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DESY News: Nanostrukturen bauen sich selbst
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Nanostrukturen bauen sich selbst
DESY-Forscher haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich metallische Nanostrukturen selbst bauen und ordnen. Dieser sogenannte Bottom-up-Ansatz bietet eine schnelle und einfache Alternative zu bisherigen Verfahren und ist damit auch für die Wirtschaft interessant, die immer häufiger Nanostrukturen nutzt. „Vor allem erlaubt die Methode, ausgesprochen gleichförmige Nanostrukturen in sehr regelmäßigen Anordnungen mit verhältnismäßig geringem Aufwand herzustellen“, erläutert DESY-Forscherin Denise Erb aus der Forschungsgruppe um Ralf Röhlsberger, die gemeinsam mit ihren Ko-Autoren die Methode und erste Ergebnisse im Fachjournal „Science Advances“ vorstellt. Mit einem von DESY-Forscher Kai Schlage entwickelten Spezialaufbau konnten die Forscher an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III den Nanostrukturen beim Wachsen zusehen.

Aufbau der Nanostruktur: Auf den rund 10 Nanometer (nm) tiefen Furchen eines Aluminiumoxid-Kristalls (grau) wächst eine rund 40nm dicke Copolymer-Schicht (braun) mit chemischen Domänen. Auf den passenden Domänen lagern sich rund 10nm hohe Quantenpunkte aus Metall (grün). Die gezeigte Fläche ist 3000nm x 1800nm groß. Bild: Denise Erb, DESY
Nanostrukturen begegnen uns immer häufiger im Alltag. „Durch Nanostrukturen können bessere oder neue Funktionalitäten erzielt werden. Zum Beispiel bei Katalysatoren, Datenspeichern oder Sensoren“, beschreibt Erb. „Produkte, mit denen wir in unserem täglichen Leben umgehen, haben aber in der Regel Abmessungen von Zentimetern oder mehr. Also möchte man nanostrukturierte Materialien in dieser Größenordnung herstellen. Und das möglichst schnell und billig.“ Allerdings ist es oft eine große Herausforderung, Nanostrukturen sowohl auf großer Fläche als auch mit regelmäßiger Anordnung herzustellen. Hierbei kann das neue Verfahren seine Stärke ausspielen.
Die traditionelle Herangehensweise an dieses Problem, das sogenannte Top-Down-Verfahren, lässt sich mit Bildhauerei vergleichen: Es wird zunächst eine Fläche mit dem gewünschten Material beschichtet. Aus dieser Schicht wird dann das Muster durch Entfernen bestimmter Bereiche herausgearbeitet. Dies geschieht Stück für Stück, so dass die Produktionsdauer direkt von der Größe der gewünschten Fläche abhängt. Der Vorteil ist, dass sich nahezu jedes gewünschte Muster auf diese Weise herstellen lässt.
Die Methode der DESY Forscher dagegen fußt auf dem sogenannten Bottom-up-Ansatz. Dieser nutzt aus, dass bestimmte Materialien von sich aus dazu neigen, Nanostrukturen zu bilden. „Bei Bottom-up-Methoden, auch selbstorganisierende Methoden genannt, zwingen wir das Material nicht in ein bestimmtes Muster wie bei Top-down-Verfahren“, beschreibt Erb. „Stattdessen schaffen wir Bedingungen, die es dem Material erlauben, sich selbst zu ordnen und Nanostrukturen auszubilden. Die Form der Nanostrukturen können wir dabei nicht so beliebig festlegen, wie bei Top-down-Methoden – sie sind durch die Materialeigenschaften vorgegeben. Nichtsdestotrotz sind die entstehenden Nanostrukturen für uns sehr interessant und nützlich.“ Der große Vorteil liegt darin, dass die Bildung der Nanostrukturen auf der gesamten Fläche gleichzeitig geschieht, so dass die Dauer der Herstellung nicht mehr von der Größe der Fläche abhängt.

Die Copolymer-Schicht (braun) lagert sich selbstorganisierend auf der Kristalloberfläche (grau) an. Das Copolymer bildet dabei chemische Domänen mit etwa 2 Nanometer (nm) hohen Erhebungen, darauf bauen sich die Metall-Nanopunkte (grün) auf. Die Kantenlänge der Grundfläche in der Abbildung beträgt 1000nm. Bild: Denise Erb, DESY
Als Basis dient ein Kristall aus Aluminiumoxid. Wird dieser auf mehr als 1000 Grad Celsius erhitzt, entstehen nanometer-kleine Rillen auf der vorher glatten Kristalloberfläche – sie gleicht nun einem Nano-Waschbrett. Auf dieses erste Nanostrukturmuster wird die nächste Schicht aufgetragen. Dabei handelt es sich um einen Film aus sogenannten Copolymeren. Polymere sind lange, kettenförmige Moleküle, Copolymere sind wiederum aus mehreren Sorten Polymeren zusammengesetzt. In dem verwendeten Copolymer sind die gleichen Polymere zu finden, die sich auch zu Plexiglas oder Styropor verarbeiten lassen. Allerdings sind diese Polymere im Copolymer anders miteinander verbunden, so dass sich neue Materialeigenschaften ergeben.
„Die Copolymer-Ketten haben zwei chemisch verschiedene Enden, die sich nicht vertragen: Gleiche Enden können nah beieinander sein, verschiedene nicht. Deswegen ordnen sich die Moleküle im Copolymer-Film in sogenannten Domänen an“, beschreibt Erb. „Der gerillte Kristall beeinflusst das Copolymer nicht über chemische Bindungen, sondern viel einfacher: Die Molekülketten und damit auch die Domänen haben eine feste Größe und passen so nur auf bestimmte Weise auf den nanostrukturierten Kristall. Und am besten passt es, wenn die nanometer-kleinen Domänen im Copolymer sich den Kristallrillen folgend sehr regelmäßig anordnen.“ So bestimmt die Ordnung der Nanostrukturen (Rillen) auf der Kristalloberfläche die Ordnung der Nanostrukturen (Domänen) im Copolymer-Film.
Im letzten Schritt geht es darum, auf der Oberfläche des Copolymer-Films kleine Hügel aus Metallatomen zu schaffen, sogenannte Nanopunkte (Nanodots). Nanopunkte aus Eisen sind der wichtige Abschluss für die gesamte Struktur, denn die DESY-Forscher interessieren sich insbesondere für das magnetische Verhalten von Nanostrukturen, um beispielsweise zur Weiterentwicklung magnetischer Datenspeicher beizutragen. Hier lassen sich die unterschiedlichen chemischen Eigenschaften der Copolymer-Domänen ausnutzen, die verschieden stark mit Metallen wechselwirken. „Zunächst wird ein Metalldampf erzeugt, der sich dann auf der Oberfläche des Copolymer-Films niederschlägt. Trifft ein Metallatom auf eine Domäne, mit der es eine starke chemische Wechselwirkung hat, bleibt es dort haften. Dagegen haftet das Metallatom nicht an Domänen, mit denen es nur eine schwache Wechselwirkung hat“, erklärt Erb. So entstehen auf der Copolymer-Oberfläche Hügel aus Eisenatomen und Täler dort, wo sich keine Eisenatome anhaften. Auf diese Weise bildet sich das gewünschte Muster aus magnetischen Nanostrukturen.

Weiterhin lassen sich die Proportionen der Metall-Nanopunkte über äußere Bedingungen beeinflussen, etwa über die Temperatur. Je höher die Temperatur ist, desto beweglicher werden die Metallatome. Wenig bewegliche Metallatome können nur flache, breite Nanostrukturen aufbauen. Sehr bewegliche Metallatome können dagegen hohe, schmale Nanostrukturen bilden.

Röntgenstreubild der wachsenden Nanostruktur, gewonnen an der Strahlführung P01 bei PETRA III. Bild: Kai Schlage, DESY
Mit Hilfe des Röntgenlichts können die Forscher zum Beispiel erkennen, wie sich die Form und die magnetischen Eigenschaften der Nanostrukturen entwickeln. Sie können also nicht nur das Endergebnis ihrer Arbeit begutachten, sondern auch die Zwischenstadien genauer studieren. Wie beim Fußball sind die Forscher nicht nur am Endergebnis des Spiels interessiert, sondern auch am Verlauf. Die Forscher möchten etwa wissen, welche Parameter eine wichtige Rolle gespielt haben. „Eine Methode zu etablieren, die Nanostrukturen einfacher und schneller entstehen lässt, ist genauso Ziel unserer Forschung, wie besser zu verstehen, wieso sich diese winzigen Strukturen magnetisch, chemisch oder optisch so verhalten wie sie es tun“, fasst Erb zusammen.
Originalarbeit:
„Uniform metal nanostructures with long-range order via 3-step hierarchical self-assembly“; D. J. Erb, K. Schlage, R. Röhlsberger; „Science Advances“, 2015; DOI: 10.1126/sciadv.1500751