13.11.2012

DESYs Röntgenlaser FLASH beobachtet Molekülexplosion

Mit DESYs Röntgenlaser FLASH hat ein Hamburger Forscherteam die ultraschnelle Explosion von Jodmolekülen verfolgt. Die Gruppe um Markus Drescher vom Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) benutzte den Röntgenlaser dazu als eine Art Hochgeschwindigkeitskamera - die beobachtete Molekülexplosion spielt sich auf der Zeitskala von Millionstel einer Milliardstel Sekunde (Femtosekunden) ab. Die Wissenschaftler präsentieren ihre Messungen im Fachjournal "Physical Review A". "Dank der ultrakurzen Röntgenpulse von FLASH können wir den zeitlichen Ablauf detailliert verfolgen, ohne den Prozess zu stören", sagt Erstautorin Maria Krikunova, die heute an der Technischen Universität Berlin arbeitet.

Mit seinen ultrakurzen Blitze kann DESYs Röntgenlaser FLASH verschiedene Phasen der Molekülexplosion festhalten und dabei die Umverteilung der Elektronen beobachten.

Um die Explosion zu starten, feuerten die Forscher um Drescher und Krikunova zunächst einen  Infrarotlaser auf ein Gas aus zweiatomigen Jodmolekülen (I2). Dieser Infrarotblitz war mit rund 120 Femtosekunden relativ lang verglichen mit den nur 35 Femtosekunden kurzen Röntgenblitzen aus dem Freie-Elektronen-Laser FLASH. "Mit dem Röntgenpuls können wir in den deutlich längeren Infrarotpuls hineinschauen", erläutert Krikunova. "Dazu müssen die Pulse allerdings exakt aufeinander abgestimmt sein, was erst der spezielle Aufbau von Theo Maltezopoulos von der Universität Hamburg und CFEL ermöglicht hat."

Es zeigte sich, dass der Infrarotblitz innerhalb der zentralen 75 Femtosekunden um sein Pulsmaximum herum den Jodmolekülen gleichzeitig zwei Elektronen aus der äußeren Hülle entreißt, sogenannte Valenz-Elektronen. Dabei wird die chemische Bindung getrennt, und das jetzt zweifach ionisierte Molekül beginnt zu explodieren. Mit FLASH konnten die Forscher in Echtzeit festhalten, wie sich die verbliebenen, ursprünglich nicht lokalisierten Valenz-Elektronen zwischen den beiden Jodatomen neu verteilen.

Die Abstoßung der beiden jetzt elektrisch geladenen Atome führt schließlich zur Explosion des Moleküls. Dabei entstehen auch unsymmetrische Ladungszustände, bei denen sich ein Jodmolekül in ein neutrales und ein elektrisch zweifach geladenes Jodatom teilt. Nach insgesamt rund 120 Femtosekunden sind die Moleküle zerbrochen. Da die Röntgenblitze an ganz anderer Stelle im Atom absorbiert werden als die Infrarotpulse, konnte FLASH das System beobachten, ohne den Prozess zu stören.

"Wir können hier unmittelbar zuschauen, wie sich Ladungen dynamisch umverteilen, wenn man Moleküle einem starken Lichtfeld aussetzt", sagt Drescher, der auch Professor an der Universität Hamburg ist."Durch die kurzwelligen Blitze von FLASH steht uns eine Sonde für die lokale Elektronendichte zur Verfügung. Das heißt, wir wissen, ob zu einem Zeitpunkt mehr Ladungen auf dem einen oder dem anderen Atom sitzen."

Auf solche neuen Beobachtungsmöglichkeiten setzt auch das in der jüngsten Exzellenzinitiative des Bundes erfolgreiche Hamburg Center for Ultrafast Imaging (CUI), in dem Universität und DESY Partner sind. Auch das CFEL ist eine Kooperation von Universität Hamburg und DESY, an der auch die Max-Planck-Gesellschaft beteiligt ist.

DESYs FLASH (Freie-Elektronen Laser in Hamburg) war der weltweit erste Freie-Elektronen-Laser (FEL) für weiche Röntgenstrahlung. Freie-Elektronen-Laser erzeugen laserartige Lichtblitze, indem sie schnelle Elektronen aus einem starken Teilchenbeschleuniger auf einen eng gesteckten Slalomkurs schicken. In jeder Kurve geben die Elektronen Strahlung ab, die sich zu einem laserartigen Blitz verstärkt. Die kurzen Wellenlängen von nur einigen millionstel Millimetern (Nanometern) ermöglichen, noch molekulare Details zu erkennen. Die kurze Blitzdauer von nur einigen billiardstel Sekunden (Femtosekunden) erlaubt, ultraschnelle Prozesse abzulichten.

Mit dem European XFEL, dessen Hauptgesellschafter DESY ist, entsteht in Hamburg derzeit der beste Röntgenlaser der Welt. DESY ist das führende deutsche Zentrum für Teilchenbeschleuniger und eines der führenden weltweit.

 

Originalstudie: "Strong-field ionization of molecular iodine traced with XUV pulses from a free-electron laser"; Maria Krikunova et al.; "Physical Review A" 86, 043430 (2012, online vorab veröffentlicht); DOI: 10.1103/PhysRevA.86.043430