DESY News: Saubere Ideen mit Wasserstoff

News-Suche

Meldungen vom Forschungszentrum DESY

https://www.desy.de/e409/e116959/e119238 https://www.desy.de/aktuelles/news_suche/index_ger.html news_suche news_search ger 1 1 8 both 0 1 %d.%m.%Y Pressemeldung
ger
15.04.2021
Zurück

Saubere Ideen mit Wasserstoff

Zum Helmholtz Sustainability Talk ein Interview mit Simone Techert

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher diskutiert mit Wirtschaftsexpertin Claudia Kemfert, DESY-Wissenschaftlerin Simone Techert und Helmholtz-Forscherin Katja Bühler sowie Greenpeace-Chef Martin Kaiser den nachhaltigen Einsatz des Energieträgers der Zukunft. Wasserstoff spielt in Strategien für die Energie-Zukunft eine tragende Rolle. Doch wie kann Wasserstoff nachhaltig produziert und eingesetzt werden?

Darüber wird bei DESY diskutiert: Im Helmholtz Sustainability Talk am kommenden Montag, den 19. April, um 19:15 Uhr im Livestream unter www.helmholtz-nachhaltigkeit.de.

Gegenwärtig wird Wasserstoff zum größten Teil aus fossilen Rohstoffen gewonnen, mit entsprechend schlechter CO2-Bilanz. Weltweit wird jedoch intensiv an der klimaschonenden Herstellung des Wasserstoffs geforscht – auch bei DESY, etwa durch die Leitende Wissenschaftlerin Simone Techert, die im Interview von ihren Ideen zum sogenannten grünen Wasserstoff berichtet.

Download [93KB, 1608 x 1243]
Simone Techert ist Leitende Wissenschaftlerin bei DESY und Professorin für Ultrakurzzeit-Röntgenphysik an der Universität in Göttingen (Foto: DESY).
Wasserstoff gilt als der Energieträger der Zukunft. Wie wird diese Zukunft aussehen?

Wir hoffen, dass es in Zukunft möglich sein wird, auf grüne Wasserstoffwirtschaft routinemäßig zurückzugreifen. Konkret wird dort, wo Wasserstoff- oder Energieverbrauch enorm hoch sind, diese Technologie extrem wichtig werden. Zum Beispiel wird die stahlverarbeitende oder chemische Industrie grünen Wasserstoff benötigen, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Und große Maschinen oder Schiffe und Flugzeuge mit einem Wasserstoffantrieb könnten eine echte Alternative zu herkömmlichen Antrieben werden. Hierbei wird der Wasserstoff über eine Brennstoffzelle genutzt, um Strom zu erzeugen, der die Motoren antreibt. Insgesamt hängt die Art und Weise, wie Wasserstoff genutzt wird und genutzt werden kann, stark von der Anwendung ab.

Was ist überhaupt grüner Wasserstoff und wie wird dieser hergestellt?

Das Gas Wasserstoff selbst ist farblos, die Bezeichnung gibt Information über die Art der Herstellung. Zum Beispiel wird grauer Wasserstoff möglicherweise klimaschädlich aus fossilen Energieträgern gewonnen. Grüner Wasserstoff entsteht klimaneutral durch Sonnenlicht oder Wind. Dabei wird regenerativ erzeugter Strom genutzt, um über das Verfahren der Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Es gibt auf dem DESY Campus zahlreiche fortschreitende Aktivitäten mit vielen Forschergruppen, unter anderem auch zur Speicherung von Wasserstoff. Das ist ein sehr multidisziplinäres Feld. Neben vielen anderen Aktivitäten an den Röntgenquellen PETRA, FLASH oder CXNS bündeln wir zukünftig die Expertise in diesem Bereich bei DESY auch im Centre for Molecular Water Science CMWS. Dort tauschen sich Partner aus ganz Europa ebenfalls über Energieforschung und Wasser aus.

Wie gehen Sie bei Ihrer Forschung zum grünen Wasserstoff vor?

Meine Arbeitsgruppe ist auf die Untersuchung nachhaltiger Energiesysteme spezialisiert. In diesem Zusammenhang entwickeln wir gemeinsam mit Kollegen Systeme, die mit Sonnenlicht grünen Wasserstoff aus Wasser herstellen. Unser Vorbild sind die Pflanzen, die wir im Prinzip nachahmen wollen. Dazu haben wir eine organische Zelle entwickelt, die Lichtenergie nutzt, um Strom zu erzeugen. Dieser Strom aktiviert ein mineralisches Material, wodurch dort Wasser gespalten wird. So ist eine Miniatureinheit aus Solarzelle und Wasserspalter entstanden. Herkömmlich sind diese Schritte getrennt und müssen durch Leitungen miteinander verbunden werden. Strom wird erzeugt und durch Kupferleitungen zum Elektrolyseur transportiert, wo das Wasser gespalten und Wasserstoff und Sauerstoff hergestellt werden. Vereinfacht erklärt haben wir diese Schritte in einer Minieinheit zusammengeführt, die nur 500 Nanometer klein ist. Dadurch muss der Strom nicht soweit laufen, wir haben keine Wegeverluste und sind so viel effizienter. Herkömmliche Solarzellen- und Elekrolyseur-Materialien enthalten auch einige giftige Stoffe, wie Schwermetalle. Unsere Einheiten kommen ohne diese giftigen Stoffe aus.

Wieso setzen Sie für ihre Experimente Röntgenlicht ein?

Wir regen die Minieinheit mit optischem Laserlicht an, also schalten mit dem optischen Laser die Systeme an. Und dann untersuchen wir mit Röntgenlicht, was strukturell oder auch elektronisch passiert. Die einzelnen Prozesse wollen wir auf atomaren Skalen verstehen. Um zu schauen, wie genau sich die Elektronen bewegen und wieso das zu den Bewegungen in den Festkörpern und Mineralien führt, die eine Wasserspaltung unterstützen oder verhindern, benötigt man Röntgenlicht. Wir schauen tief in die Materialien hinein, aber untersuchen auch die Oberfläche, denn das Wasser wird an der Oberfläche gespalten. Das sind sehr aufwendige Versuche. Um überhaupt die Elektronenbewegungen messen zu können, haben wir rund zehn Jahre lang unsere Experimente entwickelt.

Download [214KB, 2573 x 1819]
'Solarzelle und Elektrolyseur in einer baulichen Einheit, die kleiner ist, als als ein Haar dick ist. Mithilfe der Röntgenstrahlung bei DESY lassen sich die elektronischen, strukturellen und chemischen Eigenschaften solcher 'Mini-Kraftwerke' untersuchen und verstehen - und letztendlich auch optimieren. Abbildung: Simone Techert.
Was ist für die Zukunft geplant?

Wir planen konkret mit unseren Solarsystemen, die sehr winzig sind und hocheffektiv Strom erzeugen, in die nächste Anwendungsphase zu gehen. Wir untersuchen weiterhin gemeinsam mit anderen DESY-Arbeitsgruppen und unseren Kollegen, wie sich diese Zellen umweltschonender herstellen lassen, wir versuchen ihre jetzt schon vorhandene Biokompatibilität weiter zu steigern und sie wiederverwertbar aufzubauen. Ich denke, in absehbarer Zukunft kann man diese Solarzellen wie Farbe auf Dächer oder Hauswände sprühen. Im nächsten Schritt möchten wir dann unsere Mini-Einheiten aus Solarzellen und Elektrolyseur für die grüne Wasserstoffproduktion in die Anwendung bringen.

Noch eine persönliche Frage: Wie nachhaltig gestalten Sie Ihren Alltag?

Ich muss tatsächlich beim gemeinsamen Abendessen in der Familie Rechenschaft abgeben über meine CO2-Bilanz. Dadurch, dass meine Arbeitsgruppe und ich die Röntgen-Experimente bei DESY machen können, konnte ich meinen Abdruck bestimmt um einen Faktor 1000 reduzieren. Denn zuvor musste ich regelmäßig nach Stanford in Kalifornien fliegen, das fällt zum Glück mittlerweile weg. Ansonsten nutze ich, wenn möglich, den Öffentlichen Nah- und Fernverkehr und mein Rad, ein Wasserstoff-Auto fahre ich nicht.

Mehr dazu im Helmholtz Sustainability Talk bei DESY:

  • Dr. Peter Tschentscher (Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg)
  • Prof. Dr. Katja Bühler (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung sowie
    Mitglied des Nationalen Wasserstoffrates)
  • Martin Kaiser (Geschäftsführung Greenpeace e.V.)
  • Prof. Dr. Claudia Kemfert (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung)
  • Prof. Dr. Simone Techert (DESY)

Livestream unter www.helmholtz-nachhaltigkeit.de und www.desy.de/youtube