DESY News: Die Händigkeit der Natur im Fokus Freier-Elektronen-Laser

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12.04.2022
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Die Händigkeit der Natur im Fokus Freier-Elektronen-Laser

Deutsch-schwedisches Forschungsprojekt erhält Röntgen-Ångstrom-Cluster Funding

Ein Forschungsteam rund um Markus Ilchen und Sadia Bari (beide DESY) und die schwedischen Forscher Vitali Zhaunerchyk (Universität Göteborg) und Mats Larsson (Universität Stockholm) hat rund 1,5 Millionen Euro Forschungsmittel vom Röntgen-Ångström Cluster (RÅC) eingeworben, einer schwedisch-deutschen Wissenschaftskooperation. Das Team wird die Mittel in den kommenden vier Jahren nutzen, um mit Freie-Elektronen-Lasern dem Geheimnis der Händigkeit der Natur und deren Dynamiken auf Zeitskalen von Elektronenbewegungen näher zu kommen. 

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Künstlerische Darstellung der Untersuchungsmethode: Mithilfe künstlicher Intelligenz sollen ultrakurze Pulsstrukturen händiger Röntgenpulse genau vermessen und so neue Experimentiermöglichkeiten an chiralen Molekülen mit FELs realisiert werden. Bild: DESY, Markus Ilchen
„Alles bekannte Leben ist aus chiralen Molekülen aufgebaut“, erklärt Markus Ilchen. Chirale Moleküle ähneln einander wie Spiegelbilder, allerdings kann man das Spiegelbild nicht durch Drehung in den gespiegelten Gegenstand überführen. Ein Beispiel dafür ist unsere linke und rechte Hand. Deshalb nennt man diese Eigenschaft auch „Händigkeit“ – und sie steckt überall in unserem Alltag. 

„Obwohl man Chiralität in vielerlei Hinsicht gut kontrollieren und nutzen kann, fehlen fundamentale Bausteine des Wissens“, sagt Ilchen. „Einige der schnellsten uns bekannten Prozesse in der Natur können dank Freie-Elektronen-Lasern (FELs) nun auch für Chiralität ganz neue Forschungsaspekte eröffnen. Die Struktur und die ambitionierten Pläne der Großforschungslandschaft in Hamburg, wie zum Beispiel das FLASH 2020+ Projekt, machen sie zu einem idealen Ort für unser Vorhaben."

Mit Hilfe von Röntgenlasern wie zum Beispiel dem European XFEL sollen sich einzelne Moleküle untersuchen lassen, ohne dass sie vorher kristallisiert werden müssen. Eine bildgebende Methode erlaubt aber keinen vergleichbaren Einblick in die Dynamiken, die in Molekülen für jede Struktur- und damit auch Funktionsveränderung verantwortlich sind. Hierfür muss man sich alle Teile eines Systems, also auch die Elektronen, genau und vor allem zeitaufgelöst anschauen. Dies ist der Kern des Projekts der Forscher:innen, dem sie sich in einer großen Kollaboration, unter anderem mit dem SFB 1319 in Kassel und unter Verwendung von künstlicher Intelligenz, nähern wollen.

Das Forschungsteam hat sich vorgenommen, durch neue Instrumente und Probenpräparationsmethoden den sogenannten Photoelektronenzirkulardichroismus (PECD) an FELs besser nutzbar zu machen, um genau diesen Schritt Richtung Dynamik in der Chiralitätsforschung gehen zu können. Dafür schießen die Forscher:innen einen Strahl aus zirkularpolarisierten Photonen – Lichtteilchen, die ebenfalls eine Händigkeit haben – in ein chirales Molekülsystem und beobachten das Verhalten der Elektronen, die aus der Interaktion der Photonen mit dem Molekül herausgelöst werden. Erste FEL-basierte Studien an chiralen Molekülen wurden an der LCLS und an FLASH von dem Team durchgeführt, die nun eine vielversprechende Grundlage bilden. Das Ganze spielt sich bis hinunter zum Attosekundenbereich ab, also noch weniger als einem Millionstel einer Milliardstel-Sekunde, was einer Femtosekunde entspricht. „Wir wollen beobachten, wie sich die Elektronen nach Anregung verhalten, welche Wege sie gehen und was das für den Aufbau und die Eigenschaften chiraler Bestandteile des Moleküls bedeutet“, erklärt Sadia Bari.

„Ich freue mich sehr, dass die vielversprechende, aber auch sehr herausfordernde Arbeit unserer Kolleg:innen mit dem RAC-Funding einen Boost erhält, und bin gespannt auf die Ergebnisse“, sagt Edgar Weckert, DESY-Direktor für den Bereich Forschung mit Photonen.