11.03.2012

Schnappschüsse vom Feuerwerk in Nanoteilchen: Jenseits von konventioneller Ultrakurzzeitspektroskopie

Ein Wunschtraum der Wissenschaft im Bereich ultraschneller Forschung und Technologie ist die nanometergenaue Abbildung sich verändernder Strukturen, während sie mit Licht wechselwirken. Einem internationalen Wissenschaftlerteam mit DESY-Beteiligung unter der Leitung von Thomas Möller von der TU Berlin und Christoph Bostedt vom SLAC in Stanford (vorher TU Berlin)  ist bei diesem Ziel ein entscheidender Durchbruch gelungen. Die Forscher nutzten die intensiven Laserpulse des Freie-Elektronen-Lasers FLASH zur Röntgenbeugung an Nanopartikeln. Sie wollten damit ultraschnelle elektronische Abläufe bei der Entstehung von Nanoplasma sichtbar machen – hier versagen herkömmliche Spektroskopie-Methoden. Die durchgeführten Experimente eröffnen neue Wege zur Untersuchung der kurzlebigen elektronischen Konfiguration von hochangeregten Materiezuständen, wie sie beispielsweise im Innern von Sternen vorkommen. Diese Zustände können jetzt im Labor erzeugt und untersucht werden. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Forschungsergebnisse in der Zeitschrift „Physical Review Letters“ vom 3. März – und ein Beugungsbild aus ihrer Arbeit schaffte es sogar auf die Titelseite.

Beugungsbild für einen Röntgenstrahl von hoher Leistungsdichte. [Aufnahme von C. Bostedt et al., Phys. Rev. Lett. 108, 093401 (2012)]

Jede Probe, auf die ein intensiver Röntgenlaserblitz trifft, wird in ein hochangeregtes Plasma umgewandelt, das heißer als die Sonne ist. Obwohl die geometrische Struktur des Nanoteilchens während der Wechselwirkung mit dem Laserpuls gleich bleibt, ändert sich das Beugungssignal durch die veränderte elektronische Struktur in der Probe. Somit können die Forscher die Information im Beugungssignal nutzen, um Einblick in kurzlebige elektronische Zustände auf der Femtosekunden-Zeitskala zu gewinnen.
In ihrer Arbeit haben die Autoren Beugungsexperimente, also die Ablenkung der Lichtstrahlen an einzelnen Xenon-Clustern mit Femtosekunden-Röntgenpulsen durchgeführt, um das Zusammenspiel zwischen Anregung und Beugung von Objekten mit Nanometer-Ausdehnung zu untersuchen. Durch ihre begrenzte Größe und einfache Elektronenstruktur sind atomare Cluster ideale Objekte, um die Wechselwirkung zwischen intensiven Lichtpulsen und Materie zu beobachten. Bisher wurde die Analyse der Wechselwirkung durch den Nachweis von Clusterfragmenten mit Ionen-Flugzeitspektrometern durchgeführt. Diese Methode hat aber den Nachteil, dass nur der Endzustand der Reaktion nachgewiesen werden kann, das heißt, der Ladungszustand der Clusterfragmente, wie er Mikrosekunden nach der Reaktion besteht. Während dieser verhältnismäßig langen Zeit können schon höhere Ladungszustände bereits entstanden oder zerfallen sein, die mit Flugzeitspektrometern nicht mehr gesehen werden können.
Bostedt und andere Wissenschaftler nutzten das Beugungssignal, um ultraschnelle Abläufe in der Elektronenstruktur der Cluster zu verfolgen. Die aufgenommenen Beugungs-Schnappschüsse zeigen, dass kurzlebige hochgeladene Teilchen entstehen, noch bevor der Cluster in einem ultraschnellen Feuerwerk zerfällt.
 

Versuchsanordnung für Beugungsexperimente mittels Einzelaufnahmen von einzelnen Xenon Nanopartikeln. Röntgenphotonen werden nachgewiesen, in optische Photonen umgewandelt und digitalisiert. [Aufnahme von C. Bostedt et al., Phys. Rev. Lett. 108, 093401 (2012)]