14.02.2011

Röntgenstrahlen decken auf, weshalb Van-Gogh-Gemälde ihr Leuchten verlieren

Forscher haben entdeckt, dass eine komplexe chemische Umwandlung für den Verlust der Leuchtkraft auf zwei Gemälden von Vincent Van Gogh und von weiteren Bildern anderer Maler des ausgehenden 19. Jahrhunderts verantwortlich ist. Diese Entdeckung ist ein erster Schritt, um zu verhindern, dass die leuchtenden gelben Farben in vielen der berühmten Bildern Van Goghs nach und nach unter einer bräunlichen Schicht verschwinden und das Original verfälschen. Die Forschungsergebnisse, die nahelegen, betroffene Gemälde so gut wie möglich vor UV- und Sonnenlicht zu schützen, werden am 15. Februar 2011 in der Zeitschrift Analytical Chemistry veröffentlicht.

Die Forschungsarbeit wurde von einer internationalen Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Koen Janssens von der Universität Antwerpen (Belgien) durchgeführt. Die Chemikerin Letizia Monico, die ihre Doktorarbeit an der Universität Perugia anfertigt, nimmt eine zentrale Rolle in diesen Experimenten ein: Als Erasmus-Stipendiatin arbeitete sie ein Jahr lang in Janssens Forschergruppe in Antwerpen und ist auch die Hauptautorin der beiden Veröffentlichungen. Weitere Mitglieder der Forschergruppe sind Wissenschaftler von CNRS Paris, des CNR Perugia, der TU Delft und dem Van Gogh Museum in Amsterdam.

Um den Geheimnissen der chemischen Umwandlung der gelben Farbe mit Hilfe von Synchrotron-Röntgenstrahlung an der ESRF in Grenoble und bei DESY in Hamburg auf die Spur zu kommen, musste eine beeindruckende Vielfalt von analytischen Verfahren angewendet werden. Die Experimente der Wissenschaftler erinnern an eine kriminaltechnische Untersuchung. Mit Hilfe eines mikroskopisch kleinen Röntgenstrahls entdeckten die Forscher eine chemische Reaktion in der Schicht, wo Farbe und Firnis zusammentreffen. In dieser extrem dünnen Schicht von nur einigen Mikrometern Dicke kommt Sonnenlicht mit getrockneter Ölfarbe in Berührung und löst eine bisher unbekannte chemische Reaktion aus, die Chromgelb in braune Pigmente verwandelt und so die ursprüngliche Farbkomposition verändert. Eines der Verfahren, das an den Universitäten Antwerpen und Perugia sowie bei DESY und der ESRF eingesetzt wurde, war die Röntgenbeugung mit verschiedenen Spektroskopien unter Verwendung von Infrarotstrahlung, Elektronen und Röntgenstrahlen.

Van Goghs Entscheidung, diese neuartigen, leuchtenden Farben für seine Gemälde zu verwenden, zählt als wichtiger Meilenstein in der Geschichte der Kunst. Van Gogh kam es bei seiner Farbwahl nicht auf Realitätsnähe, sondern auf Stimmungen und Gefühle an. Das war damals völlig neu – ermöglicht durch die Entwicklung neuer Methoden zur Pigmentherstellung im 19. Jahrhundert. Die Leuchtkraft der neuen industriell hergestellten Farbpigmente, wie z.B. Chromgelb, gab Van Gogh die Möglichkeit, beispielsweise in seinen Sonnenblumenbildern diese Farbintensität zu erzielen. Er verwendete diese leuchtenden Farben, nachdem er aus Holland nach Frankreich gezogen war. Dort lernte er andere Maler kennen, die seine neuen Ideen über Farbwahl teilten. Für seinen Freund Paul Gauguin malte er gelbe Sonnenblumenmotive als Dekoration für sein Schlafzimmer.

Dass Chromgelb unter der Einwirkung von Sonnenlicht nachdunkelt, ist schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt. Allerdings sind nicht alle Gemälde aus dieser Zeit betroffen, und die Eintrübung erfolgte auch nicht immer mit der gleichen Geschwindigkeit. In den 1950er Jahren wechselten die Maler wegen der Giftigkeit von Chromgelb bald auf andere Farben. Vincent van Gogh konnte das nicht; und um seine Werke und die vieler seiner Zeitgenossen zu erhalten, beschäftigt man sich heute wieder intensiv mit dem Problem der Eintrübung von Chromgelb,.

Um das fast 200 Jahre alte chemische Rätsel zu lösen, hat die Gruppe um Janssens zunächst Proben aus drei Farbtuben aus damaliger Zeit entnommen. Nachdem diese Proben 500 Stunden lang unter UV-Licht künstlich gealtert wurden, war nur eine Probe erheblich nachgedunkelt; sie stammte aus dem Nachlass des flämischen Fauvisten Rik Wouters (1882-1913). Innerhalb von drei Wochen war die ursprünglich leuchtend gelbe Oberfläche schokoladenbraun geworden. Diese Probe erwies sich als optimaler Kandidat für die Untersuchung der zerstörerischen chemischen Reaktion, und eine aufwändige Röntgenanalyse am Speicherring DORIS bei DESY in Hamburg und an der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle ESRF in Grenoble brachte zutage, dass die Eintrübung der Deckschicht auf eine Reduktionsreaktion/Umwandlung des Chroms im Chromgelb von Cr(VI) auf Cr(III) zurückzuführen war. Mit Hilfe von Proben aus einer Reproduktion von Wouters Chromgelb stellten die Wissenschaftler fest, dass die Verdunkelung durch UV-Licht verursacht sein könnte.

In einem zweiten Schritt wandten die Forscher nun an der ESRF die gleichen Methoden an, um nachgedunkelte Flächen von den van-Gogh-Gemälden „Blick auf Arles mit Schwertlilien“ (1888) und „Seineufer“ (1887) aus dem Van Gogh Museum in Amsterdam zu untersuchen. In der entscheidenden Phase wurden mit nur einem Röntgenstrahl zwei Verfahren kombiniert, um nachgedunkelte von nicht betroffenen Farbflächen zu unterscheiden und gleichzeitig den Beweis für die Umwandlung von Chrom, d.h. die Reduktion von Cr(VI) auf Cr(III), zu erbringen. Eine ergänzende an der Universität Antwerpen durchgeführte nanoskopische Untersuchung der eingetrübten Farbe mittels Elektronenenergieverlustspektroskopie bestätigte die Ergebnisse und zeigte zudem, dass die neu entstandenen Cr(III)-Verbindungen eine nanometer-dünne Pigmentpartikel-Farbschicht bildeten.

„Diese innovativen Untersuchungsmethoden sind für uns überaus wichtig zum Verständnis, wie Gemälde altern und in welcher Weise sie für kommende Generationen konserviert werden müssen“, so Ella Hendriks vom Van Gogh Museum in Amsterdam.

Da die eingetrübten Schichten in den vielfarbigen Bildern wesentlich schwerer zu lokalisieren waren als in den künstlich gealterten Proben, brauchte man ein umfassendes Analyse-Instrumentarium, so dass die Proben an Forschungslabore in ganz Europa verschickt wurden. Das Ergebnis war, dass dieselbe Reduktionsreaktion von Cr(VI) auf Cr(III) wahrscheinlich auch in den beiden Van-Gogh-Bildern stattfindet.

Der mikroskopisch kleine Röntgenstrahl deckte auch auf, dass Cr(III) besonders stark in der Nachbarschaft von chemischen Barium- und Schwefelverbindungen auftritt. Diese Beobachtung führte zu der Annahme, dass van Goghs Methode, weiße und gelbe Farbe zu mischen, die Eintrübung der gelben Farbe beschleunigt haben könnte.

„Wir planen bereits die nächsten Experimente, da wir der Frage nachgehen möchten, welche Bedingungen die Chromreduktion begünstigen, und ob es überhaupt möglich ist, Pigmente in bereits eingetrübten Gemälden in ihren Ursprungszustand zurückzuführen,“ erklärt Koen Janssens von der Universität Antwerpen.