DESY News: Unterirdische Ozeane lösen den Gesteinsboden von Wasserplaneten

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18.05.2021
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Unterirdische Ozeane lösen den Gesteinsboden von Wasserplaneten

Hochdruck-Experimente simulieren Bedingungen der extraterrestrischen Tiefsee

Die unterirdischen Ozeane großer Wasserplaneten lösen Minerale der Gesteinskruste auf. Bei hohen Drücken und Temperaturen, wie sie für solche Planeten typisch sind, spült das Wasser Magnesium aus den Mineralen, wie Hochdruckexperimente eines Teams um Taehyun Kim von der Yonsei-Universität in Südkorea unter anderem an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III zeigen. Die Forscherinnen und Forscher berichten im Fachblatt „Nature Astronomy“ über ihre Untersuchungen, die auch Bedeutung für unser Bild von der Entwicklungsgeschichte der Planeten Uranus und Neptun in unserem Sonnensystem haben.

Der Eisriese Uranus ist mit im Mittel drei Milliarden Kilometern rund 20 Mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde. Bild: Lawrence Sromovsky, University of Wisconsin-Madison/W.W. Keck Observatory Linkhttps://photojournal.jpl.nasa.gov/catalog/PIA17306
„Die Wechselwirkung von Wasser und Gestein auf der Erdoberfläche werden seit Jahrzehnten erforscht“, betont der federführende Autor Yongjae Lee von der Yonsei-Universität. „Unbekannt ist dagegen, wie das heiße, dichte Wasser der unterirdischen Ozeane mancher Eisplaneten mit der darunterliegenden Gesteinskruste reagiert.“ Das Team um Kim hat dazu eine Reihe von Hochdruck- und Hochtemperatur-Experimenten an DESYs Röntgenquelle PETRA III sowie an der Advanced Photon Source (APS) in den USA durchgeführt.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schufen dafür Bedingungen, wie sie am Boden tiefer Ozeane in der Klasse der Sub-Neptun-Wasserplaneten herrschen. Bei Drücken zwischen 20 und 40 Gigapascal, das entspricht dem 200.000- bis 400.000fachen Atmosphärendruck, und Temperaturen oberhalb von 1230 Grad Celsius wäscht das Wasser demnach erhebliche Mengen Magnesiumoxid (MgO) aus den typischen Gesteinsmineralen Ferroperiklase (Mg,Fe)O und Olivin (Mg,Fe)2SiO4 aus. Diese Entdeckung hat auch direkte Konsequenzen für die Vorstellung von der Evolution großer Eisplaneten wie Uranus und Neptun in unserem Sonnensystem.

„Für die Versuche wurden winzige Ferroperiklase- oder Olivin-Kügelchen mit Wasser in kleine Probenkammern von weniger als einem Millimeter Größe eingeschlossen und zwischen zwei hochfesten Stempeln einer sogenannten Diamantstempelzelle zusammengepresst“, berichtet Kim. „Geheizt wurden diese Proben mit einem Infrarotlaser durch die Diamantstempel hindurch.“ Mit Hilfe der Röntgenstrahlung ließ sich beobachten, wann ein Mineral durch die Wechselwirkung mit dem Wasser zu zerfallen begann. Das Kristallgitter jedes Minerals erzeugt ein charakteristisches Streubild im Röntgenlicht. Ein plötzlicher Rückgang dieses charakteristischen Musters kündigt den Zerfall eines Minerals an. Gleichzeitig lässt sich so die Entstehung neuer Verbindungen beobachten, in diesem Fall etwa von Brucit (Magnesiumhydroxid).

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Schnitt durch einen typischen Eisplaneten. Bild: GFZ, Sergio Speziale
Diese Beobachtung zeigt den Beginn chemischer Reaktionen, mit denen sich die Magnesiumoxid-Komponente aus den beiden untersuchten Mineralen löst. Diese Auflösung ist am stärksten im Druckbereich von 20 bis 40 Gigapascal und bei Temperaturen zwischen 1000 und 1750 Grad Celsius. Die Details des Reaktionsprozesses und der folgenden Abscheidung von Magnesiumoxid ließen sich durch genaue Messungen mit einem Elektronenrastermikroskop sowie per Röntgenspektroskopie der benutzten Proben bestätigen. Wie sich zeigt, erreicht die Löslichkeit von Magnesiumoxid bei diesen extremen Drücken und Temperaturen in etwa jene von Salz in irdischen Ozeanen. Die Tiefenwasser auf Uranus und Neptun dürften daher magnesiumreich sein.

Die Beobachtungen sind nicht nur für die Erforschung von Planeten unseres Sonnensystems von Bedeutung, sondern auch für sogenannte Exoplaneten jenseits unseres Systems. „Die intensive Auswaschung von Magnesiumoxid an der Grenzfläche zwischen dem Wasser und dem darunterliegenden Gesteinsmantel könnte in wasserreichen Exoplaneten entsprechender Größe und chemischer Zusammensetzung wie etwa TRAPPIST-1f eine chemische Schichtung mit verschwommenen Grenzen erzeugen“, erläutert Lee. „Im Fall großer Eisplaneten wie Uranus könnten die Spuren anfänglicher, relativ geringer Wechselwirkungen zwischen Wasser und Gestein während der frühen, heißen Phase der Planetenentstehung ebenfalls metastabil über Milliarden von Jahren im obersten, wasserreichen Mantel erhalten bleiben und seine ungewöhnlich geringe Oberflächenleuchtkraft erklären.“

An der Studie waren Forscherinnen und Forscher der Yonsei-Universität, der Universität Chicago, der Universität von Illinois, dem Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ), der Arizona State University und von DESY beteiligt. Die Arbeit ist Teil des „Early Science“-Programms am Zentrum für Molekulare Wasserforschung CMWS, das zurzeit bei DESY aufgebaut wird, und verbunden mit einem Langzeitprojekt von Yongjae Lee an der Messstation für Extrembedingungen P02.2 an PETRA III.

 

Originalveröffentlichung:
Atomic-scale mixing between MgO and H2O in the deep interiors of water-rich planets; Taehyun Kim, Stella Chariton, Vitali Prakapenka, Anna Pakhomova, Hanns-Peter Liermann, Zhenxian Liu, Sergio Speziale, Sang-Heon Shim, and Yongjae Lee; „Nature Astronomy“, 2021; DOI: 10.1038/s41550-021-01368-2