30. Internationale Teilchenphysik Konferenz (ICHEP 2000) in Osaka, Japan

Vom 27.Juli. bis 2. August findet in Osaka die 30. International Conference on High Energy Physics, ICHEP 2000, statt. Bei diesem größten internationalen Treffen der Hochenergiephysik diskutieren etwa 1000 Physiker die neuesten Ergebnisse und die zukünftigen Entwicklungen der Teilchenphysik. Insgesamt wurden mehr als 70 schriftliche Konferenzbeiträge über die experimentellen Ergebnisse vom HERA-Speicherring am DESY eingereicht - dazu kommen die Beiträge der DESY Theoriegruppe sowie der Gruppen von DESY-Zeuthen.

ICHEP-Poster

Die wichtigsten HERA-Ergebnisse werden in 23 Fachvorträgen vorgestellt - außerdem werden drei Plenarvorträge von Mitgliedern der HERA-Experimente oder DESY Mitarbeiter gehalten. Eine kleine Auswahl von Ergebnissen soll hier kurz dargestellt werden - mehr Details, besonders für Experten, findet man über die entsprechenden WWW-Links.

Ereignisse bei höchsten Impulsüberträgen: 1997 ließen die beiden HERA-Experimente H1 und ZEUS die Fachwelt aufhorchen: Es gab einen Überschuss von Ereignissen bei hohen Impulsüberträgen in tief-unelastischer Elektron-Proton-Streuung. Drei Interpretationen waren möglich: Es hätten Leptoquarks, also gebundene Zustände von Leptonen und Quarks, sein können oder Hinweise auf eine neue Wechselwirkung oder die ersten Anzeichen für die Existenz der Supersymmetrie. Aber ebenso konnte nicht ausgeschlossen werden, dass es sich nur um einen 'statistischen Ausreißer' handelte.
Dank des ausgezeichneten Betriebs von HERA wurde inzwischen die Datenmenge der beiden HERA-Experimente um etwa einen Faktor fünf erhöht. Die Auswertung der neuen Daten zeigt nun, dass es sich bei dem Effekt um einen statistischen Ausreißer gehandelt hat und neue Phänomäne mit der 1997 gefundenen Produktionswahrscheinlichkeit bei HERA ausgeschlossen werden können.

Strukturfunktion des Protons bei höchsten Impulsüberträgen: Inzwischen konnten die beiden HERA-Experimente Daten entsprechend einer Luminosität (H1 / ZEUS) von jeweils mehr als 100 pb-1 mit Positronen und etwa 25 pb-1 mit Elektronen aufzeichnen. Damit kann zum ersten Mal in Elektron/Positron-Proton-Streuung die Protonstrukturfunktion xF3, welche von der Interferenz der schwachen mit der elektromagnetischen Kraft herrührt, direkt gemessen werden. Die Messergebnisse von H1 und ZEUS stimmen mit den Vorhersagen des Standardmodells der Teilchenphysik bestens überein.
Die Messergebnisse von H1 und ZEUS zeigen, dass bei hohen Impulsüberträgen Prozesse der elektromagnetischen und schwachen Wechselwirkung etwa gleich häufig vorkommen. Aus dieser Messung kann man direkt die Vereinheitlichung der beiden Kräfte zur "elektro-schwachen" Kraft ablesen.

Strukturfunktion des Protons bei sehr kleinen Werten von x und Q2: Durch Detektorverbesserungen gelang es den beiden Experimenten H1 und ZEUS die Präzisionsmessung der Protonstrukturfunktion F2 zu kleinen x- und Q-Werten weiter auszudehnen. x beschreibt den Anteil am Protonimpuls, den das gestreute Quark besaß, Q ist der Impulsübertrag vom Elektron auf das Quark. Diese Messungen sind interessant, da sie in jenen Bereich vordringen, in dem die Rechnungen der QCD (Quantenchromodynamik) versagen. Sie sollten uns der Beantwortung der Frage nach dem Confinement (warum gibt es keine freien Quarks?) näherbringen.

Starke Kopplungskonstante: Die Stärke der starken Kraft wird durch die Kopplungskonstante aS beschrieben. Die Theorie der starken Wechselwirkung sagt vorher, dass aS gar keine Konstante ist, sondern sich als Funktion des Abstandes, bzw. der Energie, bei der die starke Kraft untersucht wird, charakteristisch ändert. Auf der Konferenz wurde von der H1-Kollaboration eine neue Bestimmung von aS aus den genauen Werten der Strukturfunktion des Protons, die vor allem bei HERA gemessen wurden, vorgestellt. Das Ergebnis von 0.1150 ± 0.0017 (experimenteller Fehler) ± 0.0012 (Annahmen der Anpassung) zeichnet sich durch die besonders große experimentelle Genauigkeit aus. Die etwa dreimal größeren theoretischen Unsicherheiten von ± 0.005 verlangen nach weiteren theoretischen Untersuchungen. Die Übereinstimmung dieses Wertes mit anderen Ergebnissen, wie auch mit anderen Messungen bei HERA, ist ein großer Erfolg der QCD (Quantenchromodynamik), der Theorie der starken Wechselwirkung.

Suche nach direkter Erzeugung des Top-Quarks bei HERA: Bei dem 1994 am FNAL in den USA entdeckten Top-Quark, handelt es sich um das schwerste und voraussichtlich auch letzte der insgesamt sechs Quarks. Wegen seiner hohen Masse, erwartet man, dass es besonders empfindliche Suchen nach Abweichungen vom Standardmodell der Teilchenphysik erlaubt. Die beiden HERA-Experimente H1 und ZEUS haben untersucht, ob Top-Quarks bei HERA einzeln erzeugt werden. Dies wäre ein direkter Hinweis auf die Verletzung der im Standardmodell geforderten Erhaltung Quarkfamilienzahl in Ereignissen, in denen ein neutrales Botenteilchen die Wechselwirkung bewirkt (FCNC - Flavour Changing Neutral Currents). Es wurden keine Ereignisse mit diesen Eigenschaften gefunden und somit konnte nur eine obere Grenze für diesen Effekt angegeben werden. Wie die unten verlinkte Abbildung zeigt, schließen diese Ergebnisse einen weiten Bereich der Stärke der Kopplung von Top-Quarks an Photonen und an Quarks der ersten Familie, aus denen das Proton aufgebaut ist, aus.