DESY News: Neue Spektrometer machen Röntgen-Untersuchungen deutlich effizienter

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18.08.2017
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Neue Spektrometer machen Röntgen-Untersuchungen deutlich effizienter

Zonenplatten ermöglichen Messungen an niedrig konzentrierten Proben und vereinfachen komplexe multidimensionale Röntgenspektroskopie-Experimente

Sogenannte Fresnel-Zonenplatten-Spektrometer ermöglichen neue, effizientere Untersuchungen mit weicher Röntgenstrahlung. In einer Studie im Fachblatt „Optics Express“ präsentierten Forscher einen Aufbau mit einer Reflexionszonenplatte, der bisher sehr aufwendige Messungen an schwer zu handhabenden chemischen und biologisch relevanten Systemen vereinfacht. Im Fachjournal „Scientific Reports“ wurde in einer zweiten Arbeit ein Spektrometer mit einer Transmissionszonenplatte vorgestellt, mit dem komplexe Untersuchungen solcher Systeme in wenigen Schritten durchgeführt werden können. Die Studien wurden von Forschern von DESY, dem Helmholtz Zentrum Berlin für Materialien und Energie, dem Paul Scherrer Institut in der Schweiz und dem Göttingen Campus (Göttingen Universität und Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie) veröffentlicht.

Resonante inelastische Röntgenstreuung (RIXS) mit Reflexions- und Transmissionszonenplatten: Ein Röntgenpuls (violett) trifft auf einen Probenstrahl (Düse von oben). Das gesteute Röntgenlicht wird mit den Zonenplatten auf einen Detektor gelenkt. Es enthält sowohl Ortsinformationen (rechts unten) als auch Energieinformationen (rechts oben) der Probe (Bild: FS-SCS/DESY).
Die Untersuchung der elektronischen Struktur von Stoffen ist für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen interessant. „Aus der Struktur der Elektronen oder der Elektronenkonfiguration in einem System können wir unter anderem die Bindungszustände der einzelnen chemischen Elemente gerade auch in ungeordneten Materialien ableiten“, sagt DESY-Forscher Zhong Yin, der an beiden Untersuchungen zentral beteiligt war. Eine Methode, um diese Struktur zu untersuchen, ist die sogenannte resonante, inelastische Röntgenstreuung (kurz „RIXS“), eine multidimensionale Röntgenspektroskopie-Methode. Die Elektronen in einer Probe werden dabei mit Röntgenstrahlung angeregt, um dann wieder hochenergetische Röntgenstrahlung abzugeben. Dabei entsteht eine für jedes chemische Element charakteristische Röntgen-Anregungs-Emissions-Abfolge mit bestimmter Energie und Zeitstruktur, die durch Variation der Röntgen-Anregungsenergie abgefragt wird. Die ausgestrahlten Röntgenphotonen werden anschließend mit optischen Instrumenten auf einen Detektor gelenkt und nach den Wellenlängen aufgetrennt.

Ein Problem dieser Messmethode ist, dass gerade leichte Elemente, die eine wichtige Rolle in der Biologie spielen, nach der Anregung nur sehr wenig Strahlung abgeben. „In komplizierten chemischen und biochemischen Reaktionen in Flüssigkeiten ergeben konventionelle RIXS-Methoden durch ihre spektrale Auflösung wichtige und detaillierte elektronische Strukturinformationen; sie erfordern allerdings hohe Probenmengen, so dass gerade die RIXS-Messungen an biologisch relevanten Systemen sehr teuer und aufwendig werden können“, erklärt DESYs Leitende Wissenschaftlerin und Göttinger Universitätsprofessorin Simone Techert, die für die Implementierung der Zonenplatten, chemische Umgebung und Analyse verantwortlich war. „Die neuen Reflexions- und Transmissionszonenplatten-Spektrometer ermöglichen kombiniert mit Flüssigjets oder anderen schnell austauschbaren Probenumgebungen deutlich effizientere RIXS-Untersuchungen an niedrig konzentrierten Proben im Bereich der weichen Röntgenstrahlung, mit der man aus Kohlenstoff und Stickstoff aufgebaute Proben gut untersuchen kann.“

Optisch betrachtet sind Reflexionszonenplatten Alleskönner: Sie können optisches Licht oder auch Röntgenstrahlung reflektieren und gleichzeitig fokussieren. Bei entsprechender Beleuchtung trennen sie gleichzeitig die einzelnen Wellenlängen räumlich auf, so dass sie auf einem Detektor an unterschiedlichen Stellen gemessen werden können. „Reflexionszonenplatten sind quasi der nächste logische Schritt in der Entwicklung von Röntgenoptiken“, sagt Jens Rehanek vom Paul Scherrer Institut. Er hat gemeinsam mit Zhong Yin die Experimente für die neuartige Verwendung der Zonenplatten entwickelt. „Sie ähneln in ihrer Wirk- und Arbeitsweise den konventionellen Röntgenspektrometern, können allerdings das Licht nicht nur auf einen Strich, sondern auch auf einen Punkt fokussieren.“ Da Zonenplatten außerdem näher an der Probe positioniert werden, können schwache Signale wesentlich effizienter gemessen werden. Um einen Nachteil der Zonenplatten, den kleineren, messbaren Energiebereich, zu umgehen, wendeten die Forscher einen Trick an: Sie positionierten die Zonenplatte etwas weiter weg von der Probe als vorgesehen und konnten so einen größeren Energiebereich mit ähnlich guter Auflösung wie die der konventionellen Spektrometer vermessen. „Mit der Reflexionszonenplatte haben wir ein Spektrometer mit hoher Effizienz und guter Auflösung in einer größeren Bandbreite für Proben in kleiner Menge konstruiert“, betont Rehanek. Die Theorie als auch die Technologie von Reflexionszonenplatten wurden seit 2008 im Institut für Nanometeroptik und -technologie am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) unter der Leitung von Alexei Erko entwickelt und in verschiedenen Bereichen von Synchrotron und FEL-Experimenten sowie Röntgen-Laboranwendungen eingesetzt.

Dieses Bild eines Test-Schriftzugs wurde mit Hilfe der neuen Methode an PETRA III aufgenommen (Bild: FS-SCS/DESY).
In einer zweiten Studie entwickelten Forscher ein Spektrometer, das auf einer ähnlichen Optik basiert und auch für die Untersuchung von komplizierten chemischen und biochemischen Reaktionen geeignet ist. Fresnel-Zonenplatten können nicht nur zur Reflexion von Röntgenstrahlung verwendet werden, sondern sie fokussieren als Transmissionszonenplatten das ausgestrahlte Röntgenlicht und trennen dieses in die einzelnen Wellenlängen auf. Die am schweizerischen Paul Scherrer Institut (PSI) hergestellten Transmissionszonenplatten bestehen aus einer für Röntgenstrahlung durchsichtigen dünnen Membran und funktionieren ganz ähnlich wie Linsen für sichtbares Licht. Die Forschergruppe demonstrierte mit diesen Zonenplatten, dass man ihre speziellen Eigenschaften dafür nutzen kann, die Spektren der Strahlung besonders effizient zu messen.

Auch hier nutzen die Forscher aus, dass die Zonenplatte das Licht in zwei Richtungen fokussieren kann, so dass Röntgen-Abbildungsmethoden mit spektraler Information möglich sind und ein einzelnes multidimensionales Röntgenspektrum, eine sogenannte „RIXS-Karte“, in einer Messung simultan für verschiedene Einstrahlungsenergien aufgenommen werden kann. Dadurch kann man mit den Transmissionszonenplatten sehr schnell räumliche Unterschiede im abgestrahlten Spektrum untersuchen und sogar ein Bild der Probenoberfläche erzeugen. „Grundsätzlich wäre dies zwar auch mit einem herkömmlichen RIXS-Spektrometer möglich, durch die besonderen Abbildungseigenschaften der Transmissionszonenplatten konnten wir solche Messungen jedoch parallel (und nicht Punkt für Punkt) durchführen, was das Verfahren um einen Faktor Hundert beschleunigt“, betont Christian David, Direktor am Institut für Nanooptik am PSI und verantwortlich für das Design und die Herstellung der Zonenplatte.

Beide Neuentwicklungen bieten eine Alternative zu den bisherigen Röntgenspektrometern; gerade zeitaufgelöste Experimente an chemischen und biochemischen Reaktionen profitieren von der hohen Effizienz. „Da die Spektrometer jeweils nur eine Optik verwenden, sind sie sehr kompakt und dadurch flexibel einsetzbar“, sagt Felix Marschall vom PSI, Erstautor der Studie in Scientific Reports. Die Entwicklung der neuen Methoden steht allerdings auch am Anfang und das Potenzial der Zonenplatten ist noch nicht ausgeschöpft: „Wir arbeiten bereits an weiteren Studien, in denen wir den Aufbau weiter optimieren und zusätzliche Einsatzmöglichkeiten der Zonenplatten testen“, sagt DESY-Forscher Jens Viefhaus, der die Testmessungen mit den neuen Spektrometern an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III betreut hat.

 

Originalveröffentlichungen:
Highly efficient soft X-ray spectrometer based on a reflection zone plate for resonant inelastic X-ray scattering measurements; Zhong Yin, Jens Rehanek, Heike Löchel, Christoph Braig, Jens Buck, Alexander Firsov, Jens Viefhaus, Alexei Erko und Simone Techert; “Optics Express”, 2017; DOI: 10.1364/OE.25.010984


Transmission zone plates as analyzers for efficient parallel 2D RIXS-mapping; Felix Marschall, Zhong Yin, Jens Rehanek, Martin Beye, Florian Döring, Katharina Kubiček, Dirk Raiser, Sreevidya Thekku Veedu, Jens Buck, André Rothkirch, Benedikt Rösner, Vitaliy A. Guzenko, Jens Viefhaus, Christian David und Simone Techert; “Scientific Reports”, 2017; DOI: 10.1038/s41598-017-09052-0