DESY News: Ein Katalysator zum Ein- und Ausschalten

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23.09.2020
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Ein Katalysator zum Ein- und Ausschalten

Messungen der TU Wien an DESYs Röntgenquelle PETRA III erklären elektrochemische Eigenschaft

Ein Wiener Forschungsteam hat zusammen mit DESY-Wissenschaftlern an DESYs Röntgenquelle PETRA III die Funktionsweise eines schaltbaren Katalysatormaterials aufgeklärt: Die Verbindung aus Lanthan, Strontium, Eisen und Sauerstoff lässt sich gezielt zwischen zwei Zuständen hin und her schalten, in denen sie katalytisch stärker und weniger stark aktiv ist. Die Röntgenuntersuchungen zeigen nun, wie dieser Schaltvorgang abläuft. Die Ursache der unterschiedlichen Eigenschaften liegt demnach im Verhalten winziger Eisenoxid-Nanopartikel an der Oberfläche. Wie das Team um Alexander Opitz von der Technischen Universität (TU) Wien im Fachblatt „Nature Communications“ berichtet, sind für den Schaltvorgang keine hohen Temperaturen nötig, was das Material interessant für viele Anwendungen macht und die Entwicklung besserer Katalysatoren ermöglichen soll.

Typische Probe: Perowskit-Dünnfilmelektrode auf Y-dotiertem Zikroniumdioxid-Einkristall. Foto: TU Wien Linkhttps://www.tuwien.at/tu-wien/aktuelles/news/news/ein-katalysator-zum-ein-und-ausschalten/
Die Elektrochemie spielt eine immer größere Rolle: Egal ob es um Brennstoffzellen, Elektrolyse oder chemische Energiespeicher geht – überall dort verwendet man chemische Reaktionen, die mit elektrischem Strom gesteuert werden. Entscheidend ist dabei, dass die Reaktionen möglichst rasch und effizient ablaufen. „Seit Jahren verwenden wir Perowskite für unsere elektrochemischen Experimente“, sagt Forschungsleiter Opitz von der TU Wien. „Das ist eine sehr vielfältige Materialklasse, manche Perowskite eigenen sich sehr gut als Katalysator.“ Die Oberfläche der Perowskite kann dazu dienen, bestimmte Reaktionspartner leichter miteinander in Kontakt zu bringen oder auch wieder zu trennen. „Vor allem haben Perowskite den Vorteil, dass sie durchlässig für Sauerstoff-Ionen sind. Dadurch leiten sie elektrischen Strom, und das machen wir uns zunutze“, erklärt Opitz.

Wenn man eine elektrische Spannung an den Perowskit anlegt, dann werden Sauerstoff-Ionen von ihrem Platz gelöst und wandern durch das Material. „Überschreitet die Spannung einen bestimmten Wert, führt das dazu, dass auch Eisenatome im Perowskit zu wandern beginnen“, erläutert Ko-Autor Vedran Vonk aus dem DESY-Nanolab. „Sie bewegen sich an die Oberfläche und bilden dort winzige Nanopartikel, mit einem Durchmesser von nur wenigen millionstel Millimetern. Und genau diese Nanopartikel sind ausgezeichnete Katalysatoren.“ 

Durch diesen Prozess erhöht sich die katalytische Aktivität des Materials, interessanterweise ist dieses Verhalten jedoch umschaltbar: „Wenn man die elektrische Spannung umkehrt, dann geht die katalytische Aktivität wieder zurück. Und bisher war unklar, woran das liegt“, sagt Opitz. „Manche Leute hatten vermutet, dass die Eisenatome einfach wieder zurück in den Kristall wandern, aber das stimmt nicht. Um den Ein- und Ausschalt-Effekt zu ermöglichen, müssen die Eisenatome ihren Platz an der Materialoberfläche gar nicht verlassen.“

Das Forschungsteam der TU Wien arbeitete mit dem DESY-Team zusammen, um dort die Struktur der Nanopartikel mit Röntgenstrahlen genau zu analysieren, während die chemischen Prozesse ablaufen. Bei den Untersuchungen an der Messstation P07 von DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III zeigte sich, dass die Nanopartikel zwischen zwei verschiedenen Zuständen hin und her wechseln – je nachdem, welche Spannung angelegt wird: „Wir können das Eisen umschalten, zwischen einem metallischen und einem oxidischen Zustand“, sagt Opitz. Die angelegte Spannung entscheidet darüber, ob die Sauerstoff-Ionen im Material in Richtung der Eisen-Nanopartikel gepumpt werden, oder von ihnen weg. Damit kann man steuern, wie viel Sauerstoff in den Nanopartikeln enthalten ist, und abhängig von der Sauerstoffmenge können die Nanopartikel zwei unterschiedliche Strukturen bilden – eine sauerstoffreiche, oxidische, mit geringer katalytischer Aktivität und eine sauerstoffarme, metallische, die katalytisch sehr aktiv ist.

„Das ist für uns eine sehr wichtige Erkenntnis“, betont Opitz. „Würde das Umschalten zwischen den zwei Zuständen nämlich dadurch entstehen, dass die Eisenatome des Nanopartikels wieder in den Kristall zurückdiffundieren, würde man immer sehr hohe Temperaturen benötigen, um diesen Prozess effizient ablaufen zu lassen. Dadurch, dass wir nun verstehen, dass der Aktivitätswechsel nicht mit Diffusion von Eisenatomen sondern mit dem Wechsel zwischen zwei unterschiedlichen Kristallstrukturen zu tun hat, wissen wir auch, dass vergleichsweise niedrige Temperaturen ausreichen können. Das macht diesen Typ Katalysator noch interessanter, weil er damit potenziell auch für die Beschleunigung technologisch relevanter Reaktionen eingesetzt werden kann.“

Dieser katalytische Mechanismus soll nun weiter untersucht werden, auch bei geringfügig anders zusammengesetzten Materialien. Er könnte für viele Anwendungen eine Effizienzsteigerung bringen. „Gerade für chemische Reaktionen, die im Energiebereich wichtig sind, ist das hochinteressant“, sagt Opitz. „Etwa, wenn es um die Gewinnung von Wasserstoff oder Synthesegas geht, oder um Energiespeicherung durch die Herstellung von Treibstoff mit elektrischem Strom.“

 

Originalveröffentlichung:
Understanding electrochemical switchability of perovskite-type exsolution catalysts; Alexander K. Opitz, Andreas Nenning, Vedran Vonk, Sergey Volkov, Florian Bertram, Harald Summerer, Sabine Schwarz, Andreas Steiger-Thirsfeld, Johannes Bernardi, Andreas Stierle, Jürgen Fleig; „Nature Communications“, 2020; DOI: 10.1038/s41467-020-18563-w

 

Quelle: Pressemitteilung der TU Wien