16.02.2013

Bewiesen: Sternexplosionen sind Quellen der kosmischen Strahlung

Supernova-Überreste als kosmische Superbeschleuniger

Eine neue Studie bestätigt, was Wissenschaftler schon lange vermutet haben: Ein Großteil der kosmischen Strahlung – energiereiche Teilchen, die aus allen Himmelsrichtungen die Erde treffen – entsteht in den gewaltigen Trümmerwolken explodierter Sterne - sogenannten Supernova-Überresten. Ein Forscherteam, das von Wissenschaftlern des Kavli-Instituts für Astroteilchenphysik und Kosmologie am US-Forschungszentrum SLAC geleitet wurde, hat Beobachtungsdaten des NASA-Weltraumteleskops "Fermi" aus vier Jahren durchforstet, um den ersten unzweifelhaften Beleg für die Herkunft komischer Strahlung zu finden.

Supernova-Explosionen jagen schnelle Schockwellen durchs All, die Protonen auf die hohen Energien der kosmischen Strahlung beschleunigen können. Illustration: Greg Stewart/SLAC

Im US-Fachjournal „Science“ berichtet das Wissenschaftlerteam, zu dem auch DESY-Forscher gehören, über die Untersuchung zweier alter Supernova-Überreste, deren Schockwellen Protonen auf beinahe Lichtgeschwindigkeit beschleunigen, wie sie in der kosmischen Strahlung vorkommen. Wenn diese schnellen Protonen mit langsameren Protonen in umliegenden Gas- und Staubwolken kollidieren, entsteht Gammastrahlen mit charakteristischen Eigenschaften, deren Nachweis den Wissenschaftlern den eindeutigen Beleg für die Herkunft der kosmischen Strahlung liefert.

"Es ist der erste Beweis, der rein auf fundamentalen Teilcheneigenschaften beruht, dass Supernova-Überreste eine wichtige Quelle der Protonen und der schweren Kerne in der kosmische Strahlung sind", betont DESY-Wissenschaftler Markus Ackermann aus dem Forscherteam. "Die Entdeckung der beschriebenen spektralen Signatur in der Gammastrahlungsemission der beiden Supernova-Überreste erlaubt eine spezifische und modellunabhängige Diagnose des physikalischen Prozesses der diese Gammastrahlung hervorbringt."

90 Prozent der kosmischen Strahlung, die auf die Erdatmosphäre trifft, sind Protonen. Sie lösen Teilchenschauer aus, der den Erdboden erreichen und dessen Strahlung ein Gesundheitsrisiko für Flugreisende sein kann. Die Wissenschaftler nahmen an, dass hauptsächlich zwei Quellen für diese Strahlung infrage kommen: Supernova-Explosionen in der Milchstraße oder gigantische Materiestrahlen, die aus aktiven schwarzen Löchern außerhalb unserer Galaxie herausschießen. In beiden Fällen fehlte jedoch der nötige Beweis.

„Die Protonen erreichen Energien, die weit höher sind als sie in den stärksten Teilchenbeschleunigern der Welt erzeugt werden können“, erklärt Stefan Funk vom Kavli-Institut und der Universität Stanford, der die Analyse geleitet hat. „Im vergangenen Jahrhundert haben wir viel Neues über die auf die Erde auftreffende kosmische Strahlung erfahren. Wir waren uns sogar ziemlich sicher, was die Quelle ihrer Beschleunigung angeht, aber erst jetzt haben wir den eindeutigen Beweis.“

Die Quellen der kosmischen Strahlung lassen sich nicht leicht finden, weil die elektrisch positiv geladenen Protonen auf ihrem Weg durchs All ständig von Magnetfeldern abgelenkt werden. Das macht die Zurückverfolgung zu ihrem Ursprungsort unmöglich. Die Nutzung des "Fermi"-Weltraumteleskops ermöglichte den Wissenschaftlern jedoch die direkte Beobachtung von Gammastrahlung.

Die Schockwellen einer Supernova verleihen Protonen ihre Energie durch die sogenannte Fermi-Beschleunigung, bei der Protonen in der sich schnell ausdehnenden Schockregion durch magnetische Felder eingefangen werden. Durch Kollisionen zwischen den schnellen Protonen und den sich langsamer bewegenden Protonen aus umliegenden Staub- und Gaswolken können andere Teilchen entstehen, sogenannte Pionen. Wenn diese Pionen zerfallen, senden sie Gammastrahlung aus, die energiereichsten Form von Licht. Unbeeinflusst von magnetischen Feldern treffen die Gammastrahlen in gerader Linie auf die Erde und können so zu ihrem Ursprungsort zurückverfolgt werden.

Die Gammastrahlung aus dem Pionen-Zerfall besitzt eine charakteristische Minimalenergie. Die Fermi-Forscher haben Daten von zwei tausende Lichtjahre entfernten Supernova-Überresten analysiert. Beide entpuppten sich als starke Gammaquellen, jedoch nicht bei Energien unterhalb derer aus dem Pionenzerfall. "Mit der Detektion des Pion-Cutoffs haben wir nach langer Suche einen direkten Beweis, dass die Teilchen der kosmischen Strahlung in Supernova-Überresten beschleunigt werden", betont DESY-Forscher Rolf Bühler aus dem Team. "Der nächste Schritt ist nun, den Beschleunigungsprozess genauer zu studieren, um zu verstehen bis zu welchen Energien diese Teilchen beschleunigt werden."

Da es jetzt immer häufiger vorkommt, dass Menschen sich in großen Höhen und außerhalb der Erdatmosphäre aufhalten, muss auch die Frage geklärt werden, wie kosmische Strahlung das Leben auf der Erde beeinflusst und welches die elementaren Prozesse sind, die ihren Ursprung und Beschleunigung regeln. „ Als nächstes muss sich die Forschung damit beschäftigen, die genauen Details des Beschleunigungsmechanismus und auch der maximalen Energien, mit denen Supernova-Überbleibsel die Protonen beschleunigen, zu verstehen“, erklärt Rolf Bühler.

"Die Quellen der kosmischen Strahlung waren nach der Entdeckung des Phänomens vor 100 Jahren lange Zeit rätselhaft", kommentiert Astrophysiker Christian Stegmann, Vertreter des DESY-Direktoriums am Standort Zeuthen bei Berlin und Sprecher des Astroteilchenphysikprogramms in der Helmholtz-Gemeinschaft. "Es ist passend, dass Supernova-Überreste endgültig als wichtige Quellen dieser energiereichen Teilchen überführt worden sind, kurz nachdem wir das 100. Jubiläum der Entdeckung der kosmischen Strahlung unweit unseres Zentrums gefeiert haben."

Die kosmische Strahlung war 1912 vom österreichisch-amerikanischen Physiker Victor Franz Hess bei einer Serie von Ballonflügen nahe Bad Saarow entdeckt worden, das rund 40 Kilometer südöstlich des heutigen DESY-Standorts Zeuthen in Brandenburg liegt.

 

Originalarbeit: "Detection of the Characteristic Pion-Decay Signature in Supernova Remnants"; M. Ackermann et al.; "Science" (2013); DOI: 10.1126/science.1231160

 

Dies ist eine bearbeitete Übersetzung der entsprechenden SLAC-Pressemitteilung