anforderungen erfüllt nur eine dicke, in einem einzigen Stück geschüttete Betonplatte. „Läuft ein Experimentator auf der Platte entlang, darf sie sich in zwei Metern Entfernung nur um einen einzigen Mikrometer (Tausendstel Millimeter) bewegen“, erklärt Dr. Hermann Franz, Projektleiter für die PETRA III-Experimente. Außerdem darf die Platte auf zehn Meter Länge nur eine Unebenheit von höchstens vier Millimetern aufweisen.

Die ersten Betonmischer kamen bereits am Freitagmorgen kurz vor 5 Uhr auf das DESY-Gelände gefahren. In einem eigens eingerichteten Betonlabor prüften Spezialisten erst die Eigenschaften des Betons, bevor die Freigabe für die Baustelle erfolgte. Werte wie der Wasser-Zement-Wert, die Temperatur und die Konsistenz mussten exakt stimmen, um den Betonkoloss in einem Stück fertigen zu können. Der einen Meter dicke Hallenboden wurde aus Hochleistungsbeton in zwei Lagen aufgetragen: Die untere Schicht ist klassisch durch herkömmliche Stahlmatten und -stäbe bewehrt. Darüber kam eine 50 Zentimeter dicke Schicht, die zusätzlich mit zwei verschiedenen Sorten Stahlfasern verstärkt wurde, um eine hohe Zähigkeit und Zugfestigkeit zu garantieren. Fünf Betonpumpen gleichzeitig förderten den Beton in die Halle und arbeiteten sich dabei langsam von der Mitte der knapp 300 Meter langen Betonplatte aus zu beiden Enden voran. Betonbauexperten aus ganz Deutschland beobachteten das Schauspiel kritisch. Einer ihrer Tricks für die Fertigung in einem Stück bestand darin, die Platte auf einer dünnen Bitumenschicht zu fertigen. Dazu Prof. Bernd Hillemeier vom Institut für Bauingenieurswesen der TU Berlin: „Wenn sich der Beton beim Abkühlen zusammenzieht, muss die Platte gut gleiten können, um nicht zu reißen.“ Die beim Abbinden der Platte entstehende Temperatur – bis zu ca. 40 Grad Celsius – verringert dabei die Viskosität des Bitumens; es wirkt wie ein Schmierfilm. Nach dem Auskühlen des Betons, das Mitte Januar beendet sein wird, hat die Bitumenschicht ihre Funktion erfüllt und die Platte liegt ruhig.

Aus Sicherheitsgründen und um den Zeitplan des Bauablaufs nicht zu gefährden, wurde das Schütten der Bodenplatte nicht vorher bekannt gegeben. Die Baustelle war während des Betonierens für Besucher gesperrt.

PETRA III

2009 wird sie fertig sein: PETRA III, die weltbeste Speicherring-Röntgenstrahlungsquelle. Sie liefert kurzwelliges Röntgenlicht besonders hoher Brillanz. PETRA III bietet exzellente Experimentiermöglichkeiten für verschiedenste Anwendungen – von der Medizin bis zur Materialforschung.
In Verbindung mit dem bestehenden Speicherring DORIS III und dem Freie-Elektronen-Laser FLASH wird der nationalen und internationalen Nutzergemeinschaft bei DESY eine einzigartige Kombination von Synchrotronstrahlungsanlagen zur Verfügung stehen.
Für die Umrüstung zur brillanten Lichtquelle werden knapp 300 Meter des 2,3 Kilometer langen PETRA-Rings komplett umgebaut und eine neue Experimentierhalle errichtet. Geplant sind 14 Messplätze mit bis zu 30 Instrumenten.