06.09.2013

Eisen in der Sonne: ein Treibhausgas für Röntgenlicht

Neuartige Röntgenspektroskopie hochgeladener Eisen-Ionen liefert wertvolle Daten für die Astrophysik

Wissenschaftler des Heidelberger MPI für Kernphysik (MPIK) haben in Kooperation mit DESY an der Röntgenquelle PETRA III erstmals die Röntgenabsorption von hochgeladenen Eisen-Ionen systematisch untersucht. Zur Erzeugung und Speicherung der Ionen verwendeten sie eine am MPIK entwickelte transportable Ionenfalle. Die hochpräzisen Messungen liefern wichtige neue Erkenntnisse zur Rolle hochgeladener Ionen in astrophysikalischen Plasmen, z. B. für den Strahlungstransport in Sternen.

Schematischer Aufbau der Sonne: Die im Zentrum durch Kernfusion von Wasserstoff zu Helium erzeugte Energie wird zunächst durch Strahlung nach außen transportiert. Im äußeren Bereich erfolgt der Energietransport über Konvektion. Grafik: Kelvinsong, modifiziert durch MPIK

Hochgeladene Ionen – das heißt, Atome, denen viele Elektronen entrissen wurden – spielen eine wichtige Rolle in der Astrophysik. Betrachtet man die großen Ansammlungen sichtbarer (leuchtender) Materie im Universum, so ist der hochgeladene Zustand die natürliche Erscheinungsform – in Sternatmosphären wie auch in ihrem Inneren bei Temperaturen von einigen Millionen Grad Celsius. Auch in der Umgebung exotischer Objekte, wie z. B. Neutronensternen oder Schwarzen Löchern kommen sie vermehrt vor. Bevor Materie in diese hineinstürzt, gewinnt sie beim Fall im Gravitationsfeld Energie, erhitzt sich extrem und sendet Röntgenstrahlung aus, die beobachtet werden kann.

Röntgenstrahlung bestimmt auch den Energietransport in unserer Sonne. In ihrem Kern läuft ein natürliches Fusionskraftwerk mit einer Gesamtleistung von etwa 4∙1026 Watt bei einer Temperatur von 15 Millionen Grad. Die Leistungsdichte von nur 200 Watt pro Kubikmeter nimmt sich dagegen bescheiden aus und entspricht etwa der eines Komposthaufens – im Gegensatz zu einem solchen ist die Sonne jedoch sehr groß. Würde nun der Sonnenkern ungehindert bei diesen Temperaturen Röntgenlicht abstrahlen, so entspräche dies einer Leistung, welche die Fusionsleistung im Inneren um 11 Größenordnungen überträfe. Die Sonne funktioniert, weil der Strahlungstransport nach außen gehemmt wird, um die hohe Temperatur im Kern aufrecht zu erhalten. Konvektion, bei der heiße Materie transportiert wird, setzt erst weiter außen bei ca. 70% des Sonnenradius ein. Diese gute Isolierung reduziert den Wasserstoffverbrauch und verlängert die Brenndauer unseres Zentralgestirns auf die Milliarden von Jahren, die ein stabiles Planetensystem, und letztendlich das Leben darin benötigen.

Ein Maß für die Hemmung des Strahlungstransports ist die Undurchsichtigkeit, fachsprachlich die ‚Opazität‘ der Sonnenmaterie. Obwohl diese überwiegend aus Wasserstoff und Helium besteht, tragen diese Elemente nur untergeordnet zur Opazität bei. Ihr Anteil sinkt im Bereich der Strahlungszone von ca. 50% auf unter 20%. Den Rest bestimmen die winzigen Verunreinigungen (ca. 1,6% nach Masse) an schwereren Elementen, von den Astronomen pauschal ‚Metalle‘ genannt. Neben Sauerstoff spielt Eisen mit einem Massenanteil von nur 0,14% für Röntgenlicht quasi die Rolle eines Treibhausgases, das mit etwa einem Viertel zur gesamten Opazität beiträgt. Um es zu veranschaulichen: die Gesamtmenge des Eisens in der Sonne entspräche einer massiven Wand von etwa 100 km Dicke am Rande der Strahlungszone bei 500.000 km Radius. Als verdünnte Verunreinigung im Sonnenplasma übernimmt dieses Eisen einen beträchtlichen Teil der Röntgenabschirmung.

Um die Rolle dieser stellaren ‚Spurengase‘ besser zu verstehen und solide Messdaten für den Vergleich mit astronomischen Beobachtungen zu gewinnen, haben Physiker um José R. Crespo López-Urrutia vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) in Kooperation mit Kollegen von DESY (Hamburg) und weiteren acht Institutionen weltweit hochgeladene Eisen-Ionen in acht verschiedenen Ladungszuständen systematisch untersucht. Hierzu hat Jan Rudolph im Rahmen seiner Doktorarbeit mit seinen Kollegen eine am MPIK entwickelte mobile Ionenfalle (EBIT) zur Erzeugung und Speicherung hochgeladener Ionen an PETRA III aufgebaut. Diese Quelle liefert einen der stärksten Röntgenstrahlen weltweit, welcher auf die gefangenen Ionen gelenkt und energetisch durchgestimmt wurde. Damit konnte die Absorption des Röntgenlichtes durch die Eisen-Ionen zum ersten Mal und mit hoher Präzision vermessen werden. Diese neuen laborastrophysikalischen Daten zeigen eine gute Übereinstimmung mit den aktuellsten theoretischen Berechnungen. Von Bedeutung ist neben der charakteristischen Energie der Absorptionslinien im Spektrum ihre (in diesem Experiment auch zum ersten Mal gemessene) natürliche Linienbreite, denn diese bestimmt die maximale Strahlungsleistung, die ein einzelnes Eisen-Ion verarbeiten kann. Diese beträgt für die betrachteten Röntgenübergänge hochgeladener Eisen-Ionen fast ein Watt pro Ion. Dennoch sind Eisen-Ionen selbst in der inneren Strahlungszone bezüglich des Strahlungstransports bei weitem nicht ausgelastet, weil sie millionenfach schneller Röntgenphotonen absorbieren und emittieren können, als normale Atome die viel weniger energetischen Photonen des sichtbaren Lichtes. Diese Kombination aus hohen Raten und hoher Photonenenergie ist für die Dominanz des Eisens in der Strahlungsbilanz entscheidend.

Die neuen Messdaten liefern wertvolle Erkenntnisse für die Berechnungen der Opazität, die als Grundlage von Sternmodellen genutzt werden können. Zudem helfen sie auch bei der Diagnostik astrophysikalischer Plasmen wie z. B. jener um aktive galaktische Kerne oder Doppelsternsysteme, die ein kompaktes Objekt (Neutronenstern oder Schwarzes Loch) enthalten, das Materie des Partnersterns aufsaugt. Die hier untersuchten Eisenröntgenlinien sind in der Regel die letzten spektroskopischen Zeugen solcher Vorgänge.

 

Originalveröffentlichung:
X-Ray Resonant Photoexcitation: Linewidths and Energies of Kα Transitions in Highly Charged Fe Ions; J. K. Rudolph et al.; Physical Review Letters 111, 103002 (2013);  DOI: 10.1103/PhysRevLett.111.103002

Mitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik