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DESY News: Nano-Burger mit vielversprechenden Macken
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Nano-Burger mit vielversprechenden Macken
Katalysatoren sind essenzielle Hilfsmittel für die Industrie: Sie beschleunigen chemische Reaktionen und machen sie dadurch erst wirtschaftlich. Oft bestehen sie aus nanometerkleinen Partikeln, an denen sich Moleküle anlagern und dadurch leichter an ihre Reaktionspartner binden können. Die Katalysatoren selbst gehen dabei unverändert aus dem Geschehen hervor. Eine Klasse von Nanokatalysatoren besteht aus den Edelmetallen Platin und Rhodium und kommt unter anderem in der Abgasreinigung, der Wasserstoff-Erzeugung und in Brennstoffzellen zum Einsatz.
Um das herauszufinden, konzipierte Stierles Team ein Experiment an der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle ESRF in Grenoble. „Sie erzeugt einen extrem gebündelten Röntgenstrahl, mit dem sich einzelne Nanoteilchen untersuchen lassen“, erläutert Stierle. Konkret nutzten die Forschenden eine Methode namens Bragg Coherent Diffraction Imaging (BCDI). Hierbei erzeugt der Röntgenstrahl beim Durchleuchten des Nanoteilchens ein spezielles Interferenzmuster, das von einem Detektor gemessen wird. „Anschließend lässt sich mit Hilfe spezieller Algorithmen rekonstruieren, wie die Atome im Kristallgitter angeordnet sind und an welchen Stellen es Abweichungen von der regulären Struktur gibt – Verzerrungen, Defekte und Versetzungen im Kristallgitter“, erklärt Ivan Vartanyants, der die Rekonstruktionen angeleitet hat.

Der Nano-Burger in Aktion: Die beiden „Hälften“ des Platin-Rhodium-Katalysators interagieren in dieser Simulation mit Reagenzien. (Bild: Science Communication Lab für DESY)
Das unerwartete Resultat: Die Fachleute entdeckten dort, wo die Ober- und die Unterhälfte der Nanoburger aufeinandertreffen, ausgeprägte Kristalldefekte. Die beiden Grenzflächen passten also nicht perfekt übereinander, stattdessen fehlen an den Außenkanten Atome. Durch diese Lücken verschieben sich auch alle Atome in der Nähe, was das Kristallgitter deutlich verzerrt und versetzt.
Der Clou: Auf die katalytischen Fähigkeiten der Nanoburger wirken sich diese „Macken“ überaus positiv aus. „Die Defekte stellen einzigartige Absorptionsplätze für Moleküle dar“, erklärt Co-Autor Thomas Keller. „An ihnen bleiben Moleküle wie Sauerstoff sehr gut haften, was die Wirkung des Katalysators erhöht.“ Perspektivisch könnten die Erkenntnisse der Industrie helfen, effizientere und wirksamere Katalysatoren zu entwickeln – und zwar durch ein gezieltes „Defekt-Engineering“, das an den Nanoteilchen möglichst viele Ankerpunkte für die umzusetzenden Moleküle schafft.
In diese Richtung möchte das Team weiterarbeiten. Unter anderem würden die Wissenschaftler:innen gerne herausfinden, wie die Defekte in den Nanoburgern überhaupt entstehen. „Die Herstellung der Partikel erfolgt bei Temperaturen von 1000 Grad Celsius, und wir vermuten, dass sich die Defekte beim schnellen Abkühlen der Teilchen bilden“, so Teamleiter Andreas Stierle. „Weil die Partikel so klein sind, scheint in ihnen ein thermischer Stress zu entstehen, und der bringt die Stapelfolge der Kristallebenen dann durcheinander.“ Würde man diesen Prozess im Detail verstehen, ließen sich womöglich durch ein Optimieren des Herstellungsprozesses gezielt Kristalldefekte hervorrufen, die die katalytische Wirkung der Nanoteilchen besonders steigern.
In einigen Jahren könnten hierbei Experimente an DESYs geplanter Röntgenlichtquelle PETRA IV helfen. Denn die Nachfolgerin des heutigen PETRA-III-Rings wird Röntgenstrahlen erzeugen, die erheblich feiner und gebündelter sind als an der ESRF. Damit ließen sich deutlich kleinere Nanoteilchen unter die Lupe nehmen als dies bislang möglich ist. „Die Nanoburger, die wir in Grenoble untersucht haben, waren etwa 100 Nanometer groß“, erläutert Stierle. „Die Katalysatorteilchen, die heute in der Industrie zum Einsatz kommen, messen in der Regel nur 10 bis 20 Nanometer. PETRA IV würde uns erlauben, künftig auch solche industrierelevanteren Partikel zu analysieren und dabei live zu verfolgen, wie sie funktionieren.“
Originalveröffentlichung
Lydia Bachmann, Dmitry Lapkin, Jan-Christian Schober, Silvan Dolling, Young Yong Kim, Dameli Assalauova, Nastasia Mukharamova, Jagrati Dwivedi, Tobias Schülli, Thomas F. Keller, Ivan Vartanyants, Andreas Stierle, Coherent X-ray Diffraction Imaging of a Twinned PtRh Catalyst Nanoparticle under Operando Conditions, ACS Nano, 2025, DOI: 10.1021/acsnano.4c15457