Geheimnisvoller Rembrandt - Röntgenanalyse soll verstecktes Gemälde enthüllen

Voruntersuchung an aufwendiger Nachbildung des Originalgemäldes

 

Nachbildung des Rembrandt-Gemäldes "Alter Mann in militärischer Kleidung" mit dem daruntergemalten versteckten Porträt. Bild: Andrea Sartorius, © J. Paul Getty Trust (mit Quellenangabe frei für redaktionelle Zwecke)

Hamburg, 24. Januar 2013.Eine ausgeklügelte Röntgentechnik ebnet den Weg, um das Geheimnis eines 380 Jahre alten Rembrandt-Gemäldes zu lüften. Unter dem "Alten Mann in militärischer Kleidung", den der niederländische Meister in den Jahren 1630/31 schuf, hatten frühere Untersuchungen Hinweise auf ein weiteres Porträt erspäht, das alle angewandten Techniken jedoch nur schemenhaft erkennen konnten. Seit Jahren rätseln Kunsthistoriker daher, wer auf dem übermalten Bild dargestellt ist. Mit einer aufwendigen Nachbildung hat ein internationales Forscherteam unter anderem an DESYs Röntgenquelle DORIS und an der National Synchrotron Light Source (NSLS) des US-amerikanischen Brookhaven National Laboratorys (BNL) nun verschiedene Verfahren getestet, um unter das Originalbild zu blicken. Die Ergebnisse sind als Titelgeschichte des Fachblatts "Journal of Analytical Atomic Spectrometry" (JAAS) der britischen Royal Society of Chemistry erschienen.

"Unsere Versuche zeigen einen Weg, wie sich das versteckte Bild weitgehend sichtbar machen lässt", sagt Erstautor Matthias Alfeld von der Universität Antwerpen (Belgien). "Die von uns getestete Röntgenuntersuchung kann so gut wie keine andere bisher verwendete Methode unter das Originalgemälde blicken." Die Forscher bedienten sich der relativ neuen sogenannten großflächigen Röntgenfluoreszenzanalyse (MA-XRF). Dabei bringt energiereiches Röntgenlicht die verschiedenen chemischen Elemente in den verwendeten Pigmenten gezielt zum Fluoreszieren. Aus diesem Leuchten lässt sich die chemische Zusammensetzung der Oberfläche und der darunterliegenden Schichten bestimmen. Indem der Röntgenstrahl das Gemälde komplett abfährt, kann er ein übermaltes Bild sichtbar machen. Die Methode ist unschädlich für das Kunstwerk.

Der "Alte Mann in militärischer Kleidung" war zuvor mit Infrarot-, Neutronen- und klassischer Röntgenstrahlung untersucht worden - ohne befriedigendes Ergebnis. "Das Problem bei Rembrandt ist, dass er weitgehend dieselben Farben mit derselben chemischen Zusammensetzung für das übermalte und für das endgültige Bild verwendet hat", erläutert DESY-Forscherin und Koautorin Karen Appel, die auch an der Untersuchung versteckter Gemälde von Vincent van Gogh beteiligt war. "Van Gogh hat unterschiedliche Pigmente verwendet, daher lassen sich das verborgene und das darüber gemalte Bild in der Untersuchung besser unterscheiden."

Das Team testete verschiedene Vorgehensweisen für die Röntgenfluoreszenzanalyse: mit einem mobilen Röntgenscanner sowie an DORIS und der NSLS. Um dem Originalgemälde des Paul-Getty-Museums in Los Angeles die belastenden Transporte für Testmessungen zu ersparen, schuf Museumsmitarbeiterin Andrea Sartorius eine aufwendige Nachbildung. Dazu verwendete sie Farben mit derselben chemischen Zusammensetzung, wie sie auch Rembrandt van Rijn benutzt hatte, und malte damit zwei Bilder auf dieselbe Leinwand: ein Porträt und darüber eine Replik des "Alten Manns in militärischer Kleidung". "Es ist das erste Mal, dass ein Gemälde für solche Tests derartig aufwendig reproduziert wurde", betont Alfeld.

Die Nachbildung eignet sich nicht nur, um die aussichtsreichste Untersuchung für den "Alten Mann in militärischer Kleidung" zu bestimmen, sondern generell, um die Erfolgsaussichten einer Analysemethode bei frühen Werken von Rembrandt auszuloten. "Wir haben ein Modell geschaffen, mit dem sich alle möglichen Techniken testen und vergleichen lassen", betont Prof. Joris Dik von der Technischen Universität Delft (Niederlande), einer der Koautoren der Studie. "Für Museen ist das außerordentlich wertvoll. Dank der Nachbildung lässt sich die ganze Prozedur komplett durchspielen, von der Verpackung und dem Transport bis zur Untersuchung und ihren Erfolgschancen."

Mit der Röntgenstrahlung regten die Forscher unter anderem die Elemente Kalzium, Eisen, Quecksilber und Blei zum Fluoreszieren an. Die Untersuchung zeigt, dass die großflächige Röntgenfluoreszensanalyse (MA-XRF) in allen vier Bereichen bereits deutlich bessere Eindrücke des versteckten Gemäldes liefert als alle zuvor angewendeten Methoden. Insbesondere die quecksilber- und bleihaltigen Pigmente Zinnober und Bleiweiß im Bereich des Gesichts liefern einen Eindruck des verborgenen Porträts.

Die besten Ergebnisse brachte die Untersuchung an den großen Synchrotronquellen DORIS und NSLS. Doch die mobile Technik habe deutliche Fortschritte gemacht, so dass auch diese Untersuchung, die einen Transport des wertvollen Gemäldes vermeidet, erwägenswert sei, erläuterte Alfeld. Zudem lasse sich die Auswertung noch weiter optimieren. “Wir sind zuversichtlich, dass sich auf diese Weise die Geheimnisse verborgener Rembrandt-Gemälde detaillierter als zuvor entschlüsseln lassen,“ sagt Koen Janssens, Professor an der Universität Antwerpen und Experte für röntgenbasierte Analysemethoden.

„Der erfolgreiche Abschluss dieser Voruntersuchungen an der Nachbildung war ein wichtiger erster Schritt“, betont die Leiterin des Forschungslabors am Getty-Restaurierungsinstitut in Los Angeles, Karen Trentelman, die ebenfalls Koautorin der Studie ist. „Die Ergebnisse dieser Studie ermöglichen uns, den bestmöglichen Ansatz für die geplante Untersuchung des echten Rembrandt-Gemäldes auszuwählen.“

Das Deutsche Elektronen-Synchrotron ist das führende deutsche Beschleunigerzentrum und eines der führenden weltweit. An seinen Standorten in Hamburg und Zeuthen bei Berlin entwickelt, baut und betreibt DESY große Teilchenbeschleuniger und erforscht damit die Struktur der Materie. Die Kombination von Forschung mit Photonen und Teilchenphysik bei DESY ist einmalig in Europa.

 

Originalveröffentlichung
"Revealing hidden paint layers in oil paintings by means of scanning macro-XRF: a mock-up study based on Rembrandt's 'An old man in military costume'"; Matthias Alfeld et al.; Journal of Analytical Atomic Spectrometry (2013, 28, 40-51); DOI: 10.1039/C2JA30119A

Wissenschaftliche Ansprechpartner
Dr. Matthias Alfeld, Universität Antwerpen, Matthias.Alfeld@ua.ac.be
Dr. Karen Appel, DESY, Karen.Appel@desy.de
Prof. Joris Dik, Technische Universität Delft, j.dik@tudelft.nl
Prof. Koen Janssens, Universität Antwerpen, koen.janssens@ua.ac.be
Dr. Karen Trentelman, Getty-Restaurierungsinstitut, ktrentelman@getty.edu


Pressekontakt
DESY-Pressesprecher Thomas Zoufal, +49 8998-1666, presse@desy.de


Bilder


Verstecktes Porträt, das unter die Nachbildung des "Alten Mann in militärischer Kleidung" gemalt wurde. Bild: Andrea Sartorius, © J. Paul Getty Trust (mit Quellenangabe frei für redaktionelle Zwecke)

Nachbildung des "Alten Mann in militärischer Kleidung", für die Farben mit der Originalzusammensetzung verwendet wurden. Bild: Andrea Sartorius, © J. Paul Getty Trust (mit Quellenangabe frei für redaktionelle Zwecke)

Die Nachbildung des "Alten Mann in militärischer Kleidung" im Röntgenfluoreszenslicht der chemischen Elemente Kalzium, Eisen, Quecksilber und Blei (v.l.n.r.), die in verschiedenen von Rembrandt verwendeten Farbpigmenten enthalten sind. Diese Aufnahmen wurden an DESYs Röntgenquelle DORIS III gewonnen. Bild: Matthias Alfeld/Universität Antwerpen (mit Quellenangabe frei für redaktionelle Zwecke)