13.08.2012

Wissenschaftler von DESY und European XFEL entwickeln Verfahren zur deutlichen Verbesserung von Röntgenlasern

Röntgenlaser, bei denen die Röntgenstrahlung mit Hilfe freier Elektronen erzeugt wird (X-ray free electron lasers, XFEL), ermöglichen vollkommen neue Einblicke in die Nanowelt. Mit Röntgenblitzen bisher unbekannter Intensität und Kürze erlauben es die neuen Großforschungseinrichtungen, einzelne Molekülen, Atome und sogar chemische Reaktionen direkt zu beobachten. Mehrere XFELs in den USA, Japan, Deutschland, der Schweiz und Korea haben entweder gerade den Betrieb aufgenommen oder befinden sich derzeit in Bau. Forscher von DESY und European XFEL, beide in Hamburg, hatten 2010 ein Verfahren entwickelt, mit dem die die bereits herausragenden Eigenschaften der großen Laser mit Hilfe eines speziellen Kristalls noch deutlich verbessert werden können. Wissenschaftler am vom SLAC National Accelerator Laboratory betriebenen neuen Röntgenlasers LCLS und des russischen Technological Institute for Superhard and Novel Carbon Materials in Troitsk haben das Verfahren nun erstmals erfolgreich in der Praxis getestet. Die Ergebnisse wurden jetzt in Nature Photonics veröffentlicht (doi:10.1038/nphoton.2012.180).

Um die Röntgenblitze der Linac Coherent Light Source (LCLS) noch präziser zu machen, installierten die Wissenschaftler diese Vakuumkammer mit der Diamantscheibe etwa in der Mitte der 130 Meter langen Lichterzeugungsstrecke . (Foto: SLAC)

Die Forschungseinrichtungen erzeugen in kilometerlangen Tunneln kurzwelliges Röntgenlicht mit laserähnlichen Eigenschaften. Elektronenpakete werden mit einem Linearbeschleuniger in einem geraden Tunnel auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt und dann in speziellen, Undulator genannten Magnetanordnungen auf einen Slalomkurs gebracht. Dabei emittieren sie Röntgenstrahlung mit der am Ende des Tunnels in speziell entwickelten Instrumenten Proben untersucht werden können. Wenn die Röntgenstrahlung von der Probe abgelenkt wird, entstehen bestimmte Muster. Aus diesen können die Wissenschaftler Bilder oder sogar Filme erzeugen, die die Struktur der Probe und ihr Verhalten mit atomarer Auflösung zeigen. Die Ära des wissenschaftlichen Einsatzes von XFELs mit atomarer Auflösung in der Forschung begann 2009 mit der Aufnahme des Nutzerbetriebs am LCLS. Die Erfindung der Forscher von DESY und European XFEL öffnet den Weg zu qualitativ noch hochwertigeren Laserblitzen und damit auch zu noch besseren Bildern oder „Filmen“ als erwartetet.

Der Durchbruch wurde mit einer relativ einfachen Veränderung des amerikanischen Röntgenlasers LCLS erreicht, durch die eine als „longitudinale Kohärenz“ bezeichnete Eigenschaft verbessert wird und gleichzeitig die sehr hohe Intensität des Strahls erhalten bleibt. So wie eine herkömmliche Kamera ausreichend Licht für die Aufnahme eines guten Fotos benötigt, steigt die Qualität der Bilder und „Filme“ am Röntgenlaser mit der Kohärenz und der Intensität der verwendeten Blitze. „Die neuen Ergebnisse sind ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem Röntgenstrahl, mit dem in Zukunft hochaufgelöste Bilder von einzelnen Proteinmolekülen aufgenommen werden können. Davon können Biologen und Biochemiker heute nur träumen“, sagt Adrian Mancuso, leitender Wissenschaftler bei European XFEL. Bislang müssen die Forscher für solche Bilder erst Kristalle der Proteine züchten – ein sehr zeitaufwändiger Prozess, der Jahre dauern kann und in vielen wichtigen Fällen gar nicht möglich ist.

Die Erzeugung von Röntgenlicht im European XFEL beginnt normalerweise mit einer als „Shot noise“ bezeichneten spontanen Emission von Licht durch Elektronen, die auf ihrem Slalomkurs durch die Undulatoren zunächst gleichmäßig und zufällig verteilt sind. Die Elektronen treten jedoch in Wechselwirkung mit der Strahlung, werden dabei teils gebremst, teils beschleunigt und bilden so dünne aufeinanderfolgende Scheiben. Dies verstärkt die abgegebene Strahlung und damit auch die Scheibchenbildung weiter – ein sich selbst verstärkender Prozess, der von den Physikern SASE (self-amplified spontaneous emission) genannt wird. „Das Problem besteht darin, dass diese ursprünglich auf den „shot noise“ zurückgehende Strahlung nicht sehr kohärent ist und leicht unterschiedliche Wellenlängen hat“, erklärt Gianluca Geloni, Wissenschaftler bei European XFEL.

Um die Qualität der Röntgenblitze zu verbessern setzten die Forscher einen speziellen Kristall zwischen die Undulatoren. Wenn das im ersten Teil des Undulators erzeugte Licht den Kristall in einem bestimmten Winkel trifft, passiert der größte Teil ihn unverändert. Aufgrund der speziellen Eigenschaften des Kristalls folgt jedoch mit leichter Verzögerung auf diesen ersten Puls ein zweiter, monochromatischer Puls, der aus Licht nur einer einzigen Wellenlänge besteht. Für diese Röntgenstrahlung interessieren sich die Physiker, denn sie kann als Keimzelle für besseres und kohärenteres Röntgenlicht im zweiten Undulatorteil eingesetzt werden. Dazu leiten sie den Elektronenstrahl, aus dem das Licht erzeugt wird, über Magneten auf einen kleinen Umweg, so dass dieser ebenfalls verzögert wird. Auf diese Weise kommen verzögerter Röntgenstrahl und Elektronenstrahl zusammen und der Strahl verstärkt nur das qualitativ hochwertigere Licht zu kohärenten, sehr intensiven Röntgenblitzen. Von Wissenschaftlern wird dieses Verfahren auch als „self seeding“ bezeichnet.

Die Idee von Gianluca Geloni (European XFEL), Vitali Kocharyan und Evgeni Saldin (beide DESY), auf die beschriebene Weise sehr intensive und kohärente Röntgenblitze durch „self seeding“ zu erzeugen, stieß in der Fachwelt sogleich auf Interesse. Ihre Kollegen vom SLAC, die den weltweit ersten Röntgenlaser betreuen, konnten jetzt nachweisen, dass sich die Röntgenstrahlen der großen XFEL-Forschungseinrichtungen tatsächlich in der von dem Hamburger Team beschriebenen Weise verbessern lässt. „Unser neues Verfahren wird die Röntgenlaser viel laserartiger machen als sie es bislang sind“, sagt Evgeni Saldin. Zwar muss noch geforscht werden, um das Verfahren weiter zu optimieren, aber das Team von European XFEL und DESY ist sehr zuversichtlich, dass dies gelingt. „Wir hoffen, dass unser Verfahren Physikern, Chemikern, Biologen und Ärzten helfen wird, weitere spannende Forschungsgebiete mit Röntgenstrahlung höchster Qualität zu erschließen“, erklärt Vitali Kocharyan.