Schonendes Röntgen der Herzkranzgefäße

Die intravenöse Koronarangiographie NIKOS ist eine neue und für den Patienten besonders schonende Methode zum Röntgen der Herzkranzgefäße. Entwickelt wurde sie beim Forschungszentrum DESY in Zusammenarbeit mit Medizinern vom Universitäts-Krankenhaus Hamburg-Eppendorf und der Herz-Kreislauf-Klinik Bevensen sowie Physikern von der Universität Siegen. "Von DESY-Seite aus ist das Angiographie-Projekt jetzt sehr erfolgreich abgeschlossen. Nun können Mediziner federführend die Einführung des Verfahrens in den Klinikbetrieb vorantreiben", berichtete der Physiker und Projektleiter Dr. Wolf-Rainer Dix anlässlich der Jahrestagung des Hamburger Synchrotronstrahlungslabors HASYLAB am 26. Januar beim Forschungszentrum DESY. "Wir haben mit dem neuen Verfahren bei DESY insgesamt 379 Patienten untersucht, die aus ganz Deutschland und zum Teil aus dem Ausland anreisten – die Akzeptanz war sehr hoch", so Dix.

Nach dem erfolgreichen Abschluß bei DESY könnte nun ein routinemäßiger Einsatz des neuen Angiographie-Verfahrens in einer dafür ausgestatteten Klinik vorbereitet werden. Dafür ist eine kompakte, hochintensive Quelle für monochromatische Röntgenstrahlung erforderlich. Ein erster Entwurf für eine solche Quelle auf der Basis eines Speicherrings wurde bei DESY erstellt. Wenn Investoren für dieses Projekt zu gewinnen sind, kann dieser Entwurf als Grundlage für die dann notwendig werdende Industriestudie zum Bau eines Speicherringes für medizinische Anwendungen dienen.

Die Kranzgefäße umschließen das Herz und versorgen es mit Blut. Verengen sie sich, so droht ein Herzinfarkt. Um diese lebensgefährlichen Verengungen (Stenosen) zu erkennen, führen Mediziner normalerweise einen langen Katheter von der Leiste durch die Aorta in die Gefäße ein. Dann spritzen sie ein jodhaltiges Kontrastmittel durch den Katheterschlauch und machen eine Röntgenaufnahme. Bei der NIKOS-Methode hingegen bleibt dem Patienten der Eingriff erspart. Stattdessen wird das Jod über eine kleine Kanüle intravenös in die Armbeuge injiziert. Weil sich das Kontrastmittel auf seinem Weg durch die Blutbahn ganz erheblich verdünnt und in den Herzkranzgefäßen nur noch in relativ schwacher Konzentration ankommt, reicht eine herkömmliche Röntgenröhre nicht aus, um die Kranzgefäße auf der Röntgenaufnahme deutlich abzubilden. Die HASYLAB-Wissenschaftler nutzten daher das intensive und monochromatische Röntgenlicht aus dem Ringbeschleuniger DORIS bei DESY und eine spezielle "Zwei-Farben"-Methode, welche die Gefäßkonturen sichtbar macht.

Bei 60 der insgesamt 379 Patienten, die bei DESY mit der NIKOS-Methode untersucht wurden, lag zum Vergleich auch eine Diagnose einer konventionellen Aufnahme vor, die kurz danach gestellt worden war. Beide Diagnosen stimmten gut überein: selbst unabhängige, völlig untrainierte Kardiologen erreichten bis zu 79 Prozent Übereinstimmung bei der Beurteilung des Schweregrades einer Stenose, bei Bypassen sogar 82 Prozent.

Außer NIKOS gibt es auch andere nicht-invasive bzw. minimal invasive Verfahren für die Darstellung der Herzkranzgefäße, z.B. das "Magnetic Resonance Imaging" (MRI) und die "Electron Beam Computed Tomography" (EBCT). Im Vergleich zu diesen Methoden hat das NIKOS-Verfahren heute die beste Bildqualität, die Auflösung ist besser und, anders als bei MRI, führen metallische Implantate nicht zur Beeinträchtigung der Bildqualität. Trotzdem werden auch langfristig alle diese Verfahren die herkömmliche Koronarangiographie nicht ersetzen können, weil diese zusätzlich zur Darstellung auch Interventionen wie Angioplastien oder Stent-Implantationen während der Untersuchung erlaubt. Für die drei Verfahren gibt es aber bestimmte Bereiche, in denen sie ohne Risiko für den Patienten sehr wirkungsvoll eingesetzt werden könnten. Für das NIKOS-Verfahren sind das insbesondere die Darstellung von Bypassen und Stents bei Kontroll- und Nachsorge-Untersuchungen nach Interventionen, sowie postoperative Kontrollen. Eine ausführliche Auswertung der Patientenstudie hat ergeben, dass durch weitere Verbesserungen am NIKOS-System, vor allem aber auch im Untersuchungsablauf, die Bildqualität und damit die Aussagekraft der Diagnosen noch einmal erhöht werden könnte.