DESY News: Röntgenblick ins Planeteninnere

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02.02.2017
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Röntgenblick ins Planeteninnere

DFG fördert interdisziplinäres Forschungsprojekt mit zwei Millionen Euro

Mit Hilfe von Teleskopen auf der Erde und im Weltall sind seit 1996 bereits mehrere Tausend Planeten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt worden. Die Beobachtungsdaten wie Masse, Radius und Abstand zum Zentralstern geben jedoch nur wenige Details über den Aufbau und die Entstehung dieser Exoplaneten preis. Die Forschergruppe „Materie im Inneren von Planeten“ unter Leitung der Universität Rostock, an der auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von DESY beteiligt sind, will deshalb im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts mehr über diese Planeten herausfinden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit umfasst Theorie, Modellierung und Experimente. Dazu zählt auch die experimentelle Untersuchung von extremen Zuständen der Materie, wie sie im Inneren von Planeten vorkommen. Die DFG fördert das Projekt zunächst für drei Jahre mit rund zwei Millionen Euro.

Künstlerische Darstellung des etwa erdgroßen Exoplaneten Kepler-10b. Bild: NASA Linkhttp://www.nasa.gov/topics/universe/features/rocky_planet.html
„Eine Stärke unseres Antrags ist es, dass er Theorie, Modellierung und Experimente kombiniert, um den Aufbau und die Entwicklung von Planeten innerhalb und außerhalb unseres Sonnensystems zu erforschen“, erklärt Prof. Ronald Redmer von der Universität Rostock und Sprecher der Forschergruppe. Außerdem sollen die Erkenntnisse bei der Auswertung von Beobachtungsdaten aus Satellitenmissionen verwendet werden.

Mit dem NASA-Weltraumteleskop „Kepler“ wurden besonders viele Planeten im Bereich zwischen einer und zwanzig Erdmassen auf kurzen Umlaufbahnen um sonnenähnliche Sterne entdeckt. Man unterscheidet sogenannte Supererden mit bis zu zehn Erdmassen und Dichten ähnlich der Erde sowie neptunähnliche Planeten, die eine ähnliche Dichte wie der namensgebende Planet Neptun in unserem Sonnensystem haben. Neptun hat einen festen Kern, den ein Mantel aus flüssigem Wasser, Ammoniak und Methan sowie eine Atmosphäre aus Wasserstoff, Helium und Methan umgeben. Im Inneren all dieser Planetentypen herrschen Drücke, die um ein mehrfaches höher sein können als im Erdinnern, und Temperaturen von mehreren Tausend Grad Celsius. Die Forscher wollen nun herausfinden, wie sich die Hauptbestandteile der Planeten – beispielsweise die für Supererden typischen Silikate und Magnesiumoxid sowie sogenannte planetare Eise wie Wasser, Methan und Ammoniak in neptunähnlichen Planeten – unter diesen Bedingungen verhalten.

An der sogenannten Extreme Conditions Beamline (ECB) an DESYs hochintensiver Röntgenquelle PETRA III lassen sich Materialproben bei hohen Drücken und Temperaturen durchleuchten. „Die Extreme Conditions Beamline ist ideal geeignet, um die Struktur von Magnesiumoxid und Silikaten sowie von planetaren Eisen mittels Röntgenbeugung unter den Druck- und Temperaturbedingungen des Planeteninneren zu untersuchen“, erläutert DESY-Forscher Hanns-Peter Liermann, Beamline-Manager der ECB und Ko-Projektleiter bei zwei Anträgen der Forschergruppe. „Um einen Druck von vier bis zehn Millionen Atmosphären und Temperaturen von mehr als 4500 Grad zu erzeugen, werden wir neue Arten sogenannter Diamantstempelzellen verwenden, in denen Proben mittels Widerstandsheizung und Laserstrahlung geheizt werden.“

Diamantstempelzellen (DAC) pressen die Probe zwischen zwei kleinen Diamanten mit extrem hohen Druck zusammen. Für die Untersuchung von Oxiden und Silikaten verwenden die Forscher die sogenannte Double Stage DAC (dsDAC), entwickelt von Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut an der Universität Bayreuth (Leiter dieses Teilprojekts), die mit rund zehn Millionen Atmosphären die weltweit bislang höchsten statischen Drücke in Metallen erzeugen kann. „Um die Struktur von Oxiden und Silikaten unter diesen hohen Drücken aufzuklären, braucht man einen sehr feinen Röntgenstrahl, da die komprimierte Probe zwischen den beiden Diamanten sehr klein ist“, erläutert Liermann. Solch einen Strahl bieten sowohl die ECB, als auch die nanofokussierende Beamline P06 an PETRA III.

Planetare Eise werden dagegen in einer dynamischen Diamantstempelzelle (dDAC) auf ihre Struktur untersucht, die einen Druck von bis zu vier Millionen Atmosphären erzeugen kann. „Wir werden unsere Experimente auf extrem kurzen Zeitskalen durchführen und dadurch zu bislang unerreichten Drücken und Temperaturen gelangen“, erklärt Hauke Marquardt vom Bayerischen Geoinstitut, Leiter dieses Teilprojekts. Um die Experimente schnell durchführen zu können, werden Marquardt und Liermann den starken und fokussierten Röntgenstrahl der ECB verwenden.

Während der zweiten Hälfte des Projekts wollen die beteiligten Wissenschaftler die Strukturuntersuchungen auch am High-Energy-Density-Instrument (HED) des Europäischen Röntgenlasers European XFEL durchführen, der derzeit in Betrieb genommen wird. Er soll es mit seinen ultrakurzen Blitzen ermöglichen, noch schneller – und somit vor der Zerstörung der Diamanten in der Stempelzelle – die Struktur der planetaren Materialien über die Technik der Röntgenbeugung aufzuklären.

Neben den Universitäten in Rostock und Bayreuth, dem European XFEL und DESY ist auch das Berliner Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) an der Forschergruppe beteiligt.