DESY News: Erstes Laserlicht am Terahertz-Freie-Elektronen-Laser bei PITZ

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19.08.2022
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Erstes Laserlicht am Terahertz-Freie-Elektronen-Laser bei PITZ

Ergänzung könnte die Forschungsmöglichkeiten an Röntgenlasern erweitern

Der Photoinjektor-Teststand bei DESY in Zeuthen (PITZ) hat einen wichtigen Meilenstein erreicht: Ein vom Photoinjektor angetriebener Freie-Elektronen-Laser (FEL) hat erstmals Laserlicht im Terahertz-Wellenlängenbereich (THz) erzeugt. Die Anlage erzeugte Pulse mit einer Wellenlänge von etwa 0,1 Millimetern mit einer Wiederholrate von bis zu einem Megahertz. Der Laser ist der weltweit erste Hochleistungs-Terahertz-FEL, der nach dem so genannten SASE-Prinzip, der „Selbstverstärkung spontaner Emission“, arbeitet. Er wird nun genutzt, um die Eigenschaften der intensiven Strahlung für eine mögliche zukünftige Anwendung am European XFEL zu vermessen. „Was vor zehn Jahren als Idee begann, hat das Team von PITZ jetzt erfolgreich umgesetzt. Das eröffnet neue Möglichkeiten, die Wissenschaft mit Terahertz-Strahlung am ersten FEL für hartes Röntgenlicht und darüber hinaus voranzubringen“, sagt Wim Leemans, Direktor des Beschleunigerbereichs bei DESY.

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Blick in die PITZ-Erweiterung mit dem THz-Laser. Der Undulator zur Erzeugung der Laserstrahlung ist auf dem gelben Gestell montiert, der Elektronenstrahl fliegt von rechts in die Strahlführung. Foto: DESY, PITZ-Gruppe
DESY-Wissenschaftler und Projektleiter Mikhail Krasilnikov sagt: „Dieses erste Lasing ist ein großer Erfolg, an dem viele Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Mitglieder der technischen Gruppen beteiligt waren. Jetzt wollen wir zeigen, dass es möglich ist, die Experimentierstationen am European XFEL in Hamburg um eine solche THz-Quelle zu erweitern. So wird eine neue Art von Experimenten möglich, bei denen die THz-Strahlung mit der harten Röntgenstrahlung des European XFEL kombiniert wird."

Terahertz-Strahlung stößt in der Wissenschaft auf immer größeres Interesse, weil sie in der Lage ist, in vielen verschiedenen, unter anderem in biologischen Materialien, interessante Prozesse in Gang zu setzen. Das liegt daran, dass ihre Wellenlänge zwischen 0,1 und 1 Millimeter liegt, ein Bereich, in dem Moleküle, z. B. die DNA, bei der Absorption der Strahlung ihren Rotations- oder Schwingungszustand ändern. Die Untersuchung mit hochauflösender harter Röntgenstrahlung, kurz nachdem solche Prozesse durch den THz-Puls ausgelöst wurden, kann viel über die Eigenschaften von neu entwickelten Materialien, Medikamenten, etc. aussagen. Mögliche Forschungsgebiete dieser so genannten Pump-Probe-Experimente umfassen eine Vielzahl wissenschaftlicher Bereiche wie die Untersuchung von Quantenmaterialien, Magnetismus, komplexen und biologischen Flüssigkeiten, Membranproteinen, Biomolekülen (z. B. Dynamik und Funktion von Metallionen in Biosystemen), oder auch Technologien für kondensierte Materie (Gläser, Keramiken, Katalysatoren, Zeolyte, Batterien und Brennstoffzellen). „Damit ist diese Forschung auch für direkte Anwendungen, die von der modernen Gesellschaft benötigt werden, von größter Bedeutung“, erklärt Krasilnikov.

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Der Plot für Spezialist:innen: Oszilloskop-Signal (rosa) des Detektors, der die THz-Laserstrahlung misst. Foto: DESY, PITZ-Gruppe
THz-Quellen auf der Basis optischer Laser gibt es zwar schon seit einiger Zeit, aber bisher haben sie nicht die notwendigen Eigenschaften für viele interessante Experimente. Der beschleunigerbasierte THz-Laser an PITZ kann jetzt mehrere der Eigenschaften bieten, die für die Erforschung neuer interessanter Bereiche erforderlich sind: Als THz-Quelle mit hoher Intensität kann sie das molekulare System weit aus dem Gleichgewicht zu bringen. Auf diese Weise können spezifische Eigenschaften mit minimaler Störung durch andere Prozesse innerhalb des Materials untersucht werden. Die Wellenlänge der Laserstrahlung ist schmal und einstellbar; dies ist von großer Bedeutung, um bestimmte Prozesse so „sauber“ und gezielt wie möglich zu starten. So ist es möglich, die Wellenlänge oder Lichtfarbe exakt auf den gewünschten Prozess abstimmen zu können. Nicht zuletzt ist eine hohe Wiederholrate der erzeugten THz-Pulse wichtig, um Experimente schnell durchzuführen und manche Experimente überhaupt erst möglich zu machen, die an Anlagen mit niedrigeren Wiederholraten z.B. aufgrund von Stabilitätseinschränkungen nicht machbar wären.

„Basierend auf einer Idee von Mikhail Yurkov und Evgeny Schneidmiller, zwei Experten auf dem Gebiet der Freie-Elektronen-Laser, wurden die Möglichkeiten dieser Technik bei DESY bereits vor mehr als zehn Jahren ins Auge gefasst“, sagt Frank Stephan, Leiter der PITZ-Gruppe und Mitautor der ersten Veröffentlichung, in dem ein solches Gerät für den European XFEL vorgeschlagen wurde. Die PITZ-Gruppe entwickelte darauf das Konzept eines Prototyps für eine beschleunigerbasierte abstimmbare THz-Quelle für Pump-Probe-Experimente am European XFEL. „Wichtige Merkmale waren dabei die hohen simulierten Pulsenergien bis in den Millijoule-Bereich und die Zeitstruktur der Pulse“, erklärt Stephan. „Nicht nur die hohe Wiederholrate von einem Megahertz, sondern die gesamte Zeitstruktur der THz-Pulse passt genau zu der der Röntgenpulse, die am European XFEL erzeugt werden. Das liegt daran, dass beide Beschleuniger, die die FELs antreiben, ihre Elektronenpakete auf die gleiche Weise erzeugen.“ Die Durchstimmbarkeit des THz-FEL wird allein durch die Änderung der Elektronenstrahlenergie erzielt, was bei PITZ problemlos möglich ist. Das waren gute Argumente für European XFEL, das Projekt mitzufinanzieren. Der Undulator für den Prototypen wurde vom Forschungszentrum SLAC (Kalifornien) vom Freie-Elektronen-Laser LCLS-I ausgeliehen. Undulatoren sind spezielle Magnetvorrichtungen, die die beschleunigten Elektronen auf einen Zick-Zack-Kurs zwingen und sie so zur Aussendung hochintensiver Strahlung veranlassen.

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Panoramafoto der THz-Strahlführung an PITZ. Foto: DESY, PITZ-Gruppe


Als nächstes will das PITZ-Team die THz-Laserstrahlung im Detail charakterisieren und den Laserprozess optimieren, um ihn zu einer möglichst wertvollen Ergänzung für den European XFEL zu machen.

„Das erste Licht an diesem Testinstrument in Zeuthen ist ein großer Erfolg des Projekts, das seit 2019 läuft“, sagt Thomas Tschentscher, wissenschaftlicher Direktor am European XFEL. „Jetzt haben wir die Möglichkeit, die Implementierung von THz-Pumpquellen am European XFEL weiter zu untersuchen, die eine wichtige Ergänzung zur Erweiterung unserer wissenschaftlichen Fähigkeiten werden können.“

 

Originalveröffentlichung

E.A. Schneidmiller, M.V. Yurkov, DESY, Hamburg, Germany, M. Krasilnikov, F. Stephan, DESY, Zeuthen, Germany, “TUNABLE IR/THZ SOURCE FOR PUMP PROBE EXPERIMENTS AT THE EUROPEAN XFEL”, Proceedings of FEL2012, Nara, Japan