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02.12.2025
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Proteine im Gedränge: European XFEL schaut ins Innere von Zellen

Forschende beobachten detailliert, wie sich das lebenswichtige Eisenprotein Ferritin in extrem dichter Umgebung seinen Weg bahnt

Im Inneren biologischer Zellen herrscht dichtes Gedränge: Millionen von Proteinen schieben sich nebeneinander her, stoßen aneinander oder lagern sich kurz zusammen. Zugleich müssen sie oft zeitig wichtige Aufgaben erfüllen. Wie genau sich die Proteine in dieser Enge bewegen, war bislang schwer zu verfolgen. Ein internationales Forschungsteam um Anita Girelli und Fivos Perakis von der Universität Stockholm hat nun mit Hilfe des Röntgenlasers European XFEL in Schenefeld bei Hamburg einen genaueren Blick auf diese Bewegungen geworfen – und dabei ein überraschendes Muster entdeckt.

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Die Forschenden platzieren Kapillarenhalter mit den Ferritinlösungen vor dem Detektor an der MID-Experimentierstation des European XFEL. (Foto: Michelle Dargasz, Universität Siegen)
Moleküle im „Käfig“

Im Fokus der Experimente stand Ferritin, ein kugelförmiges Protein, das Eisen speichert und in nahezu allen Lebewesen vorkommt. Wird es in hoher Konzentration untersucht, zeigt es ein ungewöhnliches Verhalten: Statt sich gleichmäßig und zufällig – also wie bei der klassischen Brownschen Molekularbewegung – fortzubewegen, gerät Ferritin immer wieder in eine Art molekularen Käfig: Umgeben von Nachbarproteinen wird es kurzfristig blockiert, bevor es wieder freikommt und weiterziehen kann.

Schnappschüsse im Mikrosekunden-Takt

Um diese winzigen Bewegungen sichtbar zu machen, nutzte das Team eine neuartige Technik: die Megahertz-Röntgen-Photonenkorrelationsspektroskopie (MHz-XPCS). „Mit den extrem schnellen Röntgenblitzen von European XFEL konnten wir die winzigen Bewegungen der Proteine innerhalb von Millionstel Sekunden aufzeichnen“, erläutert Johannes Möller, Wissenschaftler an der Experimentierstation „Materials Imaging and Dynamics“ (MID) von European XFEL. Damit schließen die Forschenden eine Lücke zwischen etablierten Methoden wie Lichtstreuung oder Kernspinresonanz, die zwar ebenfalls Proteinbewegungen messen können, aber nicht in dieser Präzision und Geschwindigkeit.

Messung der Proteindiffusion über verschiedene Längen- und Zeitskalen. (a) Darstellung der Molekulardynamik von Ferritinproteinen. Die Abbildungen zeigen die Kurzzeitdiffusion (oben), den Einfluss von Käfigeffekten (Mitte) und die Langzeitdiffusion (unten). (b) Schematische Darstellung des Experiments zur Megahertz-Röntgenphotonen-Korrelationsspektroskopie (MHz-XPCS). Einfallende Röntgenimpulse werden von Ferritinproteinlösungen in einer Kapillare gestreut, und die Streubilder werden von einem Detektor aufgezeichnet.
Unerwartete Einblicke – praktische Folgen

Die Beobachtungen zeigen: Je dichter die Umgebung, desto ausgeprägter wird das Käfig-Phänomen. „Die Proteine bewegen sich nicht einfach langsamer, sondern auf komplexe Weise ungewöhnlich eingeschränkt, sagt Studienleiterin Anita Girelli. „Diese Erkenntnisse sind nicht nur für die Grundlagenforschung relevant. Sie könnten auch helfen, neue biomedizinische Anwendungen zu entwickeln“, ergänzt ihr Kollege Fivos Perakis.

„Dank seiner einzigartigen MHz-Wiederholungsrate ist der European XFEL derzeit weltweit unübertroffen für Experimente, mit denen wir Vorgänge im Nanobereich mit bemerkenswerter Detailgenauigkeit beobachten können, wie beispielsweise das unerwartete Verhalten dieser Proteinkomplexe in Lösung“, sagt DESY-Wissenschaftler Felix Lehmkühler, Mitautor der Studie.

Denn Ferritin wird bereits erforscht, inwiefern es sich eignet, Wirkstoffe zeitverzögert im Körper freizusetzen. Wie schnell die Proteine sich verbreiten und diffundieren, beeinflusst direkt deren Wirksamkeit. Darüber hinaus sind weitere Anwendungen für Ferritin im Gespräch – als Kontrastmittel für die Magnetresonanztomographie (MRT) beispielsweise oder als Baustein für Nanomaterialien.

„Mit dem European XFEL konnten wir die kollektiven Bewegungen von Proteinen so genau verfolgen wie nie zuvor“, sagt Girelli. Das hilft nicht nur, die Grundlagen biologischer Prozesse besser zu verstehen, sondern eröffnet auch neue Perspektiven für medizinische Anwendungen.

Die Studie wurde im Rahmen eines Langzeitprojekts an der Experimentierstation MID von European XFEL durchgeführt. Beteiligt waren unter anderem DESY, die Universitäten Siegen und Tübingen, die TU Dortmund und die European Synchrotron Radiation Facility ESRF und das Institut Laue-Langevin ILL – beide in Grenoble in Frankreich.

Originalveröffentlichung
Coherent X-rays reveal anomalous molecular diffusion and cage effects in crowded protein solutions. Girelli, A., Bin, M., Filianina, M. et al. Nat Communications (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-66972-6