DESY News: PETRA III löst Jahrzehnte altes Rätsel um Asteroideneinschläge

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18.01.2024
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PETRA III löst Jahrzehnte altes Rätsel um Asteroideneinschläge

Teilchenbeschleuniger weist den Weg zu Indikator für Asteroiden- und Meteoriteneinschläge

Ein Forschungsteam von DESY und der Universität Jena hat erstmals live die Bildung des Minerals Stishovit (eine Form von Siliziumdioxid, SiO2) nachgewiesen, das häufig als Mineral zum Nachweis für alte Asteroiden- und Meteoriteneinschläge auf der Erdoberfläche verwendet wird. Die Forscher beobachteten die Bildung des Minerals mit Hilfe zeitaufgelöster Röntgenbeugungsexperimente an DESYs Hochleistungs-Röntgenquelle PETRA III, während sie Quarz einer schnellen Kompression aussetzten. In ihrer Studie zeigten die Wissenschaftlererstmals die strukturelle Entwicklung des allgegenwärtigen Minerals Quarz bei Erhöhung des Drucks bis hin zu Stishovit auf und löste damit ein jahrzehntealtes Rätsel, wie sich Stishovit direkt während eines Asteroiden- oder Meteoriteneinschlags aus Quarz bilden kann. Die Arbeit, die im Journal of Geophysical Research: Planets veröffentlicht wurde, hat somit große Bedeutung für die Abschätzung des Ausmaßes von Einschlägen und trägt zum besseren Verständnis von schnellen Kompressionsereignissen in anderen Mineralsystemen bei.

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Künstlerisches Bild eines Asteroiden, der sich der Erde nähert. Bild: kjpargeter on Freepik Linkhttps://www.freepik.com/free-photo/meteorite-approaching-earth_879717.htm#query=asteroid%20impact&position=0&from_view=keyword&track=ais&uuid=8f57b5e6-1328-4b98-824c-06c13839086e
Einschläge von kleineren Objekten, wie Meteoriten und Asteroiden, auf seiner Oberfläche muss jeder Planet vielfach im Laufe seiner Geschichte ertragen. „Während diese Einschläge auf dem Mond als Krater sichtbar sind, sind sie auf der Erdoberfläche fast verschwunden, weil Erosion, Verwitterung und Plattentektonik diese großflächigen Merkmale ausgelöscht haben“, erklärt Falko Langenhorst von der Universität Jena, einer der Autoren der Studie. Doch bei einem Einschlag verändert sich nicht nur die Oberfläche eines Planeten, sondern auch die Minerale, aus denen seine planetaren Krusten bestehen – ein Glücksfall für die Forschung. Denn so wandelt sich das allgegenwärtige Mineral Quarz zunächst in eine intermediäre Struktur des Siliziumdioxids, die dieselbe Kristallstruktur wie das Mineral Rosiait besitzt, und geht dann final in das Hochdruckmineral Stishovit über. Beide Formen von Siliziumdioxid bzw. ihre amorphen Rückbildungsprodukte wurden in den Einschlagkratern Barringer in den USA und dem Nördlinger Ries in Deutschland nachgewiesen. Allerdings war lange Zeit völlig unklar, wie sich die amorphen Abbauprodukte von Rosiait, so genannte planare Deformationslamellen (PDF), und Stishovit am gleichen Ort bilden können und wie sie zueinander in Beziehung stehen. „Dies gilt vor allem deshalb, weil die Forschenden glaubten, dass Stishovit nur dann entstehen kann, wenn Quarz unter hohem Druck stark erhitzt wird. Das geschieht nach dem anfänglichen Aufprall während einer Phase des Schmelzens und einer erneuten Kristallisation von SiO2 zu Stishovit“, erklärt der Erstautor der Arbeit Christoph Otzen, Doktorand bei DESY und der Universität Jena. In ersten, wegweisenden Feldversuchen Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts vermuteten die Forschenden Stishovit in den PDFs, konnten aber deren Bildung nicht erklären, da die PDFs nicht erhalten werden konnten, wenn die Probe erhitzt wurde, um Stishovit zu bilden. Diesem Mysterium wollten die Forscher mit ihren Hochdruckexperimenten an PETRA III jetzt auf die Spur kommen.
Eine Quarz-Probe in der Diamantstempelzelle an der PETRA III-Strahlführung P02.2. Foto: DESY, Christoph Otzen

„Die Experimente zur schnellen Kompression von Quarz-Einkristallen zwischen zwei gegenläufigen Diamant-Stempeln haben das Rätsel gelöst“, erklärt Hanns-Peter Liermann, Leiter der PETRA III-Strahlführung P02.2 und Co-Autor der Studie. „Mit der sehr intensiven Röntgenstrahlung von PETRA III konnten wir die kristallographischen Veränderungen während der Kompression von Quarz in Echtzeit verfolgen“, beschreibt Liermann. „Wir fanden heraus, dass die Quarzkristalle entlang einer bestimmten kristallographischen Orientierung komprimiert werden müssen, um die Bildung von Stishovit aus der Rosiait-strukturierten Kieselerde zu ermöglichen. In unseren früheren Experimenten ließ sich die Bildung von Stishovit nicht beobachten, erst als wir eine andere kristallographische Orientierung wählten, konnten wir durch Scherung in der Rosiait-strukturierten Kieselerde lokal hohe Temperaturen erzeugen und dadurch die Bildung von sehr kleinen Strängen fast perfekter Stishovit-Kristalle beobachten. Diese Kristalle wurden dann durch Untersuchungen mit dem Transmissionselektronenmikroskop an der zurückgewonnenen Probe mit den PDFs korreliert“, erklärt Langenhorst.

Die Bildung von Stishovit aus metastabilem Siliziumdioxid mit Rosiait-Struktur durch eine Festkörperumwandlung hat große Bedeutung für die Beurteilung des Ausmaßes früherer Asteroideneinschläge. Bisher glaubten die Forscher, dass sich Stishovit nur bei sehr hohem Druck bildet. Die Studie zeigt jedoch, dass nicht nur der Druck für die Bildung dieses Indikatorminerals entscheidend ist, sondern auch die Ausrichtung des Basismaterials zur Schockfront. Das heißt, das Fehlen von Stishovit bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Stärke des Einschlags gering war. Erst die Häufigkeit an PDFs und das Vorhandensein von Stishovit ermöglichen eine Abschätzung des beim Einschlag herrschenden Drucks, auch wenn man die Morphologie des Einschlagskraters selbst nicht mehr sieht. „Darüber hinaus kann die Festkörperumwandlung auch ein Modell dafür sein, was in anderen Mineralsystemen wie Feldspäten passiert, die ebenfalls Teil von Sedimenten sind und die durch einen Asteroideneinschlag ebenfalls erheblich kristallographisch verändert werden“, erklärt Otzen. Dieser neue Ansatz der Simulation von Asteroideneinschlägen mit Hilfe von Einkristallen in einer schnell komprimierten Diamant-Stempelzelle eröffnet einen neuen Forschungszweig auf dem Gebiet der Einschlagssimulationen und unterstreicht die Bedeutung von Quarz als einzigartigem kristallinen Indikator für Asteroideneinschläge.

 

Originalveröffentlichung

A new mechanism for stishovite formation during rapid compression of quartz and implications for asteroid impacts; Christoph Otzen, Hanns-Peter Liermann, Falko Langenhorst; Journal of Geophysical Research: Planets, 129, e2023JE008126 (2024). DOI: 10.1029/2023JE008126