20.06.2012

DESYs Röntgenlaser FLASH beobachtet Quantenrennen von Elektronen

An DESYs Röntgenlaser FLASH haben Forscher erstmals den quantenmechanischen Wettlauf zweier Elektronen beobachtet. Die Messungen, die heute im Fachblatt „Physical Review Letters“ erschienen sind, können die Untersuchung von Atom- und Molekül-Eigenschaften verbessern. Sie werden auch die Qualität sogenannter Freie-Elektronen-Laser wie FLASH erhöhen, die neue Werkzeuge für viele Bereiche der Wissenschaft sind, von der Physik bis zur Biologie.

Blick in die Experimentierhalle des Freie-Elektronen-Lasers FLASH.

Die Gruppe um Markus Drescher von der Universität Hamburg und Michael Bonitz von der Universität Kiel hatte den sogenannten Auger-Effekt untersucht. Dabei werden kurz hintereinander zwei Elektronen aus einem Atom herauskatapultiert: Zuerst schlägt energiereiche Strahlung ein Elektron aus der Atomhülle. In die freie Lücke springt ein anderes Elektron und gibt dabei Energie ab. Diese freigewordene Energie wird von einem dritten Elektron aufgenommen, das durch den Energieschub ebenfalls aus dem Atom katapultiert wird. Fliegt es dabei in dieselbe Richtung, liefert es sich eine Verfolgungsjagd mit dem ersten Elektron.

Dieses Wettrennen ist extrem kurz, es dauert typischerweise nur eine bis hundert billiardstel Sekunden (1 bis 100 Femtosekunden). „Bis heute hat kein Experiment den Verlauf dieses Rennens 'gefilmt'", sagt Drescher, Leiter des experimentellen Teils des Projekts. Um die Bewegung der Elektronen innerhalb eines Zeitraums von nur 50 Femtosekunden aufzulösen, wurden sie mit einem schnell schwingenden elektromagnetischen Feld abgelenkt. Wie bei einer Schmierbildkamera änderte sich dabei die Ablenkung der Elektronen mit der Zeit. Die Forscher wiederholten das Wettrennen viele Male und beobachteten es jeweils zu leicht verschobenen Zeiten. Aus diesen zahlreichen Einzelbeobachtungen ließ sich der zeitliche Verlauf des Rennens verfolgen.

Auf diese Weise rekonstruierten die Wissenschaftler, wie das Auger-Elektron das erste überholte und Energie mit ihm austauschte. Dabei stellten sie fest, dass sich die Energie des Auger-Elektrons in charakteristischer Weise in Abhängigkeit von der Zeit ändert. Dieses sogenannte Zirpen der Auger-Elektronen hat Bedeutung für spektroskopische Untersuchungen. Detaillierte Computersimulationen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel bestätigten die Deutung der Messdaten. „Wir haben verschiedene Erklärungen für die Beobachtungen geprüft“, sagt Bonitz. „Schließlich konnte unser Doktorand Sebastian Bauch nachweisen, dass das Experiment tatsächlich das Wettrennen zweier Elektronen beobachtet hat.“

Die Ergebnisse sind nicht nur wichtig für künftige Messungen ultraschneller Prozesse in Atomen, Molekülen und Festkörpern, sondern auch für die Verbesserung der Freie-Elektronen-Laser selbst. „Ziel ist eine Weiterentwicklung der Technik, um damit die Dauer des Laserpulses genauer messen und einstellen zu können“, sagt DESY-Forscherin Elke Plönjes.

Originalveröffentlichung: "Evidence for chirped Auger electron emission"; Schütte, B., Bauch, S., Frühling, U., Wieland, M., Gensch, M., Plönjes, E., Gaumnitz, T., Azima, A., Bonitz, M. and Drescher, M.; Phys. Rev. Lett. 108, 253003 (2012), DOI: 10.1103/PhysRevLett.108.253003