DESY News: WAVE misst Wellen für die Wissenschaft

News-Suche

Meldungen vom Forschungszentrum DESY

https://www.desy.de/e409/e116959/e119238 https://www.desy.de/aktuelles/news_suche/index_ger.html news_suche news_search ger 1 1 8 both 0 1 %d.%m.%Y Pressemeldung
ger,eng
19.05.2022
Zurück

WAVE misst Wellen für die Wissenschaft

Demonstrationsstudie zu Seismischem Netzwerk auf dem DESY-Campus Bahrenfeld veröffentlicht

Forschende von Universität Hamburg, DESY und des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) Potsdam haben erstmals mit Hilfe eines Glasfasernetzwerks Bodenvibrationen und -schwingungen auf dem DESY-Forschungscampus Bahrenfeld vermessen und deren Ursachen analysiert. In ihrer jetzt veröffentlichten Demonstrationsstudie zu dieser neuartigen Messmethode schildert die WAVE-Kollaboration, wie sensibel solch ein seismisches Netzwerk auf dem Campus die Auswirkungen seismisch übertragener Störungen messen lassen. Die Studie beinhaltet auch Ideen zum Aufbaueines seismischen Netzwerks als Bestandteil der Forschungsinfrastruktur auf dem Campus.

Download [25.3 MB, 6455 x 4303]
Auch solch ein Vibrotruck war während der Messkampagne unterwegs und versetzte den Boden gezielt in Schwingung. Diese wurden dann mit den Glasfasern vermessen. Foto: DESY, Marta Mayer
Schwingungen und Vibrationen im Boden sind zwei der Hauptfeinde der hochpräzisen Forschung bei DESY und seinen Forschungspartnern. Egal, ob natürlichen Ursprungs oder menschengemacht: Vibrationen übertragen sich auf Teilchenbeschleuniger und empfindliche Experimente und begrenzen die Möglichkeiten oder Genauigkeit dieser Anlagen. Im Rahmen der WAVE-Initiative, die auch von den Exzellenzclustern Quantum Universe und Climate, Climate Change and Society (CliCCS) betrieben/unterstützt wird, entwickeln Forschende Methoden, mit denen durch Bodenschwingungen übertragene Störungen gemessen und aus den Messdaten von Experimenten extrahiert oder im laufenden Betrieb der Forschungsanlagen kompensiert werden können. „Das ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung von Messdaten“, erklärt Oliver Gerberding vom Exzellenzcluster Quantum Universe der Universität Hamburg und ergänzt: „WAVE könnte in den kommenden Jahren zu einem internationalen Leuchtturm-Projekt werden.“ Das sogenannte seismische Rauschen kann dabei eine Vielzahl von Ursachen haben. „Neben natürlichen Phänomenen wie Erdbeben, Gezeiten oder Meereswellen, verursachen auch Aktivitäten des Menschen, beispielsweise Verkehr oder Bauarbeiten, Störsignale, die durch den Boden übertragen werden“, erläutert die Geophysikerin Céline Hadziioannou vom Exzellenzcluster CliCCS. Holger Schlarb aus der Gruppe Maschine Strahlkontrollen bei DESY fügt hinzu: „Der innovative Ansatz unserer Messmethode ermöglicht eine großflächige Überwachung der Infrastruktur im Umfeld von Beschleunigeranlagen und vor allem ein schnelles Reagieren auf dort entstehende Störungen, beispielsweise durch den Betrieb von Klimaanlagen oder Pumpen.“ In den Daten, die im Rahmen der Demonstrationsstudie erhoben wurden, konnten die Forschenden nicht nur Bodenschwingungen beispielsweise durch das Netzbrummen von Transformatorhäuschen erkennen, sondern sogar die von akustischen Durchsagen im Beschleunigertunnel.

Für die Messung der Schwingungen haben die Forschenden ein sogenanntes seismisches Netzwerk genutzt. Es besteht aus ortsverteilten akustischen Sensoren (distributed acoustic sensing, DAS). Die Technologie basiert auf Glasfaserkabeln, die eigens für die Messungen verlegt werden, oder nutzt bereits vorhandene Glasfaserkabel aus der Telekommunikation. In die Glasfaser wird ein Laserpuls eingespeist, und mithilfe von Laserinterferometrie können die Dehnungen und Stauchungen der optischen Glasfaserkabel durch die Bodenschwingungen metergenau vermessen werden. Mit demselben Verfahren lässt sich die Übertragung akustischer, für das menschliche Ohr hörbarer Signale messen. Die Demonstrationsstudie der WAVE Initiative basiert auf Messungen entlang eines gut 12 Kilometer langen Strangs vorhandener Glasfaserkabel, die unter anderem in der PETRA III-Experimentierhalle Max von Laue und im Tunnel des Röntgenlasers European XFEL verlaufen.

Download [319KB, 1521 x 780]
Das Team der WAVE-Initiative hat neben vom Menschen verursachten Bodenschwingungen unter anderem auch die abgewschwächten Wellen eines Erdbebens in China auf dem Forschungscampus nachweisen können. Das Bild zeigt Ausbreitung der Wellen entlang des European XFEL-Tunnels. Bild: WAVE-Initiative
Die Physiker Oliver Gerberding und Roman Schnabel entwickeln am Exzellenzcluster Quantum Universe der Universität Hamburg Komponenten für Gravitationswellendetektoren. „Für die Messung von Gravitationswellen ist eine hohe Präzision des Detektors notwendig. Mithilfe von seismischen Netzwerken lässt sich sogenanntes Newton’sches Rauschen, also die Störung durch gravitative Effekte sich anziehender Massen bestimmen.“

Eine Kenntnis über seismische Störungen auf dem Campus ist zudem ein Gewinn für alle Forschungsanlagen und Labore vor Ort. Für das Forschungszentrum DESY haben seismisch übertragene Störungen eine große Relevanz mit Blick auf Großforschungsanlagen, wie beispielsweise den European XFEL, die Messstationen an der Hochleistungs-Röntgenquelle PETRA III und die zukünftige Anlage PETRA IV. „Wir haben Schwingungen von 10 Millihertz bis zu 500 Hertz verfolgt und dabei verschiedenste Schwingungsquellen identifiziert“, so Holger Schlarb. „Mit einer dauerhaften Installation eines solchen Messnetzes könnten wir den Einfluss auf die Experimente und die Möglichkeiten, ihn zu vermeiden, genau studieren. Die Forschung bei uns könnte dadurch enorm profitieren.“ Mit dem System könnte man auch eine Art Frühwarnsystem für alternde und damit Lärm verursachende Lüfter, Klappen oder andere technische Komponenten einrichten.

Für die Geophysikerin Céline Hadziioannou und ihren Kollegen Dirk Gajewski vom Exzellenzcluster CliCCS ist über die Erforschung der Technologie seismischer Netzwerke hinaus eine Anwendung im Zusammenhang mit Smart City-Konzepten, sowie Nachhaltigkeit und urbaner Sicherheit in Städten interessant.

 

Weitere Informationen
Webseite der WAVE-Initiative
News der Uni Hamburg