15.04.2013

Messtechnik an PETRA III treibt Speicherentwicklung an

Neue widerstandsgesteuerter Speichermodule stehen vor Prototypphase

Wissenschaftler haben an PETRA III eine in-operando-Methode der Photoelektronenspektroskopie mit harter Röntgenstrahlung entwickelt, um eine neue Art von Speichermodulen (sogenannte ReRAM) zu erforschen. Mit HAXPES (Hard X-Ray Photoelectron Spectroscopy) können Materialien wie Computerspeicher auf Fehlstellen untersucht werden.

Eine ReRAM-Probe im HAXPES-Experiment.

Heute zum Einsatz kommende Hochleistungswerkstoffe haben oft physikalische und chemische Defekte. Diese Defekte verursachen entweder Schäden (z. B. die Bildung von Rissen bei Versetzungen auf der Baustelle), die man vermeiden möchte, oder die Defekte werden absichtlich herbeigeführt, um Materialien zu funktionalisieren (z. B. die technische Aufbereitung von Sauerstoff für den Ionentransport in Festoxid-Brennstoffzellen zur Energieerzeugung). Je nachdem, ob zur Vermeidung von negativen Folgen oder zur Optimierung: Das gezielte Einsetzen solcher Fehlstellen ist ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung innovativer Werkstoffe. Allerdings ist besonders die zerstörungsfreie Vermessung von Defekten bei hoher Empfindlichkeit und Energieauflösung im Nanobereich immer noch eine der schwierigsten Aufgaben in der modernen Materialforschung. Eine Gruppe Wissenschaftler an PETRA III hat jetzt die Technik zur Darstellung dieser Ergebnisse weiterentwickelt und damit eine neue Generation von Speichermodulen untersucht, die nun als hochintegrierte Prototypen gebaut werden sollen. Das „redox-basierte resistive switching memory“, das sogenannte ReRAM, ist ein neuer Ansatz für zukünftige Speichermedien, der die Leistung der funktionalisierten Mikroelektronik entscheidend verbessern soll. Anwendungen liegen beispielsweise in der drahtlosen Kommunikation mit geringem Stromverbrauch, etwa in der Telemedizin, Landwirtschaft, Industrieautomation und der Umweltüberwachung.

An der hochbrillanten Röntgenquelle PETRA III bei DESY in Hamburg kommt an der Beamline P09 eine neu entwickelte Experimentiermethode zum Einsatz, die bisher unerreichte Einblicke in die chemischen und elektronischen Eigenschaften funktionaler Werkstoffe ermöglicht, einschließlich der Abbildung von Defekten im Nanobereich. Die Photoelektronenspektroskopie mit harter Röntgenstrahlung (HAXPES) verbindet die hohe Energieauflösung der klassischen Photoelektronenspektroskopie mit stark verbesserten und in die Tiefe gehenden Informationen und ermöglicht damit beispielsweise die zerstörungsfreie Untersuchung von abgedeckten Grenzflächen in Mikroelektronik-Bauteilen. Die Photoelektronenspektroskopie wird in der Materialforschung oft benutzt, um Informationen über die chemische Zusammensetzung und physikalische Struktur eines Materials zu gewinnen. Ein auf das Material auftreffender Röntgenstrahl regt dessen Atome zur Aussendung von Elektronen an. Ein externer Detektor untersucht die Eigenschaften der emittierten Elektronen, aus denen die innere Struktur komplexer Materialien bestimmt werden kann.

Materialwissenschaftler vom Forschungszentrum Jülich, dem Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (IHP) in Frankfurt (Oder) und DESY nutzen diese neu installierte HAXPES-Technik um die physikalischen Eigenschaften der ReRAM-Elemente aufzudecken. Diese Permanentspeicher werden durch elektronische Pulse gesteuert, die eine umkehrbare Änderung im Widerstand in einer wenige Nanometer dicken Isolierschicht verursachen, die zwischen zwei Metallelektroden liegt. In-operando-HAXPES-Studien an PETRA III ermöglichen die Untersuchung der Schalteigenschaften eines einzelnen Speichermediums in verschiedenen Widerstandsstadien und zeigte damit die zentrale Bedeutung physikalischer und chemischer Defekte in der Grenzfläche zwischen Metall und Isolator (d.h. die Rolle der Sauerstoff-Fehlstellen) für die Schalteigenschaften. „PETRA III ist eine der am besten positionierten Synchrotronstrahlungsquellen weltweit auf dem neuen Gebiet der HAXPES-Forschung und der beste Ort für unsere technologieorientierten ReRAM-Forschungen“, erklären Regina Dittmann vom Forschungszentrum Jülich und Malgorzata Sowinska vom IHP.

Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung finden zurzeit Anwendung bei der Herstellung von voll integrierten 4-kbit-ReRAM-Testmodulen, die bei IHP vorbereitet werden. Ziel der Forschergruppe, die eng mit dem deutschen Halbleiterhersteller X-FAB zusammenarbeitet, ist die Leistungsbewertung der eingebetteten ReRAM-Module für drahtlose Sensornetzwerke. Diese kleinen aber hochkomplexen Mikroelektroniksysteme finden immer mehr Verbreitung als elektronische Helfer, die verborgen in vielen Alltagsanwendungen laufen.

 

Beteiligte Institutionen:
Electronic Materials Research Lab, FZ Jülich

Abteilung Materials Research, IHP, Frankfurt (Oder)

PETRA III-Strahlführung P09

Veröffentlichungen:
Andrei Gloskovskii, Gregory Stryganyuk, Gerhard H. Fecher, Claudia Felser, Sebastian Thiess, Heiko Schulz-Ritter, Wolfgang Drube, Götz Berner, Michael Sing, Ralph Claessen, Masafumi Yamamoto, J. El. Spec. Rel. Phenom. 185, 47 (2012)

T. Bertaud, M. Sowinska, D. Walczyk, S. Thiess, A. Glosovskii, Ch. Walczyk, and T. Schroeder, Applied Physics Letters 101, 143501 (2012)

S. Stille, Ch. Lenser, R. Dittmann, A. Koehl, I. Krug, R. Muenstermann, J. Perlich, C. M.Schneider, U. Klemradt and R. Waser, Appl. Phys. Lett. 100, 223503 (2012)

Die HAXPES-Experimentierstation an der PETRA III-Strahlführung P09.