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DESY News: Quantenbeat mit Zeptosekunden-Takt
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Quantenbeat mit Zeptosekunden-Takt
Quantensysteme werden die Technologien der Zukunft bestimmen. Für ihre Anwendbarkeit müssen diese Systeme allerdings sehr genau kontrolliert und manipuliert werden können. Ein Hamburger Forscherteam hat jetzt an der PETRA III-Messstation P01 ein Quantensystem mit bisher unerreichbarer zeitlicher Präzision kontrolliert und vermessen. Sie konnten die Schwingung innerhalb eines Atomkerns und dessen ausgesandte Gammastrahlung mit einer Präzision von 1,3 Zeptosekunden kontrollieren und detektieren. Eine Zeptosekunde sind 0,000 000 000 000 000 000 001 Sekunden; der tausendste Teil eines Milliardstels einer Milliardstel Sekunde. Das Team hat dabei eine neue Methode entwickelt, die sich die fundamentalen Anregungen innerhalb eines Festkörpers zu Nutze macht. Solch präzise Einstellmöglichkeiten sind z.B. wichtig in der Quantensensorik, um extrem genaue Zeitstandards festzulegen oder um kleinste Änderungen messen zu können. Die neu entwickelte Kontrollmethode könnte zudem mögliche Anwendungen für Quantencomputer oder Quantenkommunikation bieten, um die Systeme gezielt zu beeinflussen.
Blick in Röntgenstrahlrichtung auf das Experiment an der PETRA III-Messstation P01: Die Probe auf dem runden Tisch in der Bildmitte ist an Mikrowellenmessspitzen angeschlossen. Die von der Probe ausgesandte Röntgenstrahlung wird am Ende mit einem Detektor analysiert. Elektromagnete mit Eisenjoch um den Probentisch erzeugen ein Magnetfeld am Probenort, um die Magnetisierung in der Probe auszurichten (Foto: L. Bocklage/DESY).
Um solch kleine Änderungen überhaupt messen zu können, wendeten die Wissenschaftler einen Trick an: Sie vermaßen nicht eine, sondern zwei verschiedene Resonanzen des Atomkerns, die Gammastrahlung von leicht unterschiedlicher Frequenz ausstrahlen. Werden beide Resonanzen des Atomkerns angeregt, entsteht eine Schwebung, ein sich ändernder Verlauf in der Intensität der ausgestrahlten Gammastrahlung. Eine Schwebung entsteht, wenn sich zwei Schwingungen überlagern, die sich in ihrer Frequenz nur wenig voneinander unterscheiden. Dies führt zu einer periodischen Zu- und Abnahme der Amplitude, also Schwingungsstärke. Überlagern sich beispielsweise zwei Töne von fast gleicher Frequenz, hört man einen an- und abschwellenden Ton. Je dichter die Frequenzen der Einzeltöne beieinander liegen, um so langsamer ändert sich die Lautstärke. Man kann so aus der Lautstärkenveränderung ableiten, wie nahe die Frequenzen der Töne sich sind. Die Schwebung in diesem Experiment ist rein quantenmechanischer Art und wird als „Quantenbeat“ bezeichnet. Dieser Quantenbeat ist extrem sensitiv auf winzigste Zeitänderungen im Atomkern. Er tritt allerdings nicht auf der Zeitskala von Zeptosekunden auf, sondern verändert sich über Nanosekunden und ist damit mittels schneller Photodetektoren messbar.

Die Experimente sind ein erster Schritt, diese neuartige Methode der Kontrolle eines eingebetteten Quantensystems mittels Anregungen des Festkörpers zu nutzen. Dabei gibt es, neben der Erregung von Magnonen, eine Reihe weiterer Festkörperanregungen, die die Gruppe nun testen will, wie Schwingungen des Kristallgitters oder der Elektronen. Die Methode kann auch auf Quantensysteme, die bereits für Quantencomputer diskutiert werden, angewendet werden, z.B. Stickstoff-Fehlstellen in Diamant oder ionendotierte Festkörper.
Originalveröffentlichung
Coherent control of collective nuclear quantum states via transient magnons; Lars Bocklage, Jakob Gollwitzer, Cornelius Strohm, Christian F. Adolff, Kai Schlage, Ilya Sergeev, Olaf Leupold, Hans-Christian Wille, Guido Meier and Ralf Röhlsberger, Science Advances 29 Jan 2021: Vol. 7, no. 5, eabc3991; DOI: 10.1126/sciadv.abc3991