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11.04.2017
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Wie infizieren Tuberkulose-Bakterien menschliche Zellen?

Internationales Team entschlüsselt Struktur eines wichtigen Systems für die Infektion

Ein internationales Team von Wissenschaftlern aus Hamburg, Wien und Amsterdam hat einen wichtigen Schritt zum Verständnis des Ablaufs einer Tuberkulose-Infektion geschafft: In einer Studie im Fachblatt „Nature Microbiology“ enthüllen die Forscher die molekulare Struktur eines Membrankanals, der eine wichtige Rolle bei der Infektion spielt. Das Team, dem auch Wissenschaftler der Hamburger Niederlassung des Europäischen Molekularbiologie-Laboratoriums EMBL und des neuen Strukturbiologiezentrums CSSB auf dem Hamburger DESY-Campus angehören, präsentiert die erste molekulare Struktur eines sogenannten Typ-7-Sekretionssystems, das bei Mykobakterien wie dem Tuberkulose-Erreger Mycobacterium tuberculosis vorkommt.

Tuberkulose-Erreger, die jedes Jahr Millionen Menschen weltweit infizieren, benötigen ein aktives Typ-7-Sekretionssystem, das in vielen Mykobakterien vorkommt. Bild: Thomas Marlovits/Tibor Kulcsar, IMP Wien Linkhttps://www.imp.ac.at/news-media/detail/article/tuberculosis-researchers-uncover-how-bacteria-burst-our-cells/
„Diese Ergebnisse sind ein großer Schritt vorwärts in unserem Verständnis davon, wie einige der tödlichsten Krankheitskeime wie Mycobacterium tuberculosis funktionieren“, sagt der Leiter der Hamburger EMBL-Niederlassung und Wissenschaftlicher Direktor des CSSB, Matthias Wilmanns. „Unser Ziel ist, auf dieser Basis Sekretion als Mechanismus zu untersuchen, über den Mykobakterien den menschlichen Wirt infizieren und mit ihm interagieren.“ Neue Wirkstoffe gegen Tuberkulose werden dringend gebraucht, da die auslösenden Bakterien immer häufiger widerstandfähig gegen Antibiotika sind. Nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Tuberkulose eine der zehn häufigsten Todesursachen weltweit. 2015 registrierte die WHO 10,4 Millionen Neuinfektionen und 1,8 Millionen Todesfälle.

Die Gruppe von Thomas Marlovits am Wiener Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) konnte mit Hilfe elektronenmikroskopischer Untersuchungen zeigen, dass vier Proteintypen das Typ-7-Sekretionssystem aufbauen und einen sechsteiligen Ring um eine zentrale Pore bilden. Das System besitzt außerdem flexible molekulare „Arme“, die ins Innere der Bakterienzelle reichen und jene Moleküle greifen, die transportiert werden sollen. „Proteinstrukturen gelten oft als feste Einheiten, wir haben hier dagegen ein neues architektonisches Prinzip beobachtet, bei dem eine Kombination aus Struktur und Flexibilität das Funktionieren des Sekretionssystems ermöglicht“, erläutert Marlovits (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf UKE, DESY, IMP und Institut für Molekulare Biotechnologie der österreichischen Akademie der Wissenschaften IMBA), der am CSSB eine neue Forschungsgruppe aufbaut. Die große Flexibilität der Arme wurde durch weitere Untersuchungen an einer der Hamburger EMBL-Messstationen an DESYs heller Röntgenlichtquelle PETRA III bestätigt.

Zusätzliche biochemische und genetische Untersuchungen an der Universität Amsterdam untermauern die Strukturdaten und liefern In-vivo-Einblicke in die Komponenten, die für den Aufbau des Sekretionssystems nötig sind. Die weitere interdisziplinäre Untersuchung soll nun zeigen, wie das System sich aufbaut, und könnte die Entwicklung neuer Medikamente ermöglichen, die das Transportsystem gezielt blockieren.

„Diese Studie wäre ohne die internationale und interdisziplinäre Kooperation, die durch das CSSB möglich wird, nicht machbar gewesen“, betont Wilmanns. „Jede Gruppe hat ihr spezifisches Wissen und ihre Expertise in dieses Projekt eingebracht“, ergänzt Marlovits. „Nur durch die Kombination der verschiedenen Technologien und Fertigkeiten der Partner waren wir in der Lage, die Struktur des Typ-7-Sekretionssystems zu entschlüsseln und zu verifizieren.“

 

Originalarbeit:
Structure of the mycobacterial ESX-5 type VII secretion system membrane complex by single particle analysis; Katherine S.H. Beckham, Luciano Ciccarelli, Catalin M. Bunduc et al.; „Nature Microbiology“, 2017; 10.1038/nmicrobiol.2017.47

 

Weitere Informationen:
CSSB
EMBL-News
Pressemitteilung des UKE
Pressemitteilung und Bildmaterial
des IMP