DESY News: Quanten-Tornados bei Elektronen beobachtet

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25.03.2025
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Quanten-Tornados bei Elektronen beobachtet

Erster experimenteller Nachweis eines neuen Quantenphänomens

Ein bisher unbekanntes Quantenphänomen, das bereits vor einigen Jahren vorhergesagt wurde, hat ein internationales Forschungsteam, dem auch DESY-Forschende angehören, an DESYs brillanter Röntgenquelle PETRA III experimentell nachgewiesen. Das Team beobachtete in der Halbmetallverbindung Tantalarsenid (TaAs) eine tornadoartige Quantenstruktur, in der sich die Elektronen wie ein wirbelnder Tornado im Impulsraum verhalten. Die Entdeckung, die in Zusammenarbeit mit dem Würzburg-Dresdener Exzellenzcluster für Komplexität und Topologie in der Quantenmaterie (ct.qmat) und weiteren Partnern gemacht wurde, ist jetzt in der Fachzeitschrift Physical Review X veröffentlicht worden. Das neue Phänomen eröffnet möglicherweise Anwendungen in neuartigen Quantentechnologien.

Quanten-Tornado im Impulsraum: Elektronen bilden Wirbel in dem Quantenmaterial Tantalarsenid (TaAs). Der Impulsraum ist ein Konzept in der Physik, das die Bewegung von Elektronen in Form von Energie und Richtung beschreibt. (Copyright: think-design | Jochen Thamm)
Es ist seit langem bekannt, dass Elektronen in Quantenmaterialien Wirbel bilden können. Diese Wirbel wurden jedoch immer in einem Rahmen betrachtet, der als Ortsraum bezeichnet wird und buchstäblich nur ihren physikalischen Ort beschreibt. Vor einigen Jahren stellte ein Mitglied des ct.qmat, eines gemeinsamen Exzellenzclusters der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der TU Dresden, die These auf, dass die Wirbel auch im Impulsraum existieren könnten - also der Beschreibung von Energie und Impuls der Teilchen. Das bedeutet auch, dass der Wirbel mit Quanteneigenschaften der Elektronen verbunden ist, die über ihren physikalischen Ort hinausgehen. Der experimentelle Nachweis dieses Phänomens ist ein Meilenstein in der Entwicklung der Quantenmaterialforschung.

Die bahnbrechenden Experimente haben gezeigt, dass der Quantenwirbel durch den Bahndrehimpuls entsteht - die Kreisbewegung der Elektronen um die Atomkerne. Um den Quanten-Tornado im Impulsraum nachzuweisen, hat das Forschungsteam unter der Leitung von Maximilian Ünzelmann (JMU Würzburg) und Hendrik Bentmann (Technisch-Naturwissenschaftliche Universität Norwegens NTNU Trondheim) eine bekannte Technik namens „Angle-Resolved Photoemission Spectroscopy“ (ARPES) weiterentwickelt. „ARPES ist ein grundlegendes Werkzeug in der experimentellen Festkörperphysik“, erklärt Maximilian Ünzelmann, Gruppenleiter am ct.qmat und an der Universität Würzburg. „Dabei wird eine Materialprobe mit Licht bestrahlt, Elektronen werden extrahiert und deren Energie und Austrittswinkel gemessen. So erhalten wir einen direkten Einblick in die elektronische Struktur eines Materials im Impulsraum. Indem wir diese Methode angepasst haben, konnten wir den Bahndrehimpuls messen.

Die Experimente wurden mit der ASPHERE III-Messstation an der PETRA III-Strahlführung P04 bei DESY durchgeführt. An dieser Strahlführung kann die Polarisation des bereitgestellten Vakuum-Ultraviolett-Lichts eingestellt werden. Die präzise zirkulare Polarisation des P04-Strahls sowie die hohe Winkel- und Energieauflösung des ASPHERE III-Instruments waren entscheidend für die Durchführung der Experimente. Das Instrument wurde in langjähriger Zusammenarbeit zwischen den Würzburger Forschern, einem Team der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel und DESY im Rahmen des ErUM-Pro-Programms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gebaut.

Der Impulsraum der Probe wurde Schicht für Schicht analysiert, ähnlich wie in der medizinischen Tomographie. Durch das Zusammensetzen von Einzelbildern konnte das Team die dreidimensionale Struktur des Bahndrehimpulses rekonstruieren und bestätigen, dass die Elektronen im Impulsraum Wirbel bilden.

Als nächstes wollen die Forschenden untersuchen, ob Tantalarsenid zur Entwicklung von Komponenten der orbitalen Quantentechnologie für eine neue Form der Elektronik, die so genannte Orbitronik, verwendet werden kann. Diese würde sich auf das orbitale Drehmoment der Elektronen stützen, um Informationen zu übertragen, anstatt sich auf elektrische Ladung zu verlassen. Das könnte zu einer energieeffizienteren Form elektronischer Komponenten führen.

„Die nächste Stufe der ARPES-Messungen wird sein, zu beobachten, wie sich die Elektronen in solchen Bauelementen während des Betriebs bewegen“, sagt Mitautor Kai Rossnagel, Professor für Physik an der CAU zu Kiel und Leitender Wissenschaftler bei DESY. „Mit der kohärenten Röntgenstrahlung von PETRA IV wollen wir das in bisher unerreichter Detailgenauigkeit tun.“

Originalveröffentlichung

T. Figgemeier, M. Ünzelmann, et al., Imaging Orbital Vortex Lines in Three-Dimensional Momentum Space, Physical Review X (2025)
DOI: 10.1103/PhysRevX.15.011032