DESY News: Flüssigkristalle bilden Nanodrähte in Nanoporen

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21.05.2024
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Flüssigkristalle bilden Nanodrähte in Nanoporen

Flüssigkristalle sind aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Sie sind nicht nur für die leuchtenden Farben auf unseren Mobiltelefonen, Fernsehern und Computern verantwortlich, sondern spielen auch in vielen anderen optischen Technologien eine wichtige Rolle, da sie das mit ihnen interagierende Licht auf besondere Weise verändern. Nun meldet ein Forschungsteam unter Leitung von DESY und Technischer Universität Hamburg eine Entdeckung, die das Potenzial von Flüssigkristallen im Hinblick auf Anwendungen im Bereich der Bio- und Nanoelektronik sowie auf neue Membrantechnologien erweitert.

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Durch das Einfüllen von Flüssigkristallen in Nanoporen kann deren Selbstorganisation präzise gesteuert werden: Je nach Temperatur bilden ionische scheibenförmige Moleküle ausgerichtete konzentrische Ringe oder gerade Nanodrähte, die zur maßgeschneiderten Polarisation von Laserlicht oder für neuartige intelligente Membranen mit gleichzeitigem Ionen- und Elektronentransport verwendet werden können. Bild: AG Huber
Wie die Forscher in der renommierten Fachzeitschrift „ACS Nano“ berichten, lassen sich so genannte ionische Flüssigkristalle, die ähnlich wie Kochsalz aus positiven und negativen Ionen bestehen, zur Selbstorganisation in hochgradig ausgerichtete Nanoringe und Nanodrähte bringen, indem man sie in winzige zylindrische Nanokanäle füllt, die nur etwa 1/250 des Durchmessers eines Haares haben. Dieser Prozess lässt sich durch die Temperatur und die Eigenschaften der Wände der Nanobehälter, die entweder wasserabweisend oder wasseranziehend sein können, genau steuern. Die so künstlich geschaffenen Ionenkanäle ähneln in ihrer Struktur denjenigen, die in vielen biologischen Systemen, z. B. Biomembranen, zu finden sind. Da sowohl der Elektronen- als auch der Ionenfluss in diesen Nanokanälen in den Flüssigkristallen stattfindet, werden neue Wege für ionoelektronische Anwendungen erforscht, die faszinierende Möglichkeiten offenbaren. „Diese Selbstorganisation ist auch ein schönes Beispiel für skalierbare, multiskalige Materialsysteme, die auf verschiedenen Längenskalen, insbesondere auf der Nano- und Mesoskala, unterschiedlichen Bauprinzipien folgen, um auf der Makroskala ganz besondere Eigenschaften zu erzeugen", sagt Zhuoqing Li, Doktorand an der TU Hamburg und bei DESY und Erstautor der Veröffentlichung.

„Die Entdeckung war nur dank einer Kombination modernster laseroptischer und röntgentechnischer Experimente möglich, darunter hochbrillante Röntgenquellen bei DESY in Hamburg und an der ESRF in Grenoble“, sagt Patrick Huber, Leiter des Instituts für Material- und Röntgenphysik der TU Hamburg und Leiter der Arbeitsgruppe „Hochauflösende Röntgenanalytik“ bei DESY, der auch der Doktorvater von Zhuoqing Li ist. „Die maßgeschneiderte Synthese der elementaren Bausteine der Flüssigkristalle war auch von besonderer Bedeutung, um das Selbstorganisationsverhalten der Nanodrähte zu entschlüsseln und steuerbar zu machen“, so Sabine Laschat, die eine Arbeitsgruppe an der Universität Stuttgart leitet. Aileen Raab, Doktorandin in Laschats Gruppe, hat die Flüssigkristalle synthetisiert.

Die Ergebnisse dieser Studie sind ein wichtiger Meilenstein für das grundlegende Verständnis der Selbstorganisation von flüssigkristallinen und allgemeiner von hierarchisch strukturierten Materialien im Nanobereich. Aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften bieten sie nicht nur die Möglichkeit einer gezielten Steuerung des Ionentransports, sondern zeigen auch äußerst interessante opto-elektrische Eigenschaften, die auch für die Entwicklung neuer photonischer Technologien von großem Interesse sind.

Die neu entdeckten Systeme könnten Anwendungen in der Wasseraufbereitung und als Separator-Materialien bei der Konstruktion von Elektrobatterien und Superkondensatoren finden, sagt Andreas Schönhals (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, BAM, Berlin), der die Doktorarbeit von Mohamed A. Kolmangadi betreut hat, die sich unter anderem mit der Mobilität von Ionen in diesen Systemen auf molekularer Ebene beschäftigt.

„Bei unseren Untersuchungen haben wir festgestellt, dass die flüssigkristalline Selbstorganisation extrem von der Luftfeuchtigkeit und damit vom Wassergehalt abhängig ist. Deshalb sollen diese Systeme auch im Rahmen der TU Hamburg-Forschungsinitiative „BlueMat: Water-Driven Materials“ untersucht werden, erklärt Patrick Huber.

Die Forschungsarbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts von TU Hamburg, DESY, Uni Stuttgart und BAM sowie des Sonderforschungsbereichs SFB 986 "Maßgeschneiderte Multiskalige Materialsysteme", Hamburg, gefördert.


Originalveröffentlichung
Self-Assembly of Ionic Superdiscs in Nanopores; Zhuoqing Li, Aileen Raab, Mohamed Aejaz Kolmangadi, Mark Busch, Marco Grunwald, Felix Demel, Florian Bertram, Andriy V. Kityk, Andreas Schönhals, Sabine Laschat, and Patrick Huber, ACS Nano 2024, DOI: 10.1021/acsnano.4c01062