DESY News: Biologische Zellen in neuem Licht

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07.09.2018
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Biologische Zellen in neuem Licht

Kombiniertes Röntgen- und Fluoreszenz-Mikroskop zeigt bislang unsichtbare molekulare Details

Ein Göttinger Forscherteam hat an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III eine weltweit einzigartige Kombination aus Röntgen- und Lichtfluoreszenzmikroskop in Betrieb genommen, die neue Einblicke in biologische Zellen ermöglicht. Die Gruppe unter Leitung von Tim Salditt und Sarah Köster von der Universität Göttingen präsentiert die neue Installation an DESYs Messstation P10 im Fachblatt „Nature Communications“. Zur Illustration der Leistungsfähigkeit untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Herzmuskelzellen mit dem neuen Verfahren.

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STED-Aufnahme (links) und Röntgen-holographische Abbildung (rechts) derselben Herzmuskelzelle einer Ratte. Für STED wurde das Netzwerk der Aktinfilamente, das für die mechanischen Eigenschaften der Zelle besonders wichtig ist, mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert. Der Kontrast im Röntgenbild hingegen gibt die Elektronendichte aller Moleküle wieder, unabhängig von der Anfärbung. Zusammen beschreiben beide Abbildungsverfahren die Zelle in einer vollständigeren und sich ergänzenden Weise. Bild: Universität Göttingen, M. Bernhardt et al.
Die moderne Lichtmikroskopie liefert zwar mit immer schärferen Bildern wichtige Einblicke in das molekulare Innenleben von Zellen. Höchste Auflösung wird aber nur erreicht, wenn man Moleküle mit Farbstoffen zum Leuchten bringt, das heißt zur sogenannten Fluoreszenz anregt. Dazu müssen durch biochemische Reaktionen zunächst kleine Leuchtmoleküle an die Biomoleküle geheftet werden, zum Beispiel an bestimmte Proteine oder Nukleinsäuren, die man dann beobachten kann. Durch das kontrollierte Hell- und Dunkelschalten von Farbstoffmolekülen in Teilbereichen des Bildes lassen sich dann nach dem vom Göttinger Nobelpreisträger Stefan Hell entwickelten Verfahren der „Stimulated Emission Depletion“ (STED) mit nahezu unbeschränkter Trennschärfe Moleküle lokalisieren und ihre Wechselwirkungen darstellen.

„Wie aber kann man zusätzlich auch die nicht markierten oder nicht markierbaren Bestandteile der Zelle abbilden?“, erklärt Salditt die Fragestellung der Forscherinnen und Forscher. „Wie sieht man gleichzeitig den Hintergrund, gewissermaßen den Dunkelraum, vor dem die markierten Moleküle hervortreten?“ Das Göttinger Team hat dafür nun ein STED-Mikroskop und ein Röntgenmikroskop kombiniert, mit dem praktisch gleichzeitig die optische Fluoreszenz nach dem STED-Prinzip und die Dichteverteilung aller anderen Zellbestandteile durch Holographie mit kurzwelligem Röntgenlicht dargestellt werden kann. „Zusätzlich können auch Röntgenbeugungsexperimente, wie man sie zum Beispiel aus der Strukturanalyse von Kristallen kennt, zielgenau in der Zelle durchgeführt werden“, erläutert Ko-Autor Michael Sprung, Leiter der Messstation P10, an der das neue Instrument installiert ist.

„Mit dem neuartigen Röntgen-STED-Mikroskop haben wir zunächst Herzmuskelzellen aufgenommen, und bestimmte Proteinnetzwerke im STED-Modus abgebildet. Die STED-Aufnahmen der Proteinfilamente konnten wir dann in die gesamte Dichteverteilung der Zelle einpassen. Beide Aufnahmen werden praktisch direkt hintereinander aufgenommen“, berichtet Marten Bernhardt von der Universität Göttingen, Erstautor der Veröffentlichung. „Durch die komplementären Kontraste versprechen wir uns ein vollständigeres Verständnis der Kontraktion von Herzmuskelzellen und ihrer Krafterzeugung“, ergänzt Salditt. „In Zukunft wollen wir so auch dynamische Prozesse in lebenden Zellen beobachten“, erläutert Sarah Köster, Sprecherin des Göttinger Sonderforschungsbereichs Kollektives Verhalten weicher und biologischer Materie, in dessen Forschungsprogramm die Experimente integriert sind.

Das spezielle STED-Mikroskop wurde unter finanzieller Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Zusammenarbeit mit der Firma Abberior Röntgenmikroskop-kompatibel konzipiert und in das Göttinger Instrument GINIX am Speicherring PETRA III bei DESY integriert. GINIX wird durch das Göttinger Team gemeinsam mit DESY betrieben, da die Röntgenmikroskopie kohärentes Röntgenlicht mit hoher Brillanz erfordert, wie sie von PETRA III erzeugt wird.

 

Originalarbeit:
Correlative microscopy approach for biology using x-ray holography, x-ray scanning diffraction, and STED microscopy; M. Bernhardt, J.-D. Nicolas, M. Osterhoff, H. Mittelstädt, M. Reuss, B. Harke, A. Wittmeier, M. Sprung, S. Köster, T. Salditt; „Nature Communications“, 2018; DOI: 10.1038/s41467-018-05885-z