DESY News: Hochdruckexperimente bestätigen 50 Jahre alte theoretische Vorhersage

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26.06.2019
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Hochdruckexperimente bestätigen 50 Jahre alte theoretische Vorhersage

Röntgenstudie zeigt erstmals Beryllium-Konfiguration mit fünf und sechs Nachbaratomen

Hochdruckexperimente an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III haben eine seltene Konfiguration des Metalls Beryllium enthüllt: Bei fast dem millionenfachen irdischen Atmosphärendruck umgibt sich Beryllium in einem Phosphat-Kristall demnach mit sechs Nachbaratomen statt der üblichen vier. Diese sogenannte sechsfache Koordination war bereits vor mehr als 50 Jahren vorhergesagt worden, ließ sich bis jetzt aber bei anorganischen Verbindungen nicht nachweisen. DESY-Forscherin Anna Pakhomova und ihre Kolleginnen und Kollegen stellen ihre Arbeit im Fachblatt „Nature Communications“ vor.

Hurlbutit-Kristalle (Mitte) in der Diamantstempelzelle. Die Kristalle sind jeweils rund 0,01 Millimeter groß. Bild: DESY, Anna Pakhomova
„Ursprünglich waren Chemie-Lehrbücher davon ausgegangen, dass Elemente wie Beryllium aus der zweiten Periode des Periodensystems wegen ihrer Elektronenkonfiguration nie mehr als vier Nachbarn haben können“, erläutert Pakhomova. „Vor rund 50 Jahren entdeckten Theoretiker dann, dass höhere Koordinationen tatsächlich möglich sein könnten, aber diese haben sich hartnäckig der experimentellen Bestätigung in anorganischen Verbindungen entzogen.“ Anorganische Verbindungen sind – von einigen Ausnahmen wie beispielsweise Kohlendioxid abgesehen – solche, die keinen Kohlenstoff enthalten.

Die Forscherinnen und Forscher hatten ein seltenes Mineral namens Hurlbutit untersucht, das aus Kalzium, Beryllium, Phosphor und Sauerstoff besteht (CaBe2P2O8). Dieser Phosphat-Kristall kommt natürlicherweise auf der Erdoberfläche vor. Für die Untersuchung hatte die Universität Hamburg kleine Hurlbutit-Kristalle aus Westfinnland zur Verfügung gestellt. Mit einer sogenannten Diamantstempelzelle, in der eine Probe zwischen zwei kleine, abgeschliffene Diamanten eingespannt wird, setzten die Wissenschaftler die Minikristalle unter Hochdruck.

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Übergang von der üblichen vierfachen Koordination des Berylliums in die fünffache und sechsfache Koordination bei steigendem Druck. Bild: DESY, Anna Pakhomova
Unter Umgebungsbedingungen besitzt jedes Berylliumatom im Kristall vier Sauerstoffatome als direkte Nachbarn. Die Wissenschaftler erhöhten den Druck schrittweise und beobachteten dabei die innere Struktur der Kristallproben. Dazu durchleuchteten sie die Proben mit dem hellen Röntgenlicht von PETRA III an der Messstation P02.2, die auf die Untersuchung von Extrembedingungen spezialisiert ist (Extreme Conditions Beamline ECB). „Bei etwa dem 700.000fachen Atmosphärendruck änderte sich die Struktur, was dem Beryllium einen fünften Nachbarn bescherte“, berichtet Pakhomova.

Bei 880.000fachem Atmosphärendruck änderte sich die innere Struktur erneut, diesmal in einen Zustand, in dem das Beryllium sechs Nachbaratome besitzt. „Soweit wir wissen, sind diese Phasen die ersten Beispiele für experimentell beobachtete anorganische Verbindungen mit Beryllium in einer Koordination von mehr als vier Nachbarn“, unterstreicht Pakhomova. Damit liefert die Studie den experimentellen Nachweis der theoretischen Vorhersage. Da die sogenannten Normalbedingungen auf der Erde im Universum eher die Ausnahme sind, erweitern derartige Experimente auch das allgemeine Verständnis der Chemie.

An der Arbeit waren die Universität Bayreuth, das Institut für Geowissenschaften in St. Petersburg, das Materialmodellierungs- und -entwicklungslabor in Moskau, die Universität Linköping und DESY beteiligt.

 

Originalveröffentlichung:
Penta- and hexa-coordinated beryllium and phosphorus in high-pressure modifications of CaBe2P2O8; Anna Pakhomova, Georgios Aprilis, Maxim Bykov, Liudmila Gorelova, Sergey Krivovichev, Maxim P. Belov, Igor A. Abrikosov and Leonid Dubrovinsky; „Nature Communications“, 2019; DOI: 10.1038/s41467-019-10589-z