DESY News: Asteroidenstaub im Röntgenstrahl

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23.09.2022
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Asteroidenstaub im Röntgenstrahl

Große Messkampagne analysiert Partikel des Asteroiden Ryugu

In einer spektakulären Mission hat die japanische Raumsonde „Hayabusa 2“ Bodenproben des Asteroiden Ryugu gesammelt und im Dezember 2020 zur Erde gebracht. Ein großes internationales Team analysiert jetzt das außerirdische Material. Die Forscher Frank Brenker von der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Laszlo Vincze von der Universität Ghent und Gerald Falkenberg von DESY gehörten mit ihren Teams zu den ersten, die die wissenschaftlich kostbaren Proben wortwörtlich durchleuchten durften, unter anderem an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III. Die internationale Forschungskooperation unter Leitung von Tomoki Nakamura von der Universität Tohoku stellt nun erste Analysen im Fachblatt „Science“ vor.

Asteroid Ryugu fotografiert aus 20 Kilometern Entfernung. Bild: JAXA, University of Tokyo, Kochi University, Rikkyo University, Nagoya University, Chiba Institute of Technology, Meiji University, University of Aizu and AIST. Linkhttps://www.hayabusa2.jaxa.jp/en/galleries/ryugu/index.html
Die Teams um Vincze und Brenker sind weltweit führend in einer Methode, die es erlaubt, vollkommen zerstörungsfrei und ohne aufwendige Probenvorbereitung Material in allen drei Raumrichtungen mit Hilfe von Röntgenstrahlung auf seine chemische Zusammensetzung hin zu untersuchen – und zwar mit einer Detailgenauigkeit von weniger als 100 Nanometern (ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter). Der ausführliche Name der Methode lautet „Synchroton Radiation induced X-Ray Fluorescence Computed Tomography“, kurz SR-XRF-CT.

Die japanische Raumfahrtagentur JAXA hatte Ryugu (deutsch: Drachenpalast) als Ziel der Sonde ausgewählt, weil es sich um einen Asteroiden handelt, der wegen seines hohen Kohlenstoffgehalts versprach, besonders viele Informationen über die Entstehung des Lebens in unserem Sonnensystem zu liefern. Die Analysen an 16 Partikeln zeigen nun, dass Ryugu zur Klasse der CI-Asteroiden gehört, die in ihrer chemischen Zusammensetzung der Sonne äußerst ähnlich sind. Von diesen CI-Asteroiden wurde bisher auf der Erde nur selten Material gefunden – Material, von dem unklar war, wie stark es durch den Eintritt in die Erdatmosphäre sowie den Aufprall auf der Erde verändert oder verunreinigt wurde. Außerdem bestätigen die Analyse die Annahme, dass Ryugu von einem Mutterasteroiden stammt, der sich im äußeren Sonnennebel bildete.

Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass es bedingt durch die niedrigen Temperaturen bei der Entstehung des CI-Materials in der Frühzeit des Sonnensystems kaum Materialtransport innerhalb des Asteroiden gab und damit auch kaum eine Chance für die massive Anreicherung von Elementen. Brenkers Team fand jedoch mittels SR-XRF-CT in einem der Körner des Asteroiden eine feine Ader aus Magnetit – einem Eisenoxid-Mineral – und Hydroxylapatit, einem phosphathaltigen Mineral. Andere Forschungsgruppen ermittelten, dass sich die Struktur und andere Magnetit-Hydroxylapatit-Bereiche in den Ryugu-Proben bei einer überraschend niedrigen Temperatur von unter 40 Grad Celsius gebildet haben müssen. Diese Erkenntnis ist wesentlich für die Interpretation nahezu aller Ergebnisse, die die Untersuchung der Ryugu-Proben erbracht haben und noch erbringen werden.

Das Team von Frank Brenker wies in Hydroxylapatit-haltigen Bereichen der Proben zudem Metalle der Seltenen Erden nach – eine Gruppe von chemischen Elementen, die heutzutage unter anderem für Legierungen und Gläser in High-Tech-Anwendungen unentbehrlich ist. „Die Seltenen Erden kommen in dem Hydroxylapatit des Asteroiden in 100-fach höheren Konzentrationen vor als sonst im Sonnensystem“, sagt Brenker. Zudem seien alle Elemente der Seltenen Erdmetalle in dem Phosphat-Mineral in gleichem Maße angereichert – auch das ist ungewöhnlich. „Diese gleiche Verteilung der Seltenen Erden liefert einen weiteren Hinweis darauf, dass Ryugu ein sehr ursprünglicher Asteroid ist, der die Anfänge unseres Sonnensystems repräsentiert.“

Die jetzt präsentierten Analysen sind erst der Anfang der Auswertung. Die Messungen an den kostbaren Proben sind noch nicht abgeschlossen. „Es ist nicht alltäglich, außerirdisches Material zu durchleuchten“, sagt Falkenberg, der bei DESY die Messstation P06 an PETRA III leitet. „Wir sind sehr gespannt, was die Asteroiden-Proben noch preisgeben werden. Es warten mit Sicherheit überraschende Erkenntnisse!“

 

Originalveröffentlichung:
Formation and evolution of carbonaceous asteroid Ryugu: Direct evidence from return samples; Tomoki Nakamura et al.; „Science“, 2022; DOI: 10.1126/science.abn8671

 

Weitere Informationen:

  • Mitteilung der japanischen Raumfahrtagentur JAXA
  • Mitteilung der Goethe-Universität Frankfurt am Main