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29.05.2018
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Wasser ist nicht gleich Wasser

Versuch belegt unterschiedliche chemische Reaktivität von para- und ortho-Wasser

Wassermoleküle kommen in zwei verschiedenen Formen mit fast identischen physikalischen Eigenschaften vor. Erstmals haben Forscher nun gezeigt, dass diese beiden Formen unterschiedliche chemische Reaktivitäten aufweisen können. Die Wissenschaftler der Universität Basel berichten darüber gemeinsam mit Kollegen von DESY und der Universität Hamburg in der Fachzeitschrift „Nature Communications“.

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Vorsortierte ortho- und para-Wassermoleküle mit unterschiedlich orientierten Kernspins (blaue bzw. rote Pfeile) reagieren unterschiedlich schnell mit Diazenylium-Ionen (Mitte links). Bild: Ardita Kilaj, Universität Basel
Chemisch gesehen ist Wasser ein Molekül, in dem ein einzelnes Sauerstoffatom mit zwei Wasserstoffatomen verknüpft ist. Weniger bekannt ist, dass Wasser auf molekularer Ebene in zwei unterschiedlichen Formen (Isomeren) existiert. Die Unterscheidung liegt in der Orientierung der Kernspins der beiden Wasserstoffatome. Je nachdem, ob die Spins der beiden Wasserstoffkerne im Molekül gleich oder entgegengesetzt ausgerichtet sind, spricht man von ortho- oder para-Wasser.

Die Forschungsgruppe um Stefan Willitsch vom Departement Chemie der Universität Basel hat nun untersucht, wie sich die beiden Formen von Wasser in ihrer chemischen Reaktivität unterscheiden – ihrer Fähigkeit, eine chemische Reaktion einzugehen. Dazu müssen die beiden Isomere allerdings zunächst voneinander getrennt werden. „Para- und ortho-Wasser haben fast identische physikalische Eigenschaften, was ihre Trennung sehr schwierig macht“, sagt Erstautorin Ardita Kilaj von der Universität Basel. „Zudem stoßen die Moleküle ständig mit anderen zusammen, wodurch sich para- und ortho-Wasser ineinander umwandeln können“, ergänzt Ko-Autor Jochen Küpper von DESY und der Universität Hamburg.

Die Trennung der beiden Wasserformen gelang den Forschern mit einem in Küppers Gruppe am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) entwickelten „elektrischen Prisma“: Die Forscher schicken darin einen extrem feinen Strahl aus Wassermolekülen durch ein starkes elektrisches Feld. „Para- und ortho-Wasser werden dabei unterschiedlich stark abgelenkt“, erläutert Küpper, der auch Mitglied im Hamburger Exzellenzcluster Centre for Ultrafast Imaging (CUI) ist. „Das ermöglicht uns, sie räumlich zu trennen und weitgehend reine para- und ortho-Proben zu erzeugen.“

Ausgehend davon konnten die Basler Forschenden zusammen mit den Hamburger Kollegen die vorsortierten Wasser-Isomere mit ultrakalten Diazenylium-Ionen („protonierter Stickstoff“) kontrolliert zur Reaktion bringen. Dabei überträgt ein Diazenylium-Ion einen Wasserstoffkern auf ein Wassermolekül. Diese Reaktion ist auch aus der Chemie des Weltraums bekannt.

Es zeigte sich, dass para-Wasser um rund 25 Prozent schneller reagiert als ortho-Wasser“, berichtet Forschungsleiter Willitsch. „Dieser Effekt lässt sich damit erklären, dass der Kernspin auch die Drehbewegung der Wassermoleküle beeinflusst. Als Folge davon herrschen unterschiedlich starke Anziehungskräfte zwischen den Reaktionspartnern. Para-Wasser vermag seine Reaktionspartner stärker anzuziehen als die ortho-Form, was sich in einer erhöhten chemischen Reaktivität auswirkt.“ Computersimulationen bestätigten diese experimentellen Ergebnisse.

Bei den Experimenten arbeiten die Forschenden mit Molekülen bei sehr tiefen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (etwa –273 Grad Celsius). Hier herrschen ideale Bedingungen, um Quantenzustände und damit den Energieinhalt einzelner Moleküle zu definieren und diese kontrolliert zur Reaktion zu bringen. Zum Versuchsaufbau erklärt Willitsch: „Je kontrollierter man die Zustände der beteiligten Partikel einer chemischen Reaktion definieren kann, um so präziser lassen sich auch die zu Grunde liegenden Mechanismen und die Dynamik einer Reaktion untersuchen und verstehen.“

 

Originalarbeit:
Observation of different reactivities of para- and ortho-water towards trapped diazenylium ions; Ardita Kilaj, Hong Gao, Daniel Rösch, Uxia Rivero, Jochen Küpper, Stefan Willitsch; „Nature Communications“, 2018; DOI: 10.1038/s41467-018-04483-3

 

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