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DESY News: PETRA III blickt tief in Pflanzentumore hinein
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PETRA III blickt tief in Pflanzentumore hinein
Für Landwirte und Gärtner sind sie ein Albtraum: Blattgallen, abnorme Pflanzenwucherungen, die von verschiedenen Organismen verursacht werden, können Nutzpflanzen und andere Gewächse schädigen. Forschende haben mit PETRA III die Gallen untersucht, die die Blätter verschiedener Bäume und Sträucher befallen und von Milben verursacht werden. Sie fanden Erstaunliches heraus: Die Milben verändern den Stoffwechsel der Pflanzen von Spurenmetallen in den neu gebildeten Gallen, um sie besser an ihre Bedürfnisse anzupassen: Sie reichern die für ihre Ernährung und ihren Schutz benötigten Metalle an und sondern die überschüssigen ab. Die Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift New Phytologist veröffentlicht wurden, könnten der Wissenschaft helfen, diese evolutionär faszinierenden Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und spezialisierten Pflanzenfressern besser zu verstehen und vielleicht sogar dazu beitragen, Schäden an wirtschaftlich wichtigen Pflanzen zu vermeiden.
Nagelgallen auf einem Blatt.
„Die Gallen sind eine Art geordneter Tumor“, sagt Filis Morina, Pflanzenwissenschaftlerin am Biologiezentrum der Tschechischen Akademie der Wissenschaften (CAS) in Budweis und Erstautorin der Studie. „Das ist wie eine feindliche Übernahme der zellulären Funktionen der Pflanze, denn die Milbe manipuliert vollständig, was mit dem Blatt geschieht. Das Blatt würde sonst niemals eine solche Form wie eine Nagelgalle bilden.“
Obwohl Metalle sowohl für die Pflanze als auch für die Milben essenziell sind, war die Rolle der Metalle in der Interaktion zwischen den beiden bisher unklar. Um dies herauszufinden, nutzten die Forschende die in der medizinischen Bildgebung gebräuchliche Tomographie und die Röntgenstrahlen der DESY-Röntgenlichtquelle PETRA III, um in die Galle zu blicken.

Das Forschungsteam konnte sehen, wie die Metalle in den Nagelgallenstrukturen aggregiert wurden. In der unteren rechten Ecke sind die Mangancluster und die Zinkverteilung in der Wand der Galle hervorgehoben, die die Kammer umgibt, in der sich die Milben aufhalten. (Bild: Filis Morina, Biologiezentrum CAS)
„Die P06-Beamline an PETRA III ermöglichte es uns, subzellulär genau hinzuschauen, wo Elemente verteilt sind, die für die Entwicklung der Milbe und der Galle entscheidend sind“, sagt Hendrik Küpper, der die Forschung zusammen mit Morina am Biologiezentrum CAS leitete. Das Team fand heraus, dass die Milben eine Anreicherung von Zink, Eisen und Kupfer im Nährgewebe bewirken, während sich Mangan und Kalzium in den großen sekretorischen Zellen anreichern. Die Milben hatten sowohl die Verteilung der Metalle als auch ihre Funktion verändert. Durch den Einsatz sich ergänzender spektroskopischer, biochemischer und genetischer Techniken konnte das Team schließlich verschiedene Metalle mit der Genexpression, dem Stoffwechselprofil und den Oxidations-Reduktionsreaktionen, die von der Milbe in der Galle reguliert werden, in Verbindung bringen.
Um die Veränderungen im Mangan-Stoffwechsel besser zu verstehen, verwendete das Team eine Technik namens XANES-Tomographie (Röntgenabsorptions-Nahkanten-Spektroskopie), um eine Karte der Mangan-Absorptionsspektren in verschiedenen Gallenkompartimenten zu erstellen. Dies ermöglichte die Identifizierung und Kartierung der Klassen von Mangan-bindenden Verbindungen und die Verknüpfung der Verteilung des Metalls und seiner Funktion in einzelnen Zellen in den Gallen.
„Gallen befallen eine große Anzahl von Arten, so dass Nutzpflanzen, Zierpflanzen und wirtschaftlich wichtige Arten betroffen sind“, sagt Morina. „Wenn man versteht, wie sich die Mikronährstoffe bei dieser Art von Wechselwirkungen verändern, kann man sie in der Land- und Forstwirtschaft und sogar in städtischen Ökosystemen einsetzen, um Pflanzen vor dieser Art von Parasitismus zu schützen. Das ist erst der Anfang dieser Art von Forschung.“
Auch für Untersuchungen zu Fragestellungen im Zusammenhangn mit Gallen wird PETRA IV, das geplante 4-D Röntgenmikroskop bei DESY durch die hohe Brillanz noch tiefgreifendere Erkenntnisse ermöglichen. Gerald Falkenberg erklärt daszu: "Die PETRA IV-Infrastruktur kann einen wichtigen Beitrag zum mechanistischen Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und gallenbildenden Organismen leisten. Mit der verbesserten Auflösung bei PETRA IV werden die subzelluläre Verteilung und Speziation von Metallen in den Zellen mit unterschiedlichen Funktionen in den Pflanzengallen - d.h. Ernährung vs. Schutz - und in der Galle selbst - also Fütterungsapparat, Darm, Ovipositoren - aufgedeckt."
Originalveroffentlichung
F Morina et al, How eriophyd mites shape metal metabolism in leaf galls on Tilia cordata, New Phytologist (2025), DOI:10.1111/nph.70103