DESY trauert um seinen "Gründungsvater"

Er war als der "Vater von DESY" bekannt: Prof. Dr. Willibald Jentschke hat das Hamburger Forschungszentrum aufgebaut, zehn Jahre lang geleitet und war bis zuletzt eng mit DESY verbunden. Am 11. März 2002 starb Jentschke wenige Monate nach seinem 90sten Geburtstag, den er bei DESY gefeiert hatte. "Ohne Willibald Jentschke gäbe es DESY nicht", so der Vorsitzende des DESY-Direktoriums Prof. Dr. Albrecht Wagner, "sein Verhandlungsgeschick, seine Hartnäckigkeit und seine weitsichtigen Entscheidungen haben das Fundament von DESY gelegt; sein Teamgeist prägt den Führungsstil bis heute. Bis zuletzt erlebten wir Herrn Jentschke als warmherzigen und engagierten Begleiter des DESY-Alltags."

Als Willibald Jentschke Mitte der 1950er Jahre einen Ruf an die Universität Hamburg erhielt, verknüpfte er die Annahme eines Lehrstuhls für Physik mit der Forderung nach Forschungsmöglichkeiten an einem modernen Teilchenbeschleuniger. Es war ihm ein besonderes Anliegen, auch in Deutschland Arbeitsmöglichkeiten für die Elementarteilchenphysik zu schaffen, an denen international anerkannte Wissenschaft durchgeführt werden kann und Studierende eine moderne Ausbildung erlangen. Daraus entstand 1959 das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY, ein nationales Forschungszentrum, getragen von der Bundesrepublik und der Stadt Hamburg. Schon sehr früh gelang es Jentschke, bedeutende ausländische Wissenschaftler für die Mitarbeit bei DESY zu interessieren, womit er die Grundlage für die breite internationale Zusammenarbeit des Instituts legte - heute sind 3400 Wissenschaftler aus 35 Ländern an den DESY-Forschungen beteiligt. Von 1959 bis Ende 1970 war Prof. Jentschke Vorsitzender des DESY-Direktoriums und parallel dazu mehrere Jahre Direktor des II. Instituts für Experimentalphysik der Universität Hamburg. In diesen Funktionen sorgte er auch für eine starke Anbindung des Fachbereichs Physik der Universität Hamburg an DESY, die weiter intensiviert wurde und wird - zurzeit mit dem Umzug des Instituts für Laserphysik auf das DESY-Gelände.

Mit Willibald Jentschke ist DESYs Geschichte untrennbar verbunden. Von Beginn an war es sein besonderes Anliegen, DESY zu einem international konkurrenzfähigen Institut zu machen, was ihm in doppelter Weise gelang: 1964 konnte er DESYs ersten Beschleuniger für die Teilchenphysik, das Elektronen-Synchrotron "DESY", eröffnen. In den folgenden Jahren setzte er die Planungen für einen Elektron-Positron-Speicherring in Gang, der 1974 unter dem Namen "DORIS" in Betrieb ging. Außerdem wurde von Beginn an bei DESY auch die Möglichkeit untersucht, die beim Betrieb von Elektronen-Ringbeschleunigern anfallende Synchrotronstrahlung für die Wissenschaft zu nutzen. Daraus ist die für DESY charakteristische Symbiose zwischen der Elementarteilchenphysik als reiner Grundlagenforschung und den anwendungsorientierten Untersuchungen mit Synchrotronstrahlung in Naturwissenschaft und Technik entstanden, die ihre Fortsetzung in dem geplanten 33 Kilometer langen Linearbeschleuniger TESLA mit integrierten Röntgenlasern findet.

Nicht nur Jentschkes wissenschaftliche Kompetenz - er erforschte an den Universitäten von Wien und Illinois (USA) kernphysikalische Prozesse - sondern gerade auch sein warmherziger und motivierender Führungsstil waren ausschlaggebend für diesen Erfolg. "Wissens was, ich möchte a Team, und wer net reinpasst, den kann i net brauchen", dieses Zitat charakterisiert den ausgeprägten Teamgeist des am 6. Dezember 1911 in Wien geborenen Jentschke.

1971 übernahm Prof. Jentschke für fünf Jahre die Leitung des Europäischen Laboratoriums für Teilchenphysik CERN in Genf. In den letzten Jahren vor seiner Emeritierung widmete er sich wieder ganz der Forschung und Lehre an der Universität Hamburg und blieb bis zu seinem Tod DESY und der Wissenschaft aktiv verbunden.