29.07.2013

Höchstgeschwindigkeit für ultraschnellen elektrischen Schalter bestimmt

Schaltvorgang in Magnetit dauert nur eine billionstel Sekunde

Ein internationales Wissenschaftlerteam hat am Röntgenlaser LCLS in Kalifornien die schnellste je beobachtete elektrische Schaltung in Magnetit, einem in der Natur vorkommenden Magneten, gemessen. Die Ergebnisse können als Grundlage für Neuentwicklungen ultraschneller winziger Transistoren genutzt werden, die den Stromfluss in Halbleitern steuern, und somit Computer und Halbleiterbauteile schneller und leistungsfähiger machen.

Die Experimente wurden an der SXR-Beamline an der LCLS durchgeführt (Foto: Brad Plummer/SLAC).

Mit der Linac Coherent Light Source (LCLS), dem weltstärksten Röntgenlaser am kalifornischen Forschungszentrum SLAC entdeckte das Forscherteam, unter ihnen Wissenschaftler vom Center for Free-Electron Laser Science CFEL in Hamburg und von European XFEL, dass der Schaltvorgang eines Ein-Aus-Schalters in Magnetitproben in nur einer billionstel Sekunde erfolgt; das ist tausende Male schneller als in Transistoren, die heute verwendet werden. Die Ergebnisse wurden am 28. Juli in der Fachzeitschrift „Nature Materials“ veröffentlicht.

Die Wissenschaftler beschossen die Probe zunächst mit einem Laserpuls aus sichtbarem Licht und untersuchten sie dann mit einem extrem hellen und ultrakurzen Röntgenblitz der LCLS-Anlage. Der sichtbare Laserpuls fragmentierte die elektronische Struktur des Materials und ordnete sie dann zu Inseln an. Mit dem Röntgenblitz von LCLS konnten die Forscher erstmalig sehr detailliert und zeitlich aufgelöst die durch den ersten Laserstrahl ausgelösten Veränderungen in der Probe untersuchen.

„Dieses bahnbrechende Experiment zeigt zum ersten Mal die „Höchstgeschwindigkeit“ für elektrische Schaltungen in diesem Material“, erklärt Roopali Kukreya, Materialwissenschaftler am SLAC und an der Stanford Universität und Erstautor der Studie.

Das Experiment zeigte den Forschern auch, wie sich während des Schaltvorgangs die elektronische Struktur in der Probe neu anordnet: nicht-leitende „Inseln“ sind umgeben von elektrisch leitenden Regionen. Diese Struktur formte sich eine hundert billiardstel Sekunde nach dem Auftreffen des Laserblitzes auf die Probe. Die Studie beweist, dass diese leitenden und nicht-leitenden Zustände gleichzeitig existieren und als elektrische Leitbahnen für zukünftige Transistoren dienen können.

„Mit den ultrakurzen Röntgenblitzen dieser neuen Freie-Elektronen-Laser können wir diese schnellen Prozesse der Natur finden und genau beobachten“, erklärt Prof. Wilfried Wurth vom CFEL und der Universität Hamburg. „Mit dem Verständnis solcher Abläufe schaffen wir die Grundlage für ganz neue Anwendungen – hier vielleicht für eine neue Generation von elektronischen Bauelementen.“ Die CFEL-Forscher waren nicht nur an dem Experiment beteiligt, sondern haben zusammen mit Forschern aus Stanford und Berkeley auch maßgeblich an Konzeption und Aufbau der für das Experiment verwendeten Weichröntgen- (SXR-) Beamline bei LCLS mitgewirkt.

Durch eine geringfügige Änderung der Intervalle zwischen Laser- und Röntgenblitz konnten die Forscher präzise die Dauer messen, in der das Material vom nicht-leitenden in einen elektrisch leitenden Zustand umschaltet, und die genauen Veränderungen während des Umschaltvorgangs beobachten. Der Magnetit musste dabei von den Experimentatoren auf minus 190° Celsius heruntergekühlt werden, um die elektrische Ladung örtlich zu fixieren, sozusagen „einzufrieren“.

Seit Jahrzehnten experimentieren Forscher, um die elektrische Struktur von Magnetit auf atomarer Ebene aufzuklären. Erst im vergangenen Jahr hatte ein anderes Forscherteam dessen Bausteine als „Trimeronen“ bestimmt; das ist eine charakteristische periodische Anordnung von  drei geladenen Eisenatomen. Diese Entdeckung diente als wichtige Grundlage für die Interpretation der Ergebnisse aus den aktuellen LCLS-Experimenten.

Als nächste Schritte planen die Forscher die Untersuchung von komplexeren Materialien, die sich auch bei Raumtemperatur schalten lassen. In zukünftigen Experimenten sollen andersartige Verbindungen identifiziert und neue Techniken zur Auslösung des Umschaltvorgangs getestet werden, und es sollen weitere Eigenschaften gefunden werden, die heutigen Siliziumtransistoren überlegen sind. Es wurden bereits Folgestudien mit einem Hybridmaterial durchgeführt, das ähnlich ultra-schnelle Schalteigenschaften bei nahezu Raumtemperatur besitzt und somit ein besser geeignetes Material zur industriellen Nutzung ist als Magnetit.

Es gibt zurzeit einen weltweiten Trend, anstelle moderner Halbleitertransistoren neue Materialien zu nutzen und so die die Herstellung von kleineren und schnelleren Computern ermöglichen. Röntgenlaser wie LCLS oder der in Norddeutschland entstehende European XFEL sind besonders geeignet, um Prozesse zu beobachten, die sich auf atomarer Ebene in billionstel bzw. billiardstel Sekunden abspielen.