DESY News: Luft lenkt Laser ab

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02.10.2023
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Luft lenkt Laser ab

Innovatives Konzept beugt Laserstrahlen berührungslos mit Hilfe von Schallwellen

Mit einem neuartigen Verfahren lassen sich Laserstrahlen berührungsfrei in der Luft ablenken. Das dabei eingesetzte unsichtbare optische Gitter aus Luft ist nicht nur immun gegen Beschädigungen durch den Laserstrahl, sondern erhält auch dessen Strahlqualität, wie das interdisziplinäre Entwicklungsteam im Fachblatt „Nature Photonics“ berichtet. Die Forscherinnen und Forscher haben ihre Methode zum Patent angemeldet.

In dieser Animation läuft ein Laserlichtstrahl zwischen einer Lautsprecher-Reflektor-Anordnung hindurch, die ein Gitter aus Luft erzeugt. Der Laserstrahl interagiert mit diesem Gitter und wird berührungslos abgelenkt. Animation: Science Communication Lab für DESY


Die innovative Technik wurde in einer Zusammenarbeit von DESY, der Technischen Universität Darmstadt (TUD), der Hochschule Aalen, der Universität Hamburg, des Unternehmens Inoson GmbH in St. Ingbert und des Helmholtz-Instituts Jena entwickelt. Sie nutzt Schallwellen, um die Luft in dem Bereich zu modulieren, den der Laserstrahl durchkreuzt. „Wir erzeugen ein optisches Gitter mit Hilfe akustischer Dichtewellen“, erläutert Hauptautor Yannick Schrödel, Doktorand beim DESY und am Helmholtz-Institut Jena. Mit Hilfe starker Speziallautsprecher prägen die Forscherinnen und Forscher ein Streifenmuster aus dichteren und weniger dichten Bereichen in die Luft. Ähnlich wie unterschiedlich dichte Luftschichten auch in der Erdatmosphäre Licht ablenken, übernimmt das Dichtemuster in der Luft die Funktion eines optischen Gitters, das den Laserstrahl beugt. „Die Lichtablenkung per Beugungsgitter erlaubt allerdings eine viel präzisere Kontrolle des Laserlichtes im Vergleich zur Ablenkung in der Erdatmosphäre“, betont Schrödel. „Die Eigenschaften des optischen Gitters lassen sich über die Frequenz und die Intensität, also die Lautstärke, der Schallwellen beeinflussen.“

Hier können Sie durch Schieben des Reglers die Ablenkung des Laserlichts durch Schallwellen ausprobieren:

Dank der interdisziplinären Zusammenarbeit konnte die akustooptische Modulation in Luft bereits bei einer ersten Messkampagne im Laserlabor bei DESY nachgewiesen werden. „Eine große Herausforderung war, den hohen Schalldruckpegel von 140 Dezibel bei einer Frequenz von 500 Kilohertz in Luft zu erreichen“, erklärt Claas Hartmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Mess- und Sensortechnik der TUD. „Einen derart hohen Schallpegel erreicht ein Düsentriebwerk in wenigen Metern Entfernung“. Der dafür in Kooperation mit der TUD und dem Unternehmen Inoson GmbH entwickelte akustische Wandler ist in der Lage, das benötigte akustische Feld zu erzeugen. Weitere Optimierungen des Aufbaus ermöglichen es, Laserpulse mit einer Effizienz von über 50 Prozent abzulenken.

Das Team sieht in der Technik großes Potenzial für die Hochleistungsoptik. Bei ihren Versuchen verwendeten die Forscherinnen und Forscher einen Infrarot-Laserpuls mit einer Spitzenleistung von 20 Gigawatt, das entspricht der Leistung von etwa zwei Milliarden LED-Birnen. Laser dieser und noch höherer Leistungsklassen werden beispielsweise zur Materialbearbeitung, in der Fusionsforschung oder für neueste Teilchenbeschleuniger eingesetzt. „In diesem Leistungsbereich schränken die Materialeigenschaften von Spiegeln, Linsen und Prismen den Einsatz deutlich ein, und solche optischen Elemente werden in der Praxis leicht von starken Laserstrahlen beschädigt“, erläutert Christoph Heyl, Wissenschaftler bei DESY und dem Helmholtz-Institut Jena, der das Forschungsprojekt leitet. „Zudem verschlechtern sie die Qualität des Laserstrahls. Wir schaffen es dagegen, Laserstrahlen qualitätserhaltend berührungslos abzulenken.“

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Das Entwicklerteam im Reinraum an der akustischen Laser-Optik. Bild: DESY, Angela Pfeiffer
Das Prinzip der akustischen Kontrolle von Laserlicht in Gasen ist nicht auf die Erzeugung optischer Gitter beschränkt, betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Es lasse sich voraussichtlich auch auf andere optische Elemente wie Linsen und Wellenleiter übertragen. „Wir haben seit langem über diese Methode nachgedacht und schnell festgestellt, dass extreme Schallpegel notwendig sind. Diese schienen zunächst technisch nicht realisierbar“, erläutert Heyl. „Wir haben aber nicht so schnell aufgegeben und schließlich mit Unterstützung von Forschern der TUD sowie dem Unternehmenm Inoson eine Lösung gefunden. Zunächst haben wir unsere Technik in Raumluft ausprobiert, als nächstes werden wir auch andere Gase einsetzen, um beispielsweise andere Wellenlängen sowie andere optische Eigenschaften und Geometrien zu erschließen.“

Die bereits gezeigte Lichtablenkung direkt in Umgebungsluft eröffnet vielversprechende Anwendungen, insbesondere als schneller Schalter für Hochleistungslaser. „Das Potenzial der berührungslosen Kontrolle von Licht und deren Erweiterung auf andere Anwendungen lässt sich derzeit nur erahnen“, erläutert Heyl. „Die moderne Optik beruht fast ausschließlich auf der Interaktion von Licht mit fester Materie. Unser Ansatz eröffnet eine völlig neue Richtung.“    

An der Arbeit waren Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität Darmstadt, der Hochschule Aalen, der Universität Hamburg, der Inoson GmbH in St. Ingbert, des Helmholtz-Instituts Jena und von DESY beteiligt. Die neue Technik wird im Rahmen des Forschungsprojektes SOPHIMA – Sono-Photonik in Metafluiden entwickelt. Finanziert wird das Forschungsprojekt von der Carl Zeiss Stiftung.

 

Originalveröffentlichung:
Acousto-optic modulation of gigawatt-scale laser pulses in ambient air; Yannick Schrödel, Claas Hartmann, Tino Lang, Jiaan Zheng, Max Steudel, Matthias Rutsch, Sarper H. Salman, Martin Kellert, Mikhail Pergament, Thomas Hahn-Jose, Sven Suppelt, Jan Helge Dörsam, Anne Harth, Wim P. Leemans, Franz X. Kärtner, Ingmar Hartl, Mario Kupnik, Christoph M. Heyl; „Nature Photonics“, 2023; DOI: 10.1038/s41566-023-01304-y