30.04.2014

Genauestes Messgerät für Röntgenlaserblitze

Neue Technik verbessert Datenauswertung von Freie-Elektronen-Lasern

Forscher von DESY und dem US-Beschleunigerzentrum SLAC haben eine neue Methode entwickelt, um die ultrakurzen Blitze von Röntgenlasern mit bislang unerreichter Zeitauflösung zu vermessen. Mit der neuartigen Technik erreichten die Wissenschaftler am derzeit weltstärksten Röntgenlaser, der Linac Coherent Light Source (LCLS) des SLAC, eine Zeitauflösung von einer Femtosekunde, das ist eine millionstel milliardstel Sekunde (0,000 000 000 000 001 Sekunden). Der bisherige Rekord bei der Analyse einzelner Röntgenpulse lag bei zehn Femtosekunden. Die Pulsanalyse verbessert die Auswertung der Messergebnisse von sogenannten Freie-Elektronen-Röntgenlasern (XFEL).

Profil eines Elektronenpakets, gemessen an der LCLS beim SLAC. Die Ankunftszeit der einzelnen Elektronen ist in der horizontalen Richtung aufgetragen, ihre Energie in der vertikalen. Das Pulsprofil trägt den individuellen Fingerabdruck des Röntgenblitzes, den es soeben erzeugt hat. Daraus lässt sich der Verlauf des Röntgenblitzes rekonstruieren. Bild: Christopher Behrens/DESY

Von Freie-Elektronen-Röntgenlasern erwarten Forscher neue, wegweisende wissenschaftliche Untersuchungsmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen, von der Abbildung einzelner Moleküle bis hin zum Filmen der Bewegung von Elektronen in Atomen. Denn die energiereichen, ultrakurzen XFEL-Pulse erlauben Einblicke in kleinste Dimensionen und ultraschnelle Prozesse. Allerdings ist die Interpretation solcher Messungen eine Herausforderung, denn die einzelnen Röntgenblitze eines XFEL variieren in Form und Länge.

Der neue Pulsmonitor, der jetzt im Fachjournal „Nature Communications“ vorgestellt wird, versorgt Forscher mit einer Präzisionsmessung jedes einzelnen Röntgenblitzes – eine entscheidende Information für die Analyse von Daten der LCLS oder anderer Freie-Elektronen-Laser wie DESYs FLASH oder dem in Norddeutschland im Bau befindlichen European XFEL.

Statistisches Flackern

XFELs werden von einem geraden Teilchenbeschleuniger angetrieben, der Elektronen bündelweise fast bis auf Lichtgeschwindigkeit bringt. Anschließend durchlaufen die schnellen Elektronen einen eng gesteckten magnetischen Slalomkurs in einem sogenannten Undulator. In jeder Kurve senden sie Licht aus, das sich zu einem sehr hellen und sehr kurzen laserartigen Blitz verstärkt.

Allerdings sind aufeinander folgende Blitze in der Regel nicht identisch – sie unterscheiden sich leicht in der Dauer und in der Pulsform. „Die statistische Natur der Lichterzeugung in XFELs und der Beschleunigungsprozess selbst führen zu Fluktuationen zwischen den einzelnen Schüssen“, erläutert DESY-Beschleunigerforscher Christopher Behrens, Erstautor der neuen Studie.

Diese Unregelmäßigkeiten stellen eine Hürde für Experimentatoren dar. „Viele Prozesse, die man mit einem XFEL untersucht, hängen davon ab, wie sie durch den Röntgenpuls ausgelöst oder mit ihm gemessen wurden“, sagt Behrens. „Daher möchten wir das zeitabhängige Pulsprofil exakt kennen, wobei es sich beispielsweise um einen einzelnen Puls oder auch um eine Sequenz von zwei Pulsen handeln kann.“ Darüber hinaus muss bei vielen Messungen wie etwa der Abbildung einzelner Moleküle die Belichtung der empfindlichen Proben mit den intensiven Röntgenstrahlen soweit wie möglich begrenzt werden, wofür die Kenntnis der exakten Pulsdauer ein Vorteil ist.

Hochauflösende Pulsmonitore für Röntgenlaser gibt es allerdings nicht von der Stange. Bislang haben Forscher beispielsweise die Dauer der einzelnen Röntgenblitze der LCLS indirekt auf Grundlage der Länge der individuellen Elektronenpakete, die das helle Licht erzeugen, geschätzt. Diese Näherung ist jedoch oft nicht gut genug für die Interpretation der Messdaten.

Fingerabdruck des Röntgenblitzes

Mit der neuen Methode können die Wissenschaftler die Röntgenpulse nun direkter vermessen. „Wir diagnostizieren den Elektronenstrahl erst, nachdem er den Slalomkurs verlassen hat“, beschreibt Ko-Autor Yuantao Ding vom SLAC, leitender Forscher in dem Projekt von SLAC-Beschleunigerphysiker Patrick Krejcik. „Da die Erzeugung der Röntgenstrahlen den Elektronen Energie entzieht, trägt jedes Elektronenbündel eine Art Fingerabdruck seines Röntgenpulses.“

Das Herzstück des Pulsmonitors ist eine sogenannte transversal ablenkende X-Band Radiofrequenz-Kavität, die hinter der XFEL-Slalomstrecke, dem Undulator, sitzt und die Elektronen aus ihrer ursprünglichen Flugbahn wirft. Diese Ablenkung verändert sich von einem Ende des Elektronenpakets bis zum anderen, so dass sein zeitliches Profil in senkrechter Richtung gestreckt wird. Unterschiedliche Positionen in senkrechter Richtung entsprechen verschiedenen Zeitpunkten in Flugrichtung.

In einem folgenden Schritt durchläuft das gestreckte Elektronenpaket einen Magneten, der den Elektronenstrahl noch einmal in eine andere Richtung streckt, und zwar abhängig von der Energie der einzelnen Elektronen. Dieser Prozess lässt sich mit einem Prisma vergleichen, das weißes Licht in Regenbogenfarben aufteilt. Das Endergebnis ist ein zweidimensionales Profil des Elektronenpakets, wobei eine Richtung die Zeit und die andere die Energie angibt.

Die Forscher messen dieses Pulsprofil zweimal: Zum einen während der Produktion von Röntgenlaserlicht und zum anderen in einer Art Leerlauf, wenn die Produktion von Laserlicht unterdrückt ist. „Aus dem Vergleich beider Profile können wir den zeitabhängigen Energieverlust in dem Elektronenpaket messen, der vom Röntgenpuls verursacht wird“, erklärt Behrens. „Aus dem Energieverlust können wir wiederum das Leistungsprofil des Röntgenpulses rekonstruieren.“

Zehnmal genauer

Radiofrequenz-Deflektoren werden an XFELs bereits routinemäßig zur Untersuchung des Elektronenstrahls eingesetzt, jedoch vor dem Undulator. „Ein neuer Ansatz unserer Studie war der Einsatz eines Deflektors hinter dem Undulator, was uns erlaubt, den Fingerabdruck des Röntgenpulses zu messen“, sagt Behrens, der die Basis für dieses Projekt vor drei Jahren gemeinsam mit SLAC-Kollegen bei einem Forschungsaufenthalt an dem US-Zentrum gelegt hatte.

Ein weiteres Merkmal der neuen Methode ist die zehnfach bessere Zeitauflösung verglichen mit konventionellen Deflektoren. Der neue Pulsmonitor liefert Nutzern der LCLS künftig genaue Informationen zu jedem einzelnen der 120 Röntgenblitze pro Sekunde und wird damit die Datenauswertung verbessern.

Abgesehen von der Datenauswertung kann die neue Methode auch die Funktion des Röntgenlasers verbessern. „Wir wissen, dass wir beispielsweise mit abnehmenden Magnetfeldern entlang des Undulators die Röntgenproduktion erhöhen können“, sagt Ding. „Allerdings verstehen wir noch nicht alle Details dieses Prozesses, der auch noch optimiert werden muss. Mit unserer neuen Methode haben wir jetzt ein neues Paar Augen, um diese Details zu beobachten.“

Die Anwendung des neuen Pulsmonitors ist nicht beschränkt auf die LCLS. „Er könnte als Diagnostikwerkzeug auch für FLASH II und den European XFEL interessant sein“, sagt Behrens. „Bei FLASH II könnte er beispielsweise benutzt werden, um die Einleitung des Laserprozesses durch einen externen Laser zu optimieren, das sogenannte Seeding.“

 

 

Originalpublikation 

“Few-femtosecond time-resolved measurements of X-ray free-electron lasers”; C. Behrens, F.-J. Decker, Y. Ding, V. A. Dolgashev, J. Frisch, Z. Huang, P. Krejcik, H. Loos, A. Lutman, T. J. Maxwell, J. Turner, J. Wang, M.-H. Wang, J. Welch, and J. Wu; Nature Communications, 2014; DOI:10.1038/ncomms4762

Weitere Informationen 

SLAC-Newsfeature (June 25, 2013): https://www6.slac.stanford.edu/news/2013-06-25-XTCAV-Provides-X-ray-Pulse-Measurements.aspx

Die transversal ablenkende X-Band-Hochfrequenz-Cavity aus zwei ein Meter langen Strukturen ist das Herzstück des neuen Pulsmonitors an der LCLS. Er liefert Informationen über die individuellen Röntgenblitze mit zuvor unerreichter Femtosekunden-Auflösung. Bild: Patrick Krejcik/SLAC