DESY News: Forschungsteam von der Universität Hamburg und DESY arbeitet an neuem Corona-Schnelltest

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20.11.2020
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Forschungsteam von der Universität Hamburg und DESY arbeitet an neuem Corona-Schnelltest

Test soll kostengünstig, schnell und mobil einsetzbar sein

Die Corona-Pandemie ist noch lange nicht vorbei und der Bedarf an schnellen, effizienten Tests ist hoch. Bisher wurden mehr als 26 Millionen Labortests für SARS-CoV-2 durchgeführt und eine große Zahl wird in den kommenden Wochen hinzukommen. Die zwei aktuell verfügbaren Testmethoden brauchen entweder eine aufwändige Bearbeitung im Labor, was Zeit kostet (PCR-Methode = Echtzeit-Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion), oder sind nicht genau genug, um auch Patientinnen und Patienten mit geringer Viruslast korrekt zu diagnostizieren (Schnelltests). Ein interdisziplinäres Forschungsteam von der Universität Hamburg und DESY will nun einen neuen Test zum Screening von Infektionen mit SARS-CoV-2 entwickeln, der kostengünstig, schnell und mobil durchführbar sein soll.

Ein Kunststoffelement mit Mikro- und Nanokanälen, welche die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Nachweis von Biomolekülen (wie DNA) verwenden. Foto: Irene Fernandez-Cuesta
„Wir wollen einen hochempfindlichen Test für das Coronavirus und andere Virenarten entwickeln, der viel schneller arbeitet und für den kein Labor benötigt wird", sagt Dr. Irene Fernandez-Cuesta vom Fachbereich Physik der Universität Hamburg. Außerdem soll der Test quantitativ sein, um Infektionen in frühen Stadien zu erkennen. Die gesamte Testausrüstung soll zudem die Größe einer Mikrowelle haben, innerhalb von Minuten ein Ergebnis liefern und damit auch Tests vor Ort, zum Beispiel in Altersheimen oder Flughäfen, ermöglichen. 

Für die geplante Methode wird in einem ersten Schritt eine Probe aus Mund, Nase oder Rachen der zu untersuchenden Person entnommen. Doch dann soll es anders weitergehen als bisher: Die Flüssigkeitsprobe wird auf einen neu entwickelten Plastikchip gelegt, in ein spezielles Auslesegerät eingeführt und auf zwei verschiedenen Ebenen geprüft: Erstens wird ein schnelles Screening auf das Vorhandensein von Coronaviren durchgeführt, indem diese einzeln nachgewiesen und gezählt werden; Proben, in denen keine Viren gefunden werden, können als SARS-CoV-2-negativ betrachtet werden. Fällt der Test positiv aus, kann die Probe in einem zweiten Schritt weiter untersucht werden, zum Beispiel durch Analyse der RNA des Virus. „Diese Art der Ablesung könnte Aufschluss über die Viruslast der Patientin bzw. des Patienten geben und funktioniert auch bei sehr niedrigen Konzentrationen, was der Schlüssel ist, um Infektionen in frühen Stadien zu erkennen", sagt Fernandez-Cuesta.

Ein interdisziplinäres Team arbeitet an der Entwicklung des Tests: Fernandez-Cuesta, die seit Kurzem auch Young Investigator Group Leader am Exzellenzcluster „CUI: Advanced Imaging of Matter“ ist und am neuen Hamburger Advanced Research Centre for Bioorganic Chemistry (HARBOR) angesiedelt ist, versammelt in ihrer Forschungsgruppe Erfahrungen in den Nanowissenschaften und der Nanotechnologie. Ihr Team, vor allem Franziska Esmek, wird die Chips sowie den Virion- und RNA-Nachweis entwickeln. In den vergangenen Jahren haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits eine Methode für den Nachweis und die Analyse einzelner DNA-Moleküle in Echtzeit entwickelt. Diese Ergebnisse wurden in biomedizinischen Proben und Bakteriophagen getestet und bilden die Grundlage des Projekts.  Das Team bei DESY unter der Leitung von Prof. Dr. Ingrid-Maria Gregor und Dr. Sergio Diez wird die Teststation für die tragbare und hochempfindliche In-situ-Analyse entwerfen und bauen. Hierbei ist die Erfahrung des DESY-Teams in der Entwicklung von hochpräzisen Detektoren für die Teilchenphysik von zentraler Bedeutung, denn das Zusammenspiel der Nanokanäle und des Detektors im Schnelltest stellt eine große feinmechanische Herausforderung dar. Außerdem können die Physiker*innen ihre Erfahrungen im Bereich der Mustererkennung einbringen, um das Testergebnis zu beschleunigen. 

„Unsere DESY-ATLAS-Gruppe verfügt über eine breite Expertise in der Präzisionsmontage von Detektoren bis in den Mikrometerbereich“, sagt Dr. Sergio Diez Cornell. „Unsere Teilchendetektoren sind winzige Präzisions-Maschinen, und oft müssen wir hochpräzise mechanische Werkzeuge für den Zusammenbau und Test dieser komplexen Strukturen entwickeln, Automatisierungsmethoden erproben und optische Mustererkennungstechniken anwenden. All diese Fähigkeiten und Merkmale sind der Schlüssel zum Erfolg dieses Projekts.“

In vier Projektphasen soll der Testaufbau zur Marktreife gebracht werden; in der momentanen Phase 1 geht es zunächst darum, die Funktionsfähigkeit der Tests zu demonstrieren und den tragbaren Testaufbau zu entwickeln. Hierfür stellen die Strategiefonds von DESY und der Universität Hamburg Mittel zur Verfügung. Die Forscherinnen und Forscher werden die Arbeit mit Unterstützung der Universität Hamburg, des Exzellenzclusters CUI und DESYs, in enger Zusammenarbeit mit dem Bereich Innovation & Technologietransfer von DESY, mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und dem Centre for Structural Systems Biology (CSSB) aufnehmen. „Darüber hinaus werden wir die Mittelbeschaffung fortsetzen“, sagt Fernandez-Cuesta. „Denn die Technologie ist nicht auf SARS-CoV-2 beschränkt, sondern kann leicht für die Analyse anderer Viren oder Mikroorganismen angepasst werden.“ 

Langfristig wird für das zu entwickelnde Produkt eine Ausgründung durch die verantwortlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler avisiert. Hier steht bereits jetzt das DESY Start-up Office unterstützend zur Seite. Durch die Vielseitigkeit des Tests ergeben sich potentiell eine Reihe von Anwendungsfeldern.