DESY News: Warum Gewitterwolken mehrfach blitzen

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17.04.2019
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Warum Gewitterwolken mehrfach blitzen

Radioteleskop entdeckt „Nadeln“ in Gewitterblitzen

Mit dem Radioteleskop LOFAR hat ein internationales Forscherteam überraschende Strukturen von Gewitterblitzen in der Erdatmosphäre entdeckt. Diese „Nadeln“ können Gewitterwolken wieder aufladen, so dass sie sich nach kurzer Zeit ein zweites Mal entladen. Das Team unter Leitung von Brian Hare und Olaf Scholten von der Universität Groningen in den Niederlanden stellt das bisher unbekannte Phänomen im Fachblatt „Nature“ vor. An der Arbeit sind auch deutsche Forscherinnen und Forscher unter anderem von DESY beteiligt.

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Blitze über LOFAR (Montage). Bild: Universität Groningen, Olaf Scholten Linkhttps://www.rug.nl/news/2019/04/why-lightning-often-strikes-twice
Das Low Frequency Array LOFAR ist ein dezentrales Radioteleskop, das aus tausenden einfachen Antennen besteht. Zugehörige Antennenfelder befinden sich in vielen europäischen Ländern, in Deutschland etwa am Forschungszentrum Jülich und in Norderstedt bei Hamburg. Diese Antennen sind über Glasfasernetze miteinander verbunden und an Hochleistungsrechner angeschlossen. Diese Verbindung erlaubt es, die Antennen zusammenzuschalten und als ein riesiges, virtuelles Teleskop zu nutzen.

LOFAR dient in erster Linie zu astronomischen Beobachtungen. Allerdings ist die Anlage sehr flexibel, so dass sie sich auch zur Messung von Blitzen eignet. „Wir messen Frequenzen von 30 bis 80 Megahertz, liegen also genau zwischen dem Kurzwellen- und dem Ultrakurzwellenbereich“, berichtet Hare. „Mit diesen weltweit einzigartigen Daten konnten wir zum ersten Mal Blitze so genau auflösen, dass einzelne physikalische Prozesse sichtbar wurden. Durch die Benutzung von Radiowellen konnten wir auch ins Innere der Gewitterwolken schauen, wo sich die spannenden Prozesse abspielen.“

Blitze entstehen, wenn innere Turbulenzen verschiedene Teile großer Cumulonimbus-Wolken gegeneinander elektrisch aufladen. Der Effekt ist vergleichbar mit der aus dem Alltag bekannten statischen Aufladung. Wird der Spannungsunterschied zwischen positiven und negativen Wolkenteilen zu groß, kommt es zu einer plötzlichen Entladung, die wir als Blitz sehen können. Dabei entsteht zunächst in einem kleinen, punktförmigen Bereich ein Plasma, also ein elektrisch leitfähiges Gas, das sich dann zu Kanälen ausbreiten kann. Die Spitze eines solchen Plasmakanals kann positiv oder negativ geladen sein. Es war bekannt, dass negative Kanäle besonders viele Radiowellen an der Spitze aussenden, wohingegen positive Kanäle dies an der Spitze kaum tun.

LOFAR erlaubt es, die Radiowellen, die ein Blitz aussendet, in ihrer ursprünglichen Form unverarbeitet zu speichern. Dies wiederum ermöglicht es, neue bildgebende Verfahren zu entwickeln, die aus den Rohdaten ein dreidimensionales Bild eines Blitzes zeichnen können – zehnmal besser als bisherige Messungen, bis zu einem Meter genau und dank Radiowellen innerhalb einer Wolke, die vom Teleskop bis zu 20 Kilometer entfernt sein kann.

„Die Messungen stammen ursprünglich aus unserer Forschungsgruppe, die sich mit kosmischer Strahlung beschäftigt“, berichtet Ko-Autorin Anna Nelles von DESY. „An der Schnittstelle zwischen Teilchenphysik und Astronomie war dieses Gebiets bereits recht exotisch für ein Radioteleskop. LOFAR wurde ja vor allem für die Astronomie gebaut. Dass wir nun das beste Blitz-Interferometer der Welt sind, kam für alle überraschend und zeigt, welche spannenden Möglichkeiten sich durch Grundlagenforschung mit herausragender Infrastruktur ergeben können.“

Die Beobachtungen enthüllen bisher unbekannte, nadelförmige Strukturen. Wenn Blitze sich ausbreiten, entladen sie die Gewitterwolken nur an einigen Stellen. Die nun entdeckten Nadeln erlauben, dass elektrische Ladungen gespeichert werden, und ermöglichen damit, dass eine Gewitterwolke an der gleichen Stelle mehrfach entladen werden kann. „Unsere Erkenntnisse stehen im Widerspruch zum bisherigen Verständnis von Blitzen, in dem Ladung entlang von Plasmakanälen von einer Wolke zur anderen fließt“, berichtet Scholten. „Nur durch die unübertroffen genauen Messungen mit LOFAR konnten wir zeigen, dass sich entlang der positiven Kanäle kleine Seitenkanäle bilden, die besonders helle Radiowellen aussenden, was bedeutet, dass dort Ladung fließt.“

„In diesen Nadeln sammelt sich Ladung, die dann anschließend nicht wie erwartet in die negativen Kanäle fließt, sondern über die Nadeln in die Wolke zurückgepumpt wird. Dadurch lädt sich die Wolke erneut auf,“ ergänzt Hare. „Wir sehen eine immense Anzahl an Nadeln in unseren Beobachtungen. Dies wiederum zeigt uns, wie sich Wolken nach einer Blitzentladung so schnell wieder aufladen können. Daher kommt es aus einer Wolke zu wiederholten Blitzeinschlägen auf dem Boden, und Gewitter liefern nicht nur einen Blitz, sondern viele spektakuläre, aber auch gefährliche Entladungen.“

 

Originalveröffentlichung:
Needle-like structures discovered on positively charged lightning branches; Brian Hare, Olaf Scholten et al.; „Nature“, 2019; DOI: 10.1038/s41586-019-1086-6

 

Die Animation zeigt die Entwicklung des Blitzes in Zeitlupe. In Echtzeit wäre die Animation kürzer als 0,2 Sekunden. Der gezeigte Blitz hat eine Ausdehnung von fünf Kilometern in alle Richtungen. Die gelben Punkte illustrieren die neuendeckten Signale. Nach ihrem Aufleuchten bleiben sie weiß, um die Struktur des Blitzes zu zeigen. Die nach oben wachsenden positiven Plasmakanäle blinken, während sich die negativen Kanäle kontinuierlich ausbreiten. Ein negativer Kanal schlägt in den Boden ein. Animation: Stijn Buitink (Vrije Universiteit Brussel) und Brian Hare (Rijksuniversiteit Groningen)

 

 Diese Animation zeigt eine Vergrößerung des positiven Plasmakanals. In Echtzeit wären dies 0.1 Sekunden und 400 Meter. Zu Beginn ist fast keine Aktivität zu sehen. Erst nach einiger Zeit beginnen sich Nadeln zu bilden, eine besonders große Nadel ist zur besseren Sichtbarkeit rot gefärbt. Jede der Nadeln leuchtet unregelmäßig, sie blinkt. Schließlich versiegt die Aktivität in diesem Kanal. Animation: Stijn Buitink (Vrije Universiteit Brussel) und Brian Hare (Rijksuniversiteit Groningen)