DESY News: Fortschritte in der Mikro-Computertomographie

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08.03.2022
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Fortschritte in der Mikro-Computertomographie

Verbesserte Bildgebung für Medizin und Materialwissenschaften

Forscherinnen und Forscher der biomedizinischen Physik und der Biologie haben die Mikro-Computertomographie mit brillanter Röntgenstrahlung deutlich verbessert. Dafür verwenden sie ein neu entwickeltes, mikrostrukturiertes, optisches Gitter in Kombination mit neuen Algorithmen zur Auswertung. Das Team um Julia Herzen von der Technischen Universität München (TUM) nutzte für die Entwicklung unter anderem das brillante Röntgenlicht von DESYs Forschungslichtquelle PETRA III an der Messstation P05 des Helmholtz-Zentrums Hereon. Das neue Verfahren, das im Fachblatt „Optica“ vorgestellt wird, ermöglicht, die Mikrostruktur von Proben detaillierter abzubilden und zu analysieren und ein breiteres Probenspektrum zu untersuchen.

Der neuentwickelte Talbot Array Illuminator der TU München in der Messstation P05 des Helmholtz-Zentrums Hereon an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III. Bild: TU München, René Lahn Linkhttps://www.tum.de/die-tum/aktuelles
Mikro-Computertomographie (Mikro-CT) ist ein Verfahren für die detaillierte dreidimensionale Bildgebung der inneren Struktur von Proben mit kleinen Dimensionen. In Biologie, Medizin oder Materialwissenschaften können damit Informationen über den Aufbau und die Beschaffenheit von Gewebe- oder Materialproben gewinnen, die für Diagnosen oder weitere Analysen wichtig sind.

Die Mikro-CT basiert auf Röntgenaufnahmen, die zu einem dreidimensionalen Bild zusammengesetzt werden. Je nach Art der Probe werden unterschiedliche Röntgenverfahren eingesetzt, um die Probe möglichst genau abzubilden. Entscheidende Parameter sind dabei die Auflösung, der Kontrast und die Sensitivität des verwendeten Verfahrens.

Für die Bildgebung von Weichgewebe ist Röntgen mit Phasenkontrast besonders gut geeignet. Die Methode nutzt die Brechung des Röntgenlichts an den Strukturen der Probe, um Kontrast für diese Strukturen zu erhalten und Weichgewebe dadurch detaillierter als beim konventionellen Röntgen abzubilden.

Bei einigen Phasenkontrastverfahren modulieren optische Komponenten das Röntgenlicht auf dem Weg zum Detektor. So entsteht ein sogenanntes Beugungsmuster am Detektor. „Vergleicht man dieses Muster mit und ohne Probe im Röntgenstrahl, kann man mithilfe der Brechung des Röntgenlichts an der Probe Informationen über ihre Beschaffenheit gewinnen“, sagt Studienleiterin Julia Herzen, Professorin für Physik der biomedizinischen Bildgebung an der TUM.

Das Team um Prof. Julia Herzen in der Messstation P05 des Helmholtz-Zentrums Hereon an DESYs Röntgenlichquelle PETRA III. Bild: TU München, René Lahn Linkhttps://www.tum.de/die-tum/aktuelles
Bisher wurden für die Modulation häufig ineffiziente Strukturen wie Sandpapier oder Lochmasken verwendet, inzwischen kommen auch verschiedene optische Gitter zum Einsatz. „Neue optische Gitter funktionieren ähnlich wie kleine Linsen. Sie fokussieren das Röntgenlicht zu winzigen Punkten. Dadurch sind Intensitätsunterschiede mit und ohne Probe deutlicher ausgeprägt und geringfügige Unterschiede im Gewebe können detaillierter abgebildet werden“, erklärt Herzen.

Das neue Verfahren basiert auf einem neuentwickelten optischen Gitter, Talbot Array Illuminator genannt. Dieses neue optische Element ist vergleichsweise einfach herzustellen, widerstandsfähig gegen Röntgenstrahlung und kann bei unterschiedlichen Energien eingesetzt werden. Dies schafft die technisch nötigen Voraussetzungen für hohen Kontrast. Die neue Methode erlaubt eine effizientere Nutzung der Strahlendosis als bei vergleichbaren Modulatoren wie Sandpapier und eine deutliche Reduktion der Aufnahmedauer.

„Durch die Kombination unseres neu entwickelten Talbot Array Illuminators mit neuer, darauf optimierter Auswertungssoftware konnten wir die Bildgebung und Analyse mit Mikro-CT deutlich verbessern“, berichtet Herzen. „Die neue Technik ist sensitiver als vergleichbare Verfahren in dem Bereich. Dadurch ist es möglich, Weichgewebe bei sehr hoher Auflösung mit viel höherem Kontrast darzustellen als bisher. Eine hohe Sensitivität ist besonders wichtig, um beispielsweise feine Unterschiede innerhalb des Weichgewebes zu erkennen.“

Mit der neuen Technik kann ein besonders breites Spektrum von Proben untersucht werden. Forschende können damit sogar Materialien mit sehr unterschiedlicher Zusammensetzung gleichzeitig darstellen, beispielsweise in Stein eingeschlossenes Wasser und Öl, was mit herkömmlichen Methoden bisher nicht möglich war. Dies bietet nicht nur in der Medizin und Biologie entscheidende Vorteile gegenüber konventionellen Methoden, sondern öffnet auch in den Materialwissenschaften wie zum Beispiel in der Geologie neue Anwendungsmöglichkeiten.

„Im Gegensatz zu bisherigen Methoden ermöglicht unser neues Verfahren auch eine quantitative Auswertung. Wir können die Elektronendichte von Proben absolut messen und diese so miteinander vergleichen. Dafür sind keine Vorannahmen über die Proben nötig“, erläutert Herzen. Das Potenzial dieser neuen Option bei verschiedenen Anwendungen wird in weiteren Studien untersucht.

An der Arbeit waren Forscherinnen und Forscher der TU München, des Helmholtz-Zentrums Hereon, der Universität Sheffield in Großbritannien und der Universität Triest in Italien beteiligt.

 

Originalveröffentlichung:
High-resolution and sensitivity bi-directional x-ray phase contrast imaging using 2D Talbot array illuminators; Alex Gustschin, Mirko Riedel, Kirsten Taphorn, Christian Petrich, Wolfgang Gottwald, Wolfgang Noichl, Madleen Busse, Sheila E. Francis, Felix Beckmann, Jörg U. Hammel, Julian Moosmann, Pierre Thibault, and Julia Herzen; „Optica“, 2021; DOI: 10.1364/OPTICA.441004

 

Quelle: Pressemitteilung der TU München