DESY News: 3D-gedruckte Röntgen-Nanolinse ermöglicht hochauflösende Abbildung von Mikrochips bis auf Transistorebene

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03.07.2024
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3D-gedruckte Röntgen-Nanolinse ermöglicht hochauflösende Abbildung von Mikrochips bis auf Transistorebene

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Schema der Multibeam-Ptychographie: Die Aufteilung des Primärstrahls in einzelne Strahlen ermöglicht es den Forschenden, gleichzeitig mehrere Probenpunkte zu untersuchen. Der Detektor zeichnet die gestreuten Strahlen auf. Bild: DESY, Mikhail Lyubomirskiy
Ein neu entwickeltes Röntgenabbildungsverfahren kann jetzt die innere Struktur verschiedener Proben – wie Mikrochips oder Katalysatorpartikel – großflächig mit Nanometerauflösung sichtbar machen, ohne sie zu beschädigen. Das neue Verfahren wurde vor allem an DESYs Röntgenquelle PETRA III entwickelt. Es könnte als neue Charakterisierungsmethode für Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in der Industrie von besonderem Interesse sein, wie das Entwicklerteam um DESY-Wissenschaftler Mikhail Lyubomirskiy im Fachblatt Advanced Science schreibt.

Röntgenstrahlen können im Gegensatz zu sichtbarem Licht sehr tief in die Materie eindringen und diese dabei dank einer Technik namens Ptychographie mit hervorragender Auflösung in der Größenordnung von wenigen Nanometern abbilden. Dabei wird die Probe in feinen Schritten abgetastet und Forschende können aufzeichnen, wie die Röntgenstrahlen an ihr abgelenkt werden. Mit der Ptychographie kann die höchstmögliche mikroskopische Auflösung erreicht werden; dafür muss die Schrittweite beim Abtasten der Probe kleiner sein als der Durchmesser des Röntgenstrahls.

Die Eindringtiefe des Röntgenlichts hängt jedoch von seiner Wellenlänge ab: Um eine dickere Probe zu untersuchen, ist eine kürzere Wellenlänge erforderlich. Die besten Quellen für intensive Röntgenstrahlung – Synchrotronlichtquellen – erzeugen allerdings mit abnehmender Wellenlänge immer weniger intensives Licht. Außerdem kann nur ein Bruchteil der Röntgenstrahlung genutzt werden und auch die Fokussierung herkömmlicher Röntgenoptiken wird weniger effizient. Dadurch, dass PETRA III von allen Synchrotronstrahlungsquellen weltweit den größten Umfang hat, kann diese Anlage die Ptychographie bei kürzeren Wellenlängen als andere Röntgenquellen anbieten. Bei sehr kurzen Wellenlängen ist es jedoch auch hier äußerst schwierig, bildgebende Experimente durchzuführen, wodurch sich die Messzeit drastisch erhöht. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, ist die Aufrüstung auf eine neue Quelle mit einem stärker fokussierten Strahl. Doch auch das verschiebt die Herausforderung nur in Richtung kürzerer Wellenlängen, da das generelle Problem weiterhin besteht.

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Ni/Al2O3-Katalysator, gemessen mit sechs parallelen Strahlen. Die Pixelgröße im Bild beträgt 16 Nanometer. Bild: DESY, Mikhail Lyubomirskiy
Die Autor:innen der Studie folgten einem anderen Ansatz: die Multibeam-Ptychography. Bei dieser Technik lenkt ein Raster aus sechs bis zwölf Nano-Linsen – hergestellt mit einem hochauflösenden 3D-Drucker – den Strahl der Synchrotronlichtquelle mehrfach auf die Probe. Damit wird ein größerer Teil der einfallenden Röntgenstrahlen eingefangen und genutzt, um die Probe mit den sehr kurzwelligen Röntgenstrahlen zu beleuchten. Eine solche Methode kann besonders in der Mikroelektronikindustrie interessant sein, da sie eine 3D-Visualisierung eines ganzen Mikrochips mit einer Auflösung bis auf Transistorebene liefern kann. Oder auch in der chemischen Industrie – insbesondere in der Katalyseforschung und beim Materialdesign.

Für die Anwendung der neuen Technologie musste das Team vor allem zwei Herausforderungen meistern: zum einen die Entwicklung von Linsen, die dicht gepackt werden können und dennoch eine ausreichende Fokussierungsleistung bieten, um verwertbare Signale der abgelenkten Röntgenstrahlen am Detektor zu bekommen. Zum anderen die Trennung der Beugungsmuster aus den vielen verschiedenen parallelen Strahlen.

„Unser neuer Ansatz kombiniert die Entwicklung revolutionärer Optik-Elemente, die mit Hilfe modernster 3D-Drucktechnologie hergestellt werden und die parallele Bestrahlung dicker Proben mit Röntgenstrahlen sehr kurzer Wellenlänge (bis zu 0,06 Nanometer) bei guter Fokussierung ermöglichen. Und das mit intelligenten Analysealgorithmen, die in der Lage sind, Signale aus zwölf parallelen Strahlen zu unterscheiden“, sagt Lyubomirskiy. Zur Demonstration habe das Team eine Mikrochip-Fläche von 120 x 90 Mikrometern mit zwölf parallelen Strahlen und eine Katalysatorprobe mit sechs parallelen Strahlen untersucht. Für jede Probe benötigten die Forschenden knapp zehn Minuten. Die resultierenden Bilder hatten eine Auflösung von 38 Nanometern. „Auf diese Weise haben wir die Bildgebung der hochmodernen PETRA III-Strahlführung P06 um den Faktor 12 verbessert.“

Derzeit entwickelt das Team diese neue Multibeam-Ptychographie für noch kürzere Wellenlängen von weniger als 0,05 Nanometern und mit einer größeren Anzahl paralleler Strahlen weiter. Das Ziel: die serienweise Abbildung großer, komplexer Proben, wie sie in Industrie üblich sind – zum Beispiel ganze Mikrochips oder Industriekatalysatoren. Kombiniert mit Synchrotronstrahlungsquellen der 4. Generation, insbesondere mit DESYs geplantem Hochleistungs-3D-Röntgenmikroskop PETRA IV, kann diese Methode die konventionelle Bildgebung mit Einzelbestrahlung bei der Untersuchung großer komplexer oder zusammengesetzter Proben übertreffen.

Die Arbeit ist das Ergebnis des ersten Jahres eines vierjährigen Projekts, das vom Röntgen Ångström Cluster (RÅC), einer schwedisch-deutschen Wissenschaftskooperation, unterstützt wird. Das Projekt zielt darauf ab, diese Methode in den Anlagen PETRA III und MAX IV zu etablieren.

 

Originalveröffentlichung:

X-Ray Multibeam Ptychography at up to 20 keV: Nano-Lithography Enhances X-Ray Nano-Imaging. Tang Li, Maik Kahnt, Thomas L. Sheppard, Runqing Yang, Ken V. Falch, Roman Zvagelsky, Pablo Villanueva-Perez, Martin Wegener, Mikhail Lyubomirskiy. Advanced Science– published 23 June 2024. DOI: https://doi.org/10.1002/advs.202310075