DESY News: Salzsäure bringt Katalysatoren auf Trab

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07.09.2020
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Salzsäure bringt Katalysatoren auf Trab

Röntgenuntersuchung zeigt veränderte Struktur von verbessertem Material

Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) hat ein Syntheseverfahren entwickelt, mit dem sich die Aktivität von Katalysatoren zur Erdöl-Entschwefelung um ein Vielfaches steigern lässt. Das spezielle Katalysatormaterial wird dazu mit Salzsäure behandelt. Untersuchungen an DESYs Röntgenquelle PETRA III zeigen die Struktur des behandelten Katalysatormaterials und erlauben Rückschlüsse auf die gesteigerte Effizienz. Das neue Verfahren lässt sich möglicherweise auch für Katalysatoren in Brennstoffzellen einsetzen, berichtet das Team unter der Leitung der TUM-Wissenschaftler Johannes Lercher und Hui Shi im Fachblatt „Science Advances“.

Nickel-Molybdänsulfid-Katalysator nach der Säurebehandlung. Bild: TUM, Manuel Wagenhofer Linkhttps://www.tum.de/nc/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/details/36199/
Erdöl enthält sehr viel Schwefel. Um daraus Kraftstoffe zu machen, müssen die Schwefelverbindungen mit Hilfe von Wasserstoff entfernt werden. Hydrotreating nennen Fachleute dieses Verfahren, das mit Hilfe von Katalysatoren realisiert wird. Das Hydrotreating ist einer der wichtigsten, katalytischen Prozesse – sowohl im Hinblick auf die eingesetzten Katalysatormengen als auch in Bezug auf die Menge der verarbeiteten Rohstoffe. Mit Wasserstoff unter hohem Druck werden dabei Verunreinigungen wie Schwefel- oder Stickstoffverbindungen möglichst vollständig aus dem Rohöl entfernt.

„Derartige Verunreinigungen würden später zu Schwefeldioxid und Stickoxiden verbrennen, was negative Auswirkungen auf die Umwelt, vor allem auf die Luftqualität zur Folge hätte“, sagt TUM-Forscher Manuel Wagenhofer, Erstautor der Studie. Zudem würden Schwefel- und Stickstoffverbindungen auch Edelmetalle in Abgaskatalysatoren moderner Fahrzeuge beschädigen und ihre Wirksamkeit drastisch verringern.

Die TUM-Chemiker untersuchten solche Mischmetallsulfid-Katalysatoren auf ihre Wirksamkeit beim Hydrotreating. Dazu synthetisierten sie in mehreren Prozessschritten zunächst Nickel-Molybdän-Sulfide, im Anschluss behandelten sie sie mit Säure. „Es war erstaunlich, wie stark die Zugabe von konzentrierter Salzsäure die katalytische Leistung erhöht“, sagt Wagenhofer. „Salzsäure verbessert die Zugänglichkeit zu aktiven Zentren in den Katalysatoren, indem es weniger aktive Komponenten, vor allem Nickelsulfide, entfernt. Es entstehen reinere und damit aktivere Mischmetallsulfide.“

Die Wissenschaftler untersuchten das verbesserte Katalysatormaterial an der Messstation P65 von DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III. „Dank der Feinstruktur-Röntgenabsorptionsspektroskopie XAFS lässt sich ein Strukturmodell für die aktiven Phasen des Katalysators entwickeln“, berichtet DESY-Forscher Edmund Welter, Leiter der Messstation. „Dabei zeigt sich, dass die aktive Phase Nickel ist, das in die Molybdänsulfid-Struktur eingebaut ist, und nicht etwa fein verteilte reine Nickelsulfid-Phasen.“

Die Ergebnisse sind auch für die Grundlagenforschung von großer Bedeutung. Die gereinigten Mischmetallsulfide lassen sich nämlich wissenschaftlich leichter untersuchen. „Wir konnten dadurch beispielsweise an den so behandelten Katalysatoren aktive Zentren identifizieren und quantifizieren“, erklärt Forschungsleiter Lercher. „Das war nur möglich, weil die Oberfläche nicht mehr mit Nickelsulfid belegt war.“

Prinzipiell lasse sich die Säurebehandlung als Untersuchungsinstrument für eine Reihe ähnlicher Katalysatoren nutzen, um diese zu optimieren, etwa auch für die Anwendung mit Ölen aus nachwachsenden Rohstoffen, die künftig in Raffinerien zu klimaneutralen Kraftstoffen umgewandelt werden sollen. „Wenn wir Mischmetallsulfid-Katalysatoren besser verstehen, können wir sie eventuell auch für den Einsatz in anderen wichtigen Zukunftsfeldern wie Wasserelektrolyse oder Wasserstoff-Brennstoffzellen dramatisch verbessern“, sagt Lercher.

Teile der Arbeit wurden durch die Chevron Energy Technology Company und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Verbundprojekts MatDynamics gefördert.

 

Originalveröffentlichung:
Enhancing hydrogenation activity of Ni-Mo sulfide hydrodesulfurization catalysts; Manuel F. Wagenhofer, Hui Shi, Oliver Y. Gutierrez, Andreas Jentys, Johannes A. Lercher; „Science Advances“, 2020; DOI: 10.1126/sciadv.aax5331