04.11.2014

Photosynthese im Röntgenblick

Neue Technik ermöglicht Analyse von Biomolekülen in naturnaher Form

Die Photosynthese gehört zu den wichtigsten Prozessen der Natur. Der komplexe Vorgang, mit dem alle grünen Pflanzen das Sonnenlicht ernten und dabei den Sauerstoff in unserer Luft erzeugen, ist allerdings bis heute nicht im Detail verstanden. An DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III haben Forscher jetzt ein Teilsystem der Photosynthese in einem sehr naturnahen Zustand durchleuchtet. Die Röntgenuntersuchung des sogenannten Photosystems II enthüllt unter anderem zuvor unbekannte Strukturen, wie die Wissenschaftler um Privatdozentin Dr. Athina Zouni von der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin im Fachblatt "Structure" berichten. Die verwendete Technik könnte auch für die Analyse anderer Biomoleküle interessant sein.

Die molekulare Struktur des Photosystems II, das sich in der Zellmembran zu Reihen anordnet. Bild: Martin Bommer/HU Berlin

Das Photosystem II ist jener Teil der Photosynthese-Maschinerie, der Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Es gehört zu den Membranproteinen, sitzt also in der Zellmembran. Membranproteine sind eine große und wichtige Gruppe von Biomolekülen, die unter anderem für zahlreiche medizinische Fragestellungen von Bedeutung sind. Um die Struktur von Proteinen zu entschlüsseln, aus der sich Details über die Funktion eines Biomoleküls erkennen lassen, nutzen Forscher die sehr helle und kurzwellige Röntgenstrahlung von PETRA III und ähnlichen Anlagen. Allerdings müssen aus den Biomolekülen dafür zunächst kleine Kristalle gezüchtet werden. "Denn die Struktur einzelner Moleküle lässt sich auch durch hellstes Röntgenlicht nicht direkt entschlüsseln", erläutert Ko-Autorin und DESY-Forscherin Dr. Anja Burkhardt von der Messstation P11, an der die Versuche stattfanden. "In einem Kristall hingegen ist eine Vielzahl dieser Moleküle hochsymmetrisch angeordnet. Dadurch wird das Signal, das durch Beugung des Röntgenlichts an diesen Molekülen entsteht, verstärkt. Aus den erhaltenen Diffraktionsbildern lässt sich dann die Molekülstruktur errechnen."

Biomoleküle - und insbesondere Membranproteine - lassen sich aber meist nur ungern in Kristallform zwingen, weil es ihrem natürlichen Zustand widerspricht. Die Präparation geeigneter Proben ist daher ein entscheidender Schritt für die gesamte Untersuchung. So muss etwa das Photosystem II zunächst aus der Membran gelöst werden, wo es an zahlreiche kleine Fettmoleküle (Lipide) gebunden ist. Forscher benutzen dazu spezielle Detergenzien, wie sie prinzipiell etwa auch in Seife vorkommen. Der Haken: Statt von Lipiden sind die Biomoleküle nun von Detergenzien umgeben, was den Kristall unter Umständen schwammig macht und damit die Analyse verschlechtert. "Was wir wollen, ist möglichst viel Natur", betont Zouni. Denn je näher die Proteine im Kristall an ihrem natürlichen Zustand sind, desto besser werden die Ergebnisse.

Der Gruppe um Zouni ist es nun gelungen, Kristalle des Photosystems II zu erzeugen, die gar keine Detergenzien mehr enthalten, so dass darin nahezu der natürliche Zustand der Biomoleküle eingefroren ist. "Der Trick war, ein Detergens zu benutzen, das sich von den Lipiden in Zusammensetzung und Struktur stark unterscheidet", erläutert die Berliner Forscherin. Vor der Röntgenuntersuchung von Kristallen aus Biomolekülen wird diesen oft ein Teil des Wassers entzogen und durch ein Gefrierschutzmittel ersetzt. Denn die Kristalle werden für gewöhnlich für die Untersuchung tiefgefroren, damit das energiereiche Röntgenlicht ihnen nicht so schnell schadet, und dabei möchten die Forscher Eisbildung vermeiden. "Die Dehydratisierung hat in unserem Fall den Proben nicht nur das Wasser entzogen, sondern auch komplett das Detergens, das haben wir nicht erwartet", berichtet Zouni. "Was wir dadurch erhalten haben, sind sehr naturnahe Proben, wie sie noch keiner zuvor vorgestellt hat."

Dadurch stieg die räumliche Auflösung in dieser Untersuchung von 0,6 Nanometern (millionstel Millimetern) auf 0,244 Nanometer. Das ist zwar nicht die höchste bislang erreichte Auflösung, mit der das Photosystem II untersucht wurde, aber die Analyse zeigt auch, dass die Proteine des Photosystems II im Kristall in paarweisen Reihen angeordnet sind, wie es in der natürlichen Umgebung der Fall ist.

Elektronenmikroskopische Untersuchungen der Gruppe um Prof. Egbert Boekema an der Universität Groningen in den Niederlanden hatten bereits diese kristallähnliche Anordnung des Photosystems II in der natürlichen Membran gezeigt – wie eine Art winzige Solarzellen. Die Elektronenmikroskopie konnte durch die direkte Beobachtung der natürlichen Membran die Verbindungen der Moleküle besser erkennen, die Röntgenkristallographie kann jedoch kleinste strukturelle Details aufzeigen. "Wir haben die Strukturdaten über Aufnahmen aus dem Elektronenmikroskop gelegt - das passte genau", sagt Zouni. Die Untersuchung enthüllte auch Strukturen, die zuvor nicht sichtbar waren. "Wir können genau sehen, wo sich die Verbindungen zu den Lipiden befinden", berichtet die Forscherin. Je mehr die Wissenschaftler über das Photosystem II erfahren, desto besser verstehen sie seine genaue Funktionsweise.

Das Verfahren mit einem andersartigen Detergens ist jedoch nicht nur für das Photosystem II interessant. "Die Methode kommt potenziell für eine Menge Membranproteine infrage", betont Zouni. Auf diese Weise könnten sich viele Biomoleküle künftig in einem naturähnlicheren Zustand untersuchen lassen als bisher.

 

Orginalarbeit:
"Native-like Photosystem II Superstructure at 2.44 A Resolution through Detergent Extraction from the Protein Crystal"; Julia Hellmich, Martin Bommer et al.; Structure, 2014; DOI: 10.1016/j.str.2014.09.007