DESY News: Nanoantennen ebnen den Weg zu kompakten Petahertz-Oszilloskopen

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15.04.2021
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Nanoantennen ebnen den Weg zu kompakten Petahertz-Oszilloskopen

Elektrische Felder können mit extremer Sensitivität und Bandbreite abgetastet werden

Ein Forschungsteam des Massachusetts Institute of Technology (MIT, Boston, USA), DESY, der Universität Hamburg und der University of California at Davis (USA), ist es gelungen, Elektronenimpulse mit einer Dauer von nur wenigen hundert Attosekunden an metallischen Nanoantennen zu erzeugen und damit extrem schwache elektrische Felder abzutasten. Eine Attosekunde (as) entspricht dem milliardsten Teil einer milliardstel Sekunde. Vergleichbare Messungen waren bisher nur mit aufwändigen Aufbauten möglich, die mit komplexen Lasersystemen Attosekunden-UV-Pulse erzeugen. Die jetzt demonstrierte Methode ist sogar in der Lage, Felder mit millionenfach besserer Sensitivität als bisher möglich abzutasten, und dies ohne die Verwendung von komplexen Laser- oder Vakuumaufbauten, sondern mit einem simplen Faserlaser-Aufbau und einem kleinen integrierten Chip. „Mit unserer neuen Technik könnten wir sogar Oszilloskope bauen, die die Schwingungen von Licht sichtbar machen“, erklärt DESY-Forscher Felix Ritzkowsky, einer der Hauptautoren der Studie, die das internationale Team jetzt im Fachjournal Nature Photonics veröffentlichte.

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Raster-Elektronen-Mikroskop-Aufnahme der aus Gold hergestellten Nanoantennen. Die Dreiecke sind die eigentlichen Nanoantennen und erzeugen ähnlich wie bei einem Blitzableiter ein starkes elektrisches Feld an ihrer Spitze, welches die Elektronenpulse erzeugt. Der Elektronenpuls wird von den länglichen Leitungen aufgenommen, und die emittierte Gesamtladung wird elektronisch ausgelesen (Bild: M. Turchetti, MIT).
Das Oszilloskop ist seit dem vergangenen Jahrhundert eines der wichtigsten wissenschaftlichen Instrumente überhaupt und findet sich in nahezu jedem Labor auf der ganzen Welt. Es erlaubt das Sichtbarmachen von elektrischen Signalen mit unterschiedlichsten Signalstärken und Frequenzen. Vom Elektrokardiogramm (EKG) in der Medizin mit Frequenzaufzeichnungen im Hertz-Bereich (ein Hertz (Hz) ist eine Schwingung pro Sekunde) über Radiofrequenzen im Megahertz-Bereich (106 Hz), bis hin zu Gigahertz-Frequenzen (109 Hz) in modernen Computern. Das Sichtbarmachen der Signale auf diesen kurzen Zeitskalen erlaubt es, einen tiefen Einblick in die physikalischen Systeme und ihre Eigenschaften zu bekommen.

Unabhängig von der beobachteten Frequenz zeichnet das Oszilloskop die elektrischen Felder durch diskretes Abtasten auf. Es misst die Form der Welle also, indem in viel kürzeren Abständen als einer Wellenfrequenz die jeweilige Höhe der Welle bestimmt wird. In herkömmlicher Elektronik wird dies durch schnelles Schalten und Auslesen der momentanen Feldstärke des Signals realisiert, ähnlich wie bei stroboskopischen Fotoserien.

In der modernen Optik, die sich mit Licht, also mit elektromagnetischen Wellen im Petahertz-Bereich (1015 Hz) beschäftigt, können herkömmliche Oszilloskope nicht direkt verwendet werden, daher wird eine Vielzahl direkter und indirekter optischer Methoden verwendet, um die Lichtwellen aufzuzeichnen.

In ihren aktuellen Untersuchungen konnten die Forscherinnen und Forscher jetzt aber nachweisen, dass die Abtasttechnik konventioneller Oszilloskope auch für attosekundenschnelles Schalten von Elektronenimpulsen in Nanoantennen adaptiert werden kann.

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Die im Experiment verwendeten Nanoantennen befinden sich auf einem Glas-Chip und sind voll in einen klassischen elektronischen Schaltkreis integriert (Foto: N. Abedzadeh, MIT).
Die Verwendung dieser metallischen Nanoantennen, die eine Größe von wenigen 100 Nanometern haben, ermöglicht es, effizient Lichtwellen einzufangen und die Antennen mit der Frequenz des Lichtes zum Schwingen zu bringen. Das Team war in der Lage, Lichtblitze aufzufangen, die so kurz sind, dass sie nur aus zwei Schwingungen einer Lichtwelle bestehen. Die von ihnen erzeugte Schwingung war stark genug, um einen wenige hundert Attosekunden kurzen Stromimpuls zu erzeugen, der durch quantenmechanische Tunnelemission von Elektronen entsteht. Durch das Verwenden vieler Nanoantennen gleichzeitig kann der Strom aufaddiert und – ähnlich wie in einer Solarzelle oder Photodiode – die dabei freigesetzte Ladung mit herkömmlicher Elektronik gemessen werden. Zur Abtastung von Feldern kann nun gezielt mit dem Femtosekunden-Laserpuls der Attosekunden-Stromimpuls erzeugt werden. Interagiert der Attosekunden-Stromimpuls mit einem zweiten elektrischen Feld bzw. einer Lichtwelle, die man vermessen möchte, sorgt die momentane Spannung dieses Feldes für eine kleine Änderung in der Höhe des Stromimpulses. Diese Änderung kann elektronisch ausgelesen werden. Wird dies nun in kurzen Zeitabständen wiederholt, kann das komplette elektrische Signal rekonstruiert werden. Durch die extreme Kürze des Abtastpulses können mit dieser Technik potenziell Signale mit Frequenzen bis in den Petahertzbereich vermessen werden.

Die Technik ist ein wichtiger Fortschritt in der Anwendung von ultrakurzer Licht-Materie-Wechselwirkung und wird es ermöglichen, neue Phänomene mit höherer Sensitivität und mit Attosekunden-Auflösung in der Zeit zu studieren. „Das neue Petahertz-Oszilloskop hat das Potenzial, die Messtechnik im optischen Bereich, insbesondere die Spektroskopie grundlegend zu verändern“, sagt Franz Kärtner, Leitender Wissenschaftler bei DESY in Hamburg, der diese Forschungsrichtung auch am MIT noch entscheidend mitprägte. „Die Methode ermöglicht spektroskopische Bestimmung von Amplitude und Phase der Transmission vom Mikrowellenbereich bis in den UV-Bereich mit einem einzigen Instrument, das in Zukunft auf Chip-Größe geschrumpft werden kann.“ Phillip Keathley, Leitender Forscher des Projekts am MIT, stellt sich eine breite Palette möglicher Anwendungen vor: „Zum Beispiel wird diese Methode Forschern dabei helfen, die Absorptionsmechanismen von Licht in Pflanzen oder in der Photovoltaik besser zu verstehen, oder auch besser molekulare Fingerabdrücke in komplexen biologischen System zu identifizieren.“

Die Experimente der Studie mit den Hauptautoren Mina Bionta, Felix Ritzkowsky und Marco Turchetti wurden am Research Laboratory of Electronics (RLE) am MIT durchgeführt und unter anderem durch das MIT-PIER Hamburg Seed Programm gefördert. Dieses durch die Hamburger Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke geförderte Programm unterstützt den Austausch zwischen DESY, der Universität Hamburg und den in Boston angesiedelten Universitäten wie MIT, Harvard und Boston University und ermöglichte DESY-Forscher Felix Ritzkowsky einen Forschungsaufenthalt am MIT.

 

Originalveröffentlichung

M. Bionta, F. Ritzkowsky, M. Turchetti, et al. On-chip sampling of optical fields with attosecond resolution. Nature Photonics (2021) DOI: 10.1038/s41566-021-00792-0