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DESY News: Forschende erzeugen „Händigkeit“ nur mit Mikrowellenfeldern
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Forschende erzeugen „Händigkeit“ nur mit Mikrowellenfeldern
DESY-Wissenschaftler:innen haben mit einem eigens entwickelten Schema von Mikrowellenpulsen eine geometrische Asymmetrie organischer Moleküle erzeugt. Diese Asymmetrie, Chiralität oder „Händigkeit“ genannt, spielt in der Biochemie und Medizin eine wichtige Rolle. Die Forscher:innen nahmen Benzylalkoholmoleküle, die normalerweise in einer physikalisch untrennbaren Mischung aus beiden chiralen Formen vorliegen, und setzten Mikrowellenstrahlung ein, um diese Symmetrie zu brechen und eine Bevorzugung der links- oder rechtshändigen Version der Moleküle zu erzeugen. Die Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurden, könnten zu einem besseren Verständnis der Ursachen dieses Phänomens beitragen.

Chiralität oder „Händigkeit“ ist eine Eigenschaft organischer Moleküle, die darin besteht, dass ein und dasselbe Molekül eine gespiegelte Version seiner selbst haben kann, die biologisch völlig anders funktionieren kann als sein Spiegelpartner. Illustration: Denis Tikhonov, DESY
Eine Gruppe um DESYs Leitende Wissenschaftlerin Melanie Schnell hat einen völlig neuen Ansatz entwickelt, um diese Asymmetrie zu manipulieren. Sie nahmen ein Molekül, das durch einen Quanten-Tunneleffekt zwischen seiner linken und rechten Form wechseln kann und somit keinen wirklichen Unterschied zwischen den beiden Formen aufweist. Durch die Anwendung einer speziellen Serie von Mikrowellenpulsen konnten die Forscher:innen das achirale Molekül Benzylalkohol in einen ausgewählten Rotationsquantenzustand zwingen. Dies bedeutet, dass das Molekül von einer 50/50-Mischung aus links- und rechtshändigen Versionen zu einer Mischung überging, in der eine der beiden Formen dominiert.
„Unser neu entwickeltes Schema bietet einen neuen Ansatz zur Manipulation der molekularen Chiralität in flexiblen chiralen Molekülen und dadurch einen neuen Einblick in dynamische Prozesse in diesen Molekülen“, sagt Wenhao Sun, Postdoc in Schnells Labor und Erstautor der Arbeit.
Die Methode verwendet sechs verschiedene Mikrowellenpulse, um die Händigkeit des Moleküls zu verändern und die Veränderungen anschließend zu beobachten. Die ersten drei der sechs Pulse bewirken die Verschiebung zu einer links- oder rechtshändigen Version des Moleküls. Der vierte und fünfte Puls wird dann verwendet, um das manipulierte Molekül zu untersuchen, das seinen eigenen sechsten Mikrowellenpuls abgibt, der Informationen über die Veränderungen in seiner Struktur enthält.
„Die Veränderungen werden ausschließlich durch die Wirkungen der Mikrowellen auf die Rotations- und Schwingungszustände des Moleküls hervorgerufen“, sagt Sun. „Diese Forschung zielt darauf ab, dass man nur elektromagnetische Felder auf ein nicht chirales Reagenz anwenden und das chirale Ergebnis der chemischen Reaktion kontrollieren kann.“
Wenn sie herausfinden, wie man diese Veränderungen herbeiführen kann, bringt das die Wissenschaftler:innen einen Schritt näher daran, zu verstehen, wie und warum dieses Phänomen in biologischen Systemen auftritt. Mit einem besseren Verständnis, warum die Händigkeit in bestimmten Molekülen auf die eine und in anderen Molekülen auf eine andere Art und Weise auftritt, können Details der Evolution von Molekülen in den frühen Stadien des Lebens auf der Erde besser ergründet werden.
„Dass es uns gelungen ist, diesen wichtigen Schritt zur gezielten Steuerung der Chiralität eines Moleküls zu machen, hilft, biomolekulare Systeme besser zu verstehen“, sagt Schnell.
Originalveröffentlichung
Sun, W., Tikhonov, D.S., Singh, H. et al. Inducing transient enantiomeric excess in a molecular quantum racemic mixture with microwave fields. Nat Commun 14, 934 (2023). DOI: 10.1038/s41467-023-36653-3