Vier neue virtuelle Institute unter Federführung von DESY

Förderzusage der Helmholtz-Gemeinschaft für viertes von DESY koordiniertes Projekt eingegangen. Die vier „virtuellen Institute“ erhalten auf drei Jahre verteilt jeweils 720 000 Euro.

Neue Verfahren zur Untersuchung von Materialien mit Synchrotronstrahlung zu entwickeln, den Einfluss intensiver Röntgenlichtblitze auf einzelne Atome zu studieren, die Eigenschaften von Plasmen zu untersuchen oder das Wechselspiel von Teilchenphysik und Kosmologie zu erforschen – das sind die Ziele, die sich vier vom Forschungszentrum DESY in Hamburg koordinierte „virtuelle Institute“ auf die Fahnen geschrieben haben. Mit der Gründung dieser virtuellen Institute, die verschiedene Zentren der Helmholtz-Gemeinschaft und Hochschulen miteinander vernetzen, wollen die beteiligten Partnerinstitutionen ihr vielfältiges Know-how bündeln und ihre Aktivitäten auf diesen Gebieten zusammenfassen. Mit der Anfang Juni eingegangenen vierten Förderzusage sind nun alle vier von DESY koordinierten Projekte von der Helmholtz-Gemeinschaft positiv evaluiert worden. Sie erhalten auf drei Jahre verteilt Fördermittel in Höhe von jeweils 720 000 Euro aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft.

Der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft verfügt über einen „Impuls- und Vernetzungsfonds“ von etwa 25 Millionen Euro jährlich, der als spezielles Steuerungsinstrument der „Programmorientierten Förderung“ helfen soll, die Reform der Helmholtz-Gemeinschaft schneller umzusetzen. Er wird aus Mitteln der Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft gespeist, die hierfür explizit vorgesehen sind. Ziel des Fonds ist es, exzellente Vorhaben sowie Best-Practice-Projekte einzelner Helmholtz-Zentren in der gesamten Helmholtz-Gemeinschaft zu etablieren und insbesondere Projekte zu fördern, die sich aus den Programmbegutachtungen oder den Beratungen des Helmholtz-Senats ergeben. Die drei Schwerpunkte für die Mittelvergabe liegen in der Vernetzung mit Hochschulen, der internationalen Vernetzung mit Partnerinstituten sowie der Nachwuchsförderung.

Im Januar 2004 erfolgte die zweite Antragsrunde für den Impuls- und Vernetzungsfonds, wobei der Schwerpunkt der Förderung auf den so genannten virtuellen Instituten lag. Die folgenden vier Projekte unter der Federführung von DESY machten dabei das Rennen:

  • An dem virtuellen Institut „Development of In-situ Characterization Techniques for Polycrystalline Materials Using High-Energy Synchrotron Radiation” (Entwicklung von in-situ Charakterisierungsmethoden für polykristalline Materialien mit hochenergetischer Synchrotronstrahlung) sind die Partnerinstitute DESY, die TU Darmstadt und die Universität München beteiligt. Ziel der Wissenschaftler ist es, neue Verfahren für die Untersuchung polykristalliner Materialien mithilfe von Synchrotronstrahlung an DESYs zukünftiger Röntgenstrahlungsquelle PETRA III zu erarbeiten und bestehende Messmethoden zu verbessern. Das Institut ist in zahlreiche Sonderforschungsbereiche bzw. Schwerpunktprogramme sowie in das European Network of Excellence des 6. Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union eingebettet.
  • DESY, die TU Berlin sowie die Universitäten Frankfurt und Rostock haben sich im Rahmen des virtuellen Instituts „Atomic and Cluster Physics with Short Wavelength Radiation from Free-Electron Lasers“ (Atom- und Clusterphysik mit kurzwelliger Strahlung aus Freie-Elektronen-Lasern) zusammengeschlossen. Sie wollen die Wechselwirkung extrem intensiver Röntgenpulse aus diesen neuartigen Lichtquellen mit einzelnen Atomen und Clustern – kleinen „Klümpchen“ aus zahlreichen Atomen – untersuchen. Ziel des Vorhabens ist es, ein grundlegendes Verständnis der Prozesse zu erhalten, die dabei auf atomarer und molekularer Ebene ablaufen. Dieses Wissen ist für alle zukünftigen Experimente und Anwendungen von Freie-Elektronen-Lasern im Röntgenbereich von grundlegender Bedeutung.
  • Der Freie-Elektronen-Laser für Strahlung im Vakuum-Ultravioletten und im weichen Röntgenbereich VUV-FEL, der im Jahr 2005 bei DESY den Nutzerbetrieb aufnehmen wird, ermöglicht die Erforschung von heißen, ionisierten Gasen, so genannten Plasmen. Die Erkenntnisse auf diesem Gebiet sind besonders für astrophysikalische Fragestellungen wichtig. In Zusammenarbeit mit den Universitäten Rostock und Jena wird DESY im Rahmen des virtuellen Instituts „Plasma Physics Research Using FEL Radiation“ (Plasmaphysikforschung mit FEL-Strahlung) die Einsatzmöglichkeiten der so genannten Thomson-Streuung zur Diagnostik dieser Plasmen erforschen.
  • Das Wechselspiel von Teilchenphysik und Kosmologie ist derzeit ein Schwerpunkt der physikalischen Grundlagenforschung. In Zusammenarbeit mit Theoriegruppen der Universitäten Bonn, Heidelberg und München wird die DESY-Theorieabteilung im Rahmen des virtuellen Instituts „Particle Cosmology“ (Teilchenphysik und Kosmologie) den Ursprung der Materie-Antimaterie-Asymmetrie des Universums sowie den Zusammenhang zwischen dunkler Materie, dunkler Energie und Inflation untersuchen. Ziel des virtuellen Instituts ist es, globale Eigenschaften des Universums durch Gesetze der Struktur der Materie bei kleinsten Abständen zu erklären.

Darüber hinaus ist DESY an zwei weiteren virtuellen Instituten beteiligt:

  • einem Zusammenschluss von drei Helmholtz-Zentren (HMI, GKSS, DESY) und vier Hochschulinstituten (TU Berlin, TU Clausthal, TU Dresden), der unter dem Namen „Photons and Neutrons for Advanced Materials” (Photonen und Neutronen für neue Materialien) die an Elektronenspeicherringen und Neutronenquellen gegebenen, einzigartigen Möglichkeiten zur Untersuchung moderner Werkstoffe erschließen und weiterentwickeln will;
  • sowie an dem Institut „Asymmetric Structures for Polymer Electrolyte Fuel Cell“ (Asymmetrische Strukturen für Polymer-Elektrolyt-Brennstoffzellen), in dem unter der Federführung von GKSS die Helmholtz-Zentren DESY und FZJ sowie die Hochschulinstitute der Universität Bayreuth, Ulm und der TU Hamburg-Harburg die Entwicklung von Brennstoffzellen vorantreiben wollen.

Der Impuls- und Vernetzungsfonds dient in der Regel der Initialisierung eines institutionsübergreifenden Projekts, das von einem oder mehreren Helmholtz-Zentren sowie kooperierenden Partnerinstituten mit entsprechender finanzieller Eigenbeteiligung getragen wird. Die Förderung aus dem Fonds ist zeitlich begrenzt, sie erfolgt – zusätzlich zur einmaligen Anschubfinanzierung – bei positiver Evaluation über eine Dauer von drei bis fünf Jahren.

DESY konnte bisher sehr erfolgreich Fördermittel aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds beantragen. In der ersten Antragsrunde im Jahr 2003 wurden acht Projektanträge unter der Federführung von DESY positiv evaluiert. Neben vier „Gemeinsamen Forschungszentren“ werden inzwischen auch sechs „Helmholtz-Nachwuchsgruppen“ gefördert. Darüber hinaus hat DESY u. a. Anschubfinanzierungen und Förderungen für die Schülerlabore „physik.begreifen“ in Hamburg und Zeuthen sowie für eine Sommerschule in Dubna erhalten. DESY ist außerdem an weiteren, von anderen Helmholtz-Zentren koordinierten Projekten beteiligt.