DESY News: Atmosphäre hat starken Einfluss auf die Stabilität neuartiger Solarzellen

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19.10.2021
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Atmosphäre hat starken Einfluss auf die Stabilität neuartiger Solarzellen

Forschende verfolgen den Abbau von Perowskit-Solarzellen unter verschiedenen inerten Umgebungen

Ein internationales Wissenschaftsteam unter Leitung der Technischen Universität München (TUM) hat an DESYs hochbrillanter Röntgenquelle PETRA III erstmals beobachtet, wie sich unterschiedliche Atmosphären auf den Betrieb neuartiger Hochleistungssolarzellen auswirken. Sie entdeckten dabei, dass eine Stickstoffatmosphäre diese Degradation aufhält, ein Vakuum hingegen zum schnellen Abbau der strukturellen Zusammensetzung und damit auch der Effizienz der Zellen führt. Die Mechanismen, die zu diesem Verhalten führen, schildert das Team im Fachjournal „Nature Energy“.

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Christian Weindl, Peter Müller-Buschbaum, Renjun Guo und Suzhe Liang (v.l.) bereiten an der TU München den Versuchsaufbau für Operando-Messungen mit Synchrotronstrahlung vor. Foto: Lehrstuhl f. Funktionelle Materialien, TUM, Kun Sun.
Solarzellen aus Perowskit sind eine vielversprechende Alternative zu den herkömmlichen Varianten aus Silizium. Perowskite sind sehr häufig vorkommende Mineralien, die große Teile des Erdmantels ausmachen. Solarzellen aus diesem Material können blaues und grünes Licht besser verwerten als Siliziumzellen und können kostengünstig in dünneren Schichten hergestellt werden. In den letzten zehn Jahren konnten Forschende den Wirkungsgrad von Perowskit-Solarzellen von 3,8 % auf 25,5 % erhöhen und sie somit wettbewerbsfähig mit einkristallinen Silizium-Solarzellen machen. Das Haupthindernis für eine Industrialisierung ist allerdings die geringe Langzeitstabilität der Zellen. Innerhalb von wenigen Stunden kann die Stromausbeute drastisch sinken, da sich die Nanostruktur der Kristalle ändert und diese sich entmischen. Die Forschungsgruppe hat jetzt in ihren Messungen an der PETRA III-Messstation P03 gezeigt, dass verschiedene inerte Atmosphären Degradationspfade für Perowskit-Solarzellen beschleunigen oder unterdrücken können.

„Eine lange Nutzungsdauer ist die größte Herausforderung für eine Anwendung von Perowskit-Solarzellen im Alltag“, sagt Peter Müller-Buschbaum, Professor am Lehrstuhl für Funktionelle Materialien an der TUM. „Das Verständnis der Degradationsmechanismen von dieser Solarzellen bietet uns die Möglichkeit, dieses Problem anzugehen.“

In Laborexperimenten ist es üblich, Untersuchungen solcher Solarzellen unter inerten Atmosphären durchzuführen: Stickstoff oder Vakuum vermeiden weitgehend den Kontakt der Solarzelle mit Wasser oder Sauerstoff, die beide schädlich für die Solarzellen sind.

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Eine Illustration der Arbeit ziert auch das Cover der aktuellen Ausgabe von Nature Energy. Bild: Nature
„Die Vereinfachung, dass es bei diesen Experimenten nur auf eine inerte Atmosphäre ankommt, ist falsch“, erklärt Erstautor Renjun Guo (TUM). „Unsere Solarzellen verhielten sich total unterschiedlich in Vakuum oder Stickstoff – ihre Stabilität ist deutlich erhöht unter inerter Stickstoffatmosphäre. Auch wenn Stickstoff wie Vakuum als inert gelten, haben die atmosphärischen Bedingungen einen starken Einfluss auf experimentelle Ergebnisse.“

Für die Untersuchung der Struktureigenschaften der Perowskit-Solarzellen haben die Forschenden an der PETRA-Messstation P03 spezielle Synchrotron-Röntgenstreuverfahren verwendet. So konnten sie strukturelle Veränderungen der lichtabsorbierenden Perowskitschicht in den Solarzellen sichtbar machen.

„Mit Synchrotronstrahlung kann man die strukturelle und morphologische Entwicklung von Perowskit-Solarzellen während des Betriebs unter verschiedenen äußeren Bedingungen verfolgen“, sagt Stephan V. Roth (DESY und KTH Stockholm), Mitautor und Leiter der Beamline P03. „Wir konnten so die Strukturveränderungen im Perowskit direkt beobachten und so die „Black Box“ der Degradationsmechanismen öffnen.“

Veränderungen der Kristall- und Oberflächenstruktur des Perowskits gehen Hand in Hand mit Leistungsverlust der Solarzellen. Stickstoffumgebung stabilisiert das Kristallgitter; Struktur und Morphologie bleiben unverändert. Im Gegensatz dazu erfuhren die Solarzellen im Vakuum strukturelle Veränderungen im Gitter, was eine Phasenentmischung innerhalb der Perowskitschicht und Leistungsverlust der Solarzelle zur Folge hatte.

„Wir empfehlen, dass Forschende, die Vakuum oder Stickstoff verwenden, um die Auswirkungen von Wasser und Luftsauerstoff zu vermeiden, mitberücksichtigen, wie sich ein Vakuum- oder Stickstoffzustand auf ihre experimentellen Ergebnisse auswirkt, die sie mit verschiedenen Charakterisierungsmethoden wie Streuung, Spektroskopie und Mikroskopie erhalten,“ berichtet Müller-Buschbaum. „Unsere Entdeckungen könnten Testprotokolle für Experimente zur Langzeitstabilität von Perowskit-Solarzellen verbessern und das Bewusstsein für solche Effekte in Degradationsstudien auch an anderen neuartigen Solarzellen wie organischen Solarzellen und Quantenpunkt-Solarzellen schärfen.“

 

Original-Veröffentlichung
Renjun Guo, Dan Han, Wei Chen, Linjie Dai, Kangyu Ji, Qiu Xiong, Saisai Li, Lennart K. Reb, Manuel A. Scheel, Shambhavi Pratap, Nian Li, Shanshan Yin, Tianxiao Xiao, Suzhe Liang, Anna Lena Oechsle, Christian L. Weindl, Matthias Schwartzkopf, Hubert Ebert, Peng Gao, Kai Wang, Mingjian Yuan, Neil C. Greenham, Samuel D. Stranks, Stephan V. Roth, Richard H. Friend, Peter Müller-Buschbaum: Degradation mechanisms of perovskite solar cells under vacuum and one atmosphere of nitrogen; Nature Energy, Oct. 13, 2021 – DOI: 10.1038/s41560-021-00912-8