DESY News: Nanomaterialien in 3D-Röntgenperspektive

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15.01.2021
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Nanomaterialien in 3D-Röntgenperspektive

Ein neues Röntgenverfahren soll bisher nicht mögliche Echtzeit-Aufnahmen von wachsenden Nanokristallen liefern. Ein Team von DESY und der Universität Hamburg hat dazu aus einer zweidimensionalen Durchleuchtung eines chemischen Reaktors dreidimensionale Schnittbilder von Nanostrukturen erzeugt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzten dazu die Methode der Röntgenptychographie, bei der aus der Überlagerung (Interferenz) im Gleichtakt schwingender (kohärenter) Röntgenlichtwellen rechnerisch ein Bild gewonnen wird. Das Team präsentiert seine Ergebnisse im Fachblatt „Scientific Reports“.

Die untersuchten 'ausgewachsenen' Kupferoxid-Nanowürfel unter dem Elektronenmikroskop. Die größten Würfel im Bild haben eine Kantenlänge von einem halben tausendstel Millimeter. Damit sind sie so groß wie die Wellenlänge von sichtbarem Licht und daher mit einem normalen Mikroskop nicht aufzulösen. Bild: UHH, Lukas Grote
Nanopartikel finden breite Anwendung von der Medizin, etwa zur Behandlung von Krebserkrankungen, bis zur Energiegewinnung aus Sonnenlicht. Dabei übertreffen sie in ihrer Wirksamkeit herkömmliche Materialien jedoch nur dann, wenn man ihre Form, Größe und Zusammensetzung speziell für die jeweilige Anwendung anpasst.

Um jedoch Nanomaterialien mit gut kontrollierbaren Eigenschaften herstellen zu können, reicht es in den meisten Fällen nicht aus, nur das Endergebnis eines Herstellungsprozesses zu untersuchen. Man wünscht sich, alle Stadien der Synthese von der Entstehung wenige Nanometer kleiner Kristalle bis zur Ausbildung ihrer endgültigen Form live beobachten zu können, um diese Vorgänge gezielt zu steuern.

Den Forschenden von DESY und der Universität Hamburg ist es nun gelungen, mithilfe der Röntgenptychographie diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen. „Unser Ziel war es, Nanowürfel aus Kupferoxid zu beobachten in dem Moment, in dem sie in einer Flüssigkeit wachsen“, berichtet Hauptautor Maik Kahnt von DESY, der heute an der Röntgenlichtquelle MAX IV in Schweden arbeitet. „Dabei klären wir die Frage ob diese Nanowürfel überhaupt mit modernen röntgenbasierten Bildgebungsverfahren durch den Behälter hindurch aufgelöst und abgebildet werden können“, ergänzt Ko-Autor Lukas Grote von der Universität Hamburg. „Und wir zeigen, dass dies sehr wohl möglich ist.“

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Einer der befüllten Versuchsbehälter aus dem Röntgenexperiment. Um Kupfer(1)-Oxid-Nanowürfel darin wachsen zu lassen, muss der Behälter für mindestens eine Stunde auf mehr als 150 Grad Celsius erhitzt werden, wobei die Temperatur exakt gesteuert werden muss. Bild: DESY, Martin Seyrich
Dank der einmalig hohen Kohärenz der Röntgenstrahlung aus DESYs Synchrotronstrahlungsquelle PETRA III konnten die Forscherinnen und Forscher aus einer einzigen zweidimensionalen Projektion durch einen chemischen Reaktor dreidimensionale Informationen über die darin gewachsenen Nanopartikel gewinnen. „Mit Ptychographie können wir mehrere Schnittbilder durch das Volumen eines chemischen Reaktors erhalten, obwohl wir diesen nur aus einer Richtung durchleuchten,“ erläutert Kahnt. „Das zeigt, dass so höchst-aufgelöste Bilder innerhalb eines vergleichsweise dicken Gefäßes gemacht werden können, ohne dabei durch diese Dicke behindert zu sein.“

Die Ptychographie-Methode hat somit das Potenzial, die Entstehung von Nanomaterialien in Echtzeit zu verfolgen. „Nach unserem Wissen ist es das erste Mal dass diese Methode im Zusammenhang mit einem chemischen Reaktor verwendet wurde“, berichtet Grote. „Nanomaterialien unter realen Bedingungen mit Röntgenbildgebung zu beobachten, ist dennoch mit vielen technischen Schwierigkeiten verbunden, da ihre Herstellung in einem flüssigen Medium bei hohen Temperaturen und unter hohem Druck abläuft.“

Die Beteiligten an der Zusammenarbeit zwischen dem Center for Hybrid Nanostructures (CHyN) an der Universität Hamburg und DESY sind jedoch zuversichtlich, dass dies in Zukunft gelingen wird. Das Innere von chemischen Reaktoren annähernd in 3D beobachten zu können, hat auch eine große technologische Bedeutung, betont CHyN-Gruppenleiterin Dorota Koziej: „Unser letztendliches Ziel ist die kontrollierte Herstellung maßgeschneiderter Nanomaterialien, etwa für die Anwendung als Katalysatoren zur Gewinnung grüner Energie, oder als kostengünstige Sensoren für Schadstoffe in der Luft.“

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Schema des Versuchsaufbaus: der Röntgenstrahl (rot) wird auf den Versuchsbehälter (Reaktor) fokussiert und durchdringt dabei das Eintrittsfenster, das Austrittsfenster und die beheizte Flüssigkeit dazwischen, bevor er auf den Detektor trifft. Durch die Streuung an den Kupferwürfeln auf den Innenseiten der Fenster entstehen auf dem Detektor Streubilder. Aus diesen lassen sich höchstauflösende Bilder der Kupferwürfel errechnen. Bild: MAX IV, Maik Kahnt
„Dieses Vorhaben mithilfe der ebenfalls stetig genauer werdenden Röntgenmikroskopie zu verwirklichen, ist Gegenstand des Projekts ‚XStereoVision‘ innerhalb der schwedisch-deutschen Forschungskooperation Röntgen-Ångström Cluster“, sagt Forschungsleiter Christian Schroer von DESY.  Er sieht ein großes Potenzial der dreidimensionalen, hochauflösenden Röntgenmikroskopie darüber hinaus zur Klärung vieler offener Fragen in den Nanowissenschaften.

 

Originalpublikation:

Multi-slice ptychography enables high-resolution measurements in extended chemical reactors; Maik Kahnt, Lukas Grote, Dennis Brückner, Martin Seyrich, Felix Wittwer, Dorota Koziej und Christian G. Schroer; „Scientific Reports“, 2021; DOI: 10.1038/s41598-020-80926-6