09.05.2014

Verzögerte Explosion durch Clustermantel

Wissenschaftler erforschen Technik, um bessere Momentaufnahmen von Molekülen zu erhalten

Die Kräfte bei der Untersuchung mit Freie-Elektronen Lasern sind brutal: Jeder Lichtblitz bringt die Probe, die er untersucht, zu einer schnellen Explosion. Es kommt auf Femtosekunden an (das ist ein millionstel einer milliardstel Sekunde), um bei den Untersuchungen die Molekülstruktur der Probe vor ihrer Zerstörung zu entschlüsseln. Ein Forscherteam vom kalifornischen Forschungszentrum SLAC, der TU Berlin und DESY hat jetzt an DESYs Röntgenlaser FLASH einen Weg untersucht, um die Explosion der Probe um die vielleicht entscheidenden Sekundenbruchteile zu verzögern. Bei ihren Experimenten, die jetzt im Fachjournal Physical Review Letters vorgestellt wurden, haben die Wissenschaftler beobachten können, was in sogenannten Clustern, kleinen Anhäufungen von Atomen, bei intensiver Beleuchtung mit Röntgenlicht genau vorgeht.

Impression der Explosion eines Kern-Mantel-Clusters im FLASH-Licht.

Röntgenlaser wie DESYs FLASH oder der in Bau befindliche European XFEL sind die Hochgeschwindigkeitskameras für den Nanokosmos. Ihre energiereichen, ultrakurzen Röntgenpulse erlauben Einblicke in kleinste Dimensionen und ultraschnelle Prozesse. Sie eröffnen damit neue wissenschaftliche Untersuchungsmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen, von der Abbildung einzelner Moleküle bis hin zum Filmen der Bewegung von Elektronen in Atomen. Mit diesen Experimenten gewinnen die Forscher wichtige Hinweise auf die Art und Weise, wie molekulare Reaktionen ablaufen, beispielsweise während der Photosynthese Das Problem: Jeder einzelne der XFEL-Blitze ist so intensiv, dass er die untersuchte Probe bei der Messung zwangsläufig in ein dichtes Plasma verwandelt und letztlich zerstört. Beim Auftreffen des Röntgenblitzes auf die Probe werden schlagartig sehr viele der in den Atomhüllen enthaltenen Elektronen herausgeschlagen. Zurück bleibt ein Molekülgerüst von hochgeladenen Ionen, die sich durch ihre gleiche Ladung abstoßen und  in einer sogenannten Coulomb-Explosion auseinandergeschleudert werden.

Eine Strategie, um den allzu schnellen Verlust der Elektronen aus der Probe zu verhindern, ist deren Umhüllung mit einer Mantelschicht. Sie wird während der heftigen Wechselwirkung mit dem Röntgenlicht ebenfalls ionisiert; die im Mantel freigesetzten Elektronen können jedoch vom Probenkern aufgenommen werden und so den dortigen Verlust der Elektronen für eine kurze Zeit ausgleichen.

Zur Erforschung dieser Explosionsverzögerung präparierten die Wissenschaftler unter Leitung von  DESY-Forscher Tim Laarmann kleine Cluster, die aus etwa 80 Xenon-Atomen im Kern bestanden, der von durchschnittlich etwa 400 Argon-Atomen ummantelt war. Diese so zusammengesetzten Cluster beschossen sie mit dem intensiven FLASH-Röntgenstrahl und analysierten das Fluoreszenzlicht, welches die Cluster innerhalb der ersten Femto- bis Pikosekunden emittierten. „Wir konnten erstmals die durch die Wechselwirkung mit den FLASH-Pulsen erzeugten, extrem kurzlebigen Zustände innerhalb der ersten wenigen hundert Femtosekunden beobachten und genau sehen, welche Ladungszustände sich am Anfang im Cluster bilden“, erklärt Laarmann. Die damit aufgenommenen „Fingerabdrücke“ solcher instabilen Zustände waren bisherigen Experimenten verschlossen geblieben.

Neben diesen grundlegenden Fragen wird diese Studie wichtige Impulse für zukünftige Messungen mit Freie-Elektronen-Lasern geben.  „Unsere Experimente zeigen, dass der Clustermantel den Kern für eine kurze Zeit mit Elektronen versorgt und so die Coulomb-Explosion herauszögert“, so Laarmann. Dies ist wertvolle Zeit, um in Imaging-Experimenten an FELs Streubilder von Molekülen zu erhalten, bevor sie zerstört werden. Die Abhängigkeit der Verzögerung von der Größe der Cluster wollen die Wissenschaftler in weiteren Experimenten noch genauer erforschen.

PRL Publication

Durch Analyse des Fluoreszenzlichts (rechts) können die Wissenschaftler genau erkennen, was wann wo im Cluster geschieht.