22.04.2014

Der Malaria-Erreger unter dem Supermikroskop

Forscher entziffern zwei Schlüsselproteine der Plasmodien

Ein internationales Forscherteam hat zwei entscheidende Proteine des Malariaparasiten entschlüsselt. Die Untersuchung, unter anderem an DESYs brillanter Röntgenquelle PETRA III, gibt neue Einblicke in die Funktion der Strukturproteine Aktin I und Aktin II, ohne die der Erreger menschliche Zellen nicht infizieren kann. Das Projekt unter Leitung von Prof. Inari Kursula vom neugegründeten Zentrum für strukturelle Systembiologie CSSB auf dem DESY-Campus könnte zur Entwicklung maßgeschneiderter Malariamedikamente beitragen. Die Wissenschaftler präsentieren ihre Arbeit im Fachjournal "PLoS Pathogens".

Struktur des Plasmodien-Proteins Aktin I (rot). Wird ein Teil der Untereinheit 2 (Kreis) mit der von Säugetieren ersetzt, formt das Aktin I lange Filamente (Hintergrund) statt der üblichen kurzen. Abbildung: Inari Kursula/CSSB

An diesem Freitag ist Weltmalariatag, zu dem die Weltgesundheitsorganisation WHO jeweils den 25. April eines Jahres ausgerufen hat. Malaria ist eine lebensbedrohliche Infektionskrankheit, an der pro Jahr mehr als eine halbe Million Menschen sterben. Die WHO schätzt, dass es im Jahr 2012 rund 207 Millionen Malariaerkrankte gab; am häufigsten trifft es Kinder in Afrika. Eine zugelassene Impfung gibt es bislang nicht. Die Krankheit wird durch sogenannte Plasmodien verursacht – einzellige Parasiten, die von Moskitos übertragen werden. Durch einen Stich gelangen die Erreger in den Menschen und rufen dort typische Symptome wie periodisch auftretendes Fieber, Übelkeit und Kopfschmerzen hervor.

Damit Plasmodien in menschliche Zellen eindringen und sie wieder verlassen können, müssen sie beweglich sein. Dazu nutzen sie ein Strukturprotein namens Aktin. Aktin kommt in fast allen Lebewesen vor und ist dort eines der häufigsten Proteine. In der Zelle übernimmt es viele Aufgaben: Es verleiht ihnen Stabilität, ermöglicht Zellteilung und sorgt auch dafür, dass sich einzelne Zellen fortbewegen können. Das dynamische Verhalten, das für diese Vorgänge notwendig ist, kommt dadurch zustande, dass sich einzelne kugelförmige Aktin-Moleküle zu fadenähnlichen Strukturen zusammenschließen können, sogenannten Filamenten. Der Malaria-Erreger besitzt zwei Versionen, Aktin I und Aktin II, die sich stark voneinander unterscheiden. Obwohl diese Strukturproteine so wichtig für die Infektiosität des Erregers sind, konnten Wissenschaftler bis heute keine Filamentbildung in Plasmodien nachweisen.

Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI), des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) und von DESY - drei von neun Partnerinstitutionen im CSSB - gelang es nun gemeinsam mit internationalen Partnern, die Aneinanderreihung von Aktin-II-Proteinen des Parasiten zu Filamenten unter dem Elektronenmikroskop zu beobachten. Männliche Malaria-Erreger, in denen die Forscher Aktin II ausgeschaltet hatten, konnten keine reifen Keimzellen mehr bilden und sich folglich nicht fortpflanzen und verbreiten. Nur eine Aktin-Variante zu besitzen, reicht hierfür offenbar nicht aus. Welche Rolle die Filamente bei der Keimzellreifung spielen, ist nach wie vor unklar. Doch warum verhalten sich die beiden Proteine so unterschiedlich?

Um diese Frage zu beantworten, entschlüsselte das Forscherteam den Aufbau der kugelförmigen Proteine mithilfe von Röntgenstrahlen, unter anderem an der Messstation P11 bei PETRA III. „Wir konnten die Strukturen von Aktin I und Aktin II mit sehr hoher Auflösung bestimmen – bis auf 1,3 bzw. 2,2 Ångström. Damit befinden wir uns in der Größenordnung von einzelnen Atomen“, sagt Projektleiterin Kursula. „So haben wir festgestellt, dass sich beide Varianten mehr unterscheiden als es in anderen Lebewesen je beobachtet wurde.“

In dieser hohen Auflösung konnten die Forscher Proteinbereiche identifizieren, die das unterschiedliche Verhalten hervorrufen. „Wir verstehen jetzt, dass sich die Aktin-Filamente der Plasmodien stark von anderen Aktin-Filamenten, beispielsweise denen des Menschen, unterscheiden und dass sie auf völlig andere Weise aufgebaut werden als diese. Da wir nun die strukturelle Basis  dafür kennen, können wir nach Wegen suchen, das Zellskelett des Parasiten gezielt zu beeinflussen“, sagt Kursula. Dieses Wissen könnte in Zukunft dazu beitragen, maßgeschneiderte Malaria-Medikamente zu entwerfen.

 

Die Nachwuchsgruppe „Strukturbiologie des Zytoskeletts“ am interdisziplinären Centre for Structural Systems Biology (CSSB) untersucht das Zytoskelett – ein flexibles Netzwerk aus Eiweißen, das eine wichtige Rolle für den Eintritt und die Beweglichkeit von Krankheitserregern spielt. Insbesondere interessieren sich die Forscher dafür, wie Malaria verursachende Plasmodien ihr Zytoskelett zu diesem Zweck regulieren. Das CSSB auf dem Hamburger DESY-Campus ist eine Kooperation von neun Forschungsinstitutionen, darunter EMBL, HZI und DESY.

 

Originalarbeit
"Structural Differences Explain Diverse Functions of Plasmodium Actins"; Juha Vahokoski et al.; PLOS Pathogens, 2014; DOI: 10.1371/journal.ppat.1004091

Weltmalariatag: http://www.who.int/campaigns/malaria-day/2014/en/

Quelle: HZI-Pressemitteilung